589/A(E)

 

E N T S C H L I E S S U N G S A N T R A G

 

der Abgeordneten DI Prinzhorn, Haigermoser, Böhacker, Mag. Haupt

und Kollegen

betreffend

 

Entlastung der österreichischen Ausbildungsbetriebe und Attraktivierung der Lehre

 

Inkonsequenz und mangelnde Kontinuität - zumindest hinsichtlich der Fortsetzung des von seinem Vorgänger Vranitzky vorgezeichneten Weges in Sachen Lehrlingsausbildung - kann man dieser Bundesregierung, insbesondere Bundeskanzler Klima, mit Sicherheit nicht vorwerfen.

In altbewährter Tradition werden von Bundeskanzler Klima, ungeachtet der sich seit Jahren verschärfenden dramatischen und katastrophalen Situation im Bereich der Lehrlingsausbildung, umfassende Maßnahmen angekündigt, die sich dann im besten Falle als in letzter Minute bzw. zu spät herbeigeführte und wirkungslose Alibi - und Feuerwehraktionen entpuppen. Die strukturellen Probleme freilich bleiben unangetastet und bestehen.

Gerade in Vorwahlkampfzeiten scheint sich Bundeskanzler Klima zumindest kurzfristig seiner Verantwortung gegenüber der Jugend dieses Landes bewußt zu werden, wenn er beispielsweise bei einem Wahlkampfauftriff in Klagenfurt anläßlich der Gemeinderatswahlen am 9. März dieses Jahres feststellte, daß "es uns zu denken geben muß, wenn alleine in Klagenfurt und Umgebund 280 Jugendliche keine Stelle als Lehrling bekommen". Er wolle daher die Jugendarbeitslosigkeit mit einem Schwerpunktprogramm auf Regierungsebene bekämpfen." (APA0164 5 II 0203 / 01.März97) Das erwähnte Programm, das sich unter anderem in einer halbherzigen Novelle des Berufsausbildungsgesetzes niederschlug, wird angesichts vielfältiger Kritik jenem Anspruch, den man ex definitione an ein "Schwerpunktprgramm" erheben kann, wohl kaum gerecht.

"(...), zweifellos wurden die Probleme im vorliegenden Entwurf zwar richtig erkannt, die vorliegende Novelle kann aber nur in einem äußerst bescheidenen Maß zu einer Verbesserung der Ausbildungssituation beitragen, stellt die Wirtschaftskammer dazu in einer entsprechenden Stellungnahme fest.

Im Mai 1997 kündigte Bundeskanzler Klima an, daß er "dafür sorgen werde, daß im September kein Schulabgänger ohne Lehrstellenangebot auf der Straße steht" (APA0043 5 II 0435 / 19.Mai 97), um im September dieses Jahres - offensichtlich in Kenntnis der erschreckenden Zahlen des Vormonats - die genannte Frist weiter auszudehnen, wenn er am 2. September 1997 wissen läßt, daß "eine bilanz der Lehrlingsaktion etwa bis Mitte November gezogen werden könne. Gemäß den Erfahrungen der vergangenen Jahre werden noch zahlreiche Lehrstellen im September, Oktober und November vergeben." (APA 404 / 02.09.1997)

Die Zahlen sind tatsächlich alarmierend:

 

                MONAT / JAHR OFFENE LEHRSTELLEN   LEHRSTELLENSUCHENDE

                August 1995         6.404       6.421

                August 1996         3.867       8.753

                August 1997         3.594 !    10.186 !

(APA 039 / 04.09.1997)

 

Im Jahresvergleich - August 1996 zu August 1997 ist eine deutliche Verschlechterung zu registrieren. Allein die Anzahl der Lehrstellensuchenden erhöhte sich im Vergleichszeitraum um 1.433. Ebenso ist die Zahl der verfügbaren Lehrstellen im Vergleichszeitraum um 273 zurückgegangen. In den Reigen haltloser Versprechungen und Ankündigungen reihen sich insbesondere Bundesministerin Hostasch sowie Vizekanzler Schüssel hervorragend ein:

Ausgerechnet den "Tag der Arbeit" dieses Jahres nützte Schüssel dazu, der arbeitsuchenden Jugend in diesem Land mitzuteilen, daß "er sich bis Ende Mai 2.000 neue Lehrstellen erwarte". Daß diese Aussage jeder seriösen Grundlage entbehrte und von höchster politischer Verantwortungslosigkeit des Vizekanzlers zeugt, belegen die Zahlen der Monate April bis Juni dieses Jahres eindrucksvoll:

 

                MONAT / JAHR OFFENE LEHRSTELLEN   LEHRSTELLENSUCHENDE

                April 97  2.629       3.561

                Mai 97    2.503       3.404

                Juni 97   2.403       3.457

(APA 039 / 04.09.1997)

 

Bundesministerin Hostasch teilte in weiterer Folge den fragestellenden Abgeordneten in einer entsprechenden parlamentarischen Anfragebeantwortung (2575/AB) mit, "daß - einer Erhebung der Bundeswirtschaftskammer zufolge - bis Herbst 1997 mit etwa 3.600 zusätzlichen Lehrstellen allein im Bereich der Unternehmer gerechnet werden kann."

Die Realität ist allerdings eine völlig andere:

Laut einer jüngsten Zeitungsmeldung wurden "bisher durch die Lehrlingsoffensive lediglich 250 Stellen geschaffen" (Wirtschafts Blatt vom 11.09.1997).

Wie die angeführten entlarvenden Beispiele zeigen, ist die Lehrlingspolitik dieser Bundesregierung seit Jahren einzig und allein von dem Bestreben getragen, der Bevölkerung durch das leichtfertige Verkünden von Halb- und Unwarheiten, durch aktionistische Maßnahmen, Handlungsunfähigkeit und Kompetenz zu suggerieren, ohne auch nur annähernd Maßnahmen einzuleiten, die geeignet wären, langfristig das gravierende Problem im Bereich der Lehrlinge bzw. der Jugendarbeitslosigkeit mit den bekannten negativen Auswirkungen in den Griff zu bekommen. Seit dem erstmaligen Auftreten eines Überhanges an Lehrstellensuchenden im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Lehrstellen im Juli 1995 hat man nunmehr bereits mehr als zwei wertvolle Jahre verstreichen lassen. Einzig und allein die Liste der unter anderem von Bundeskanzler Klima im letzten Jahr geprägten Schlagworte in Zusammenhang mit der Lehrlingspolitik wird immer länger. Von "Lehrlingspaket, Schwerpunktprogramm, Lehrlingsoffensive, Lehrlings-Hotline, oder Lehrlingsreform" war die Rede.

Die Geduld der Bevölkerung, insbesondere jene der betroffenen Jugendlichen, wird hingegen zusehends kürzer:

Immer mehr Unternehmen sehen sich aus verständlichen Gründen außerstande, Lehrlinge aufzunehmen.

Dies auch aufgrund der zu hohen Lohnnebenkosten.

Weiters muß unter anderem bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitnehmerschutzes auf die Folgewirkungen für die im Wettbewerb stehende Wirtschaft geachtet werden. Überzogene Anforderungen gefährden den Wirtschaftsstandort Österreich und damit auch Arbeitsplätze, ohne daß für die Arbeitnehmer damit merkbare Vorteile verbunden sein müssen. Gerade beim Rückgang der angebotenen Lehrstellen spielen die über viele Jahre hinweg immer mehr erweiterten "Schutzbestimmungen" eine nicht unbedeutende Rolle. Die jüngsten Versuche der Koalitionsregierung, diese Hemmnisse abzubauen, sind zu halbherzig, um eine vermehrte Beschäftigung von Lehrlingen bewirken zu können: Die Novellierung des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes hat neben einigen Erleichterungen für die Arbeitgeber mit dem Verbot, an Samstagen beschäftigte Lehrlinge auch am Montag zur Arbeit heranzuziehen, für einige Branchen die Einstellung von Lehrlingen deutlich unattraktiver gemacht. Auch die Änderung der Verordnung über die Beschäftigungsverbote und -beschränkungen für Jugendliche bleiben weiter hinter dem Erfordernis zurück, Lehrlinge prinzipiell die alltäglichen Arbeiten des von ihnen zu erlernenden Berufes von Beginn ihrer Lehrzeit an durchführen zu lassen. Hier sind weitere Schritte dringend erforderlich.

 

Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe weiterer Hemmnisse und Belastungen, mit denen die Unternehmer bei der Lehrlingsausbildung konfrontiert sind. Beispielhaft seien angeführt:

 

_SONDZEICHEN 119 \f "Monotype Sorts" \s 10 \h_  Bezahlung der Kommunalsteuer durch den Unternehmer

 

_SONDZEICHEN 119 \f "Monotype Sorts" \s 10 \h_  Absenz durch sich stetig verlängernde Berufschulzeiten

 

_SONDZEICHEN 119 \f "Monotype Sorts" \s 10 \h_  Diskrepanz zwischen Nutzen und Kosten insbesondere im 1. Lehrjahr

 

_SONDZEICHEN 119 \f "Monotype Sorts" \s 10 \h_  Schlechterstellung der Lehrlinge im Verhältnis zu den Schülern (z.B. Mitversicherung bei den Eltern)

 

_SONDZEICHEN 119 \f "Monotype Sorts" \s 10 \h_  unflexiblere Berufschulzeitregelung

 

Sowohl die finanzielle Belastung des Unternehmens, als auch die Einsatzmöglichkeiten des Lehrlings, müssen einer den aktuellen Erfordernissen entsprechende Anpassung unterzogen werden. So ist unter anderem eine steuerliche Entlastung der lehrlingsausbildenden Betriebe, der Entfall der Kommunalsteuer auf Lehrlingsentschädigungen, die Absetzbarkeit von 30 % des Lehrlingsaufwandes als Ausbildungsfreibetrag, sowie erhöhte Investitionsfreibeträge für betriebliche Anschaffungen, die überwiegend der Ausbildung dienen, dringend notwendig.

 

Um einerseits die Ausbildung von Lehrlingen für die österrreichischen Wirtschaftsbetriebe finanzierter und andererseits die Absolvieren einer Lehre für Österreichs Jugend so attraktiv wie möglich zu machen, stellen die Unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

E n t s c h l i e ß u n g s a n t r a g

 

Der Natrionalrat wolle beschließen:

 

"Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat Gesetzesentwürfe zuzuleiten, die

 

1.             ein vom Bund finanziertes Lehrlings-Leistungsstipendium für überdurchschnittliche Leistungen bis zur Höhe der für AHS-Schüler im Vergleich mehr anfallenden Kosten,

 

2.             einen Lehrlingsausbildungsfreibetrag in Höhe von 30% des Aufwandes für Ausbildungsbetriebe,

 

3.             die Nichtberücksichtigung der Lehrlingsentschädigung bei der Berechnung der Bemesungsgrundlage für die Kommunalsteuer,

 

4.             eine gesetzliche Festlegung einer jährlichen Mindeststeigerung der Lehrlingsentschädigungen im Ausmaß der sonstigen kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen im jeweiligen Wirtschaftszweig (Mindestlehrlingsentschädigung),

 

5.             eine frühzeitig einsetzende Information aller Schüler über sämtliche Bildungs- und Berufsmöglichkeiten im Bereich der Lehre bzw. eine im Rahmen der Möglichkeiten effiziente Eignungsprüfung für die jeweiligen Lehrberufe,

 

6.             eine Neuorganisation der Lehrlingsausbildung durch eine nach Wirtschaftsbereichen getrennte, konzentrierte schulische Ausbildung anstelle des polytechnischen Lehrganges vor der berufsspezifischen betrieblichen Lehre,

 

7.             die Einführung der Anlehre in Form einer zweijährigen Ausbildung, um Jugendlichen, die eine volle Lehre nicht bewältigen, die Möglichkeit zu bieten, dennoch eine Abschluß zu erwerben,

 

8.             die Schaffung von sogenannten Flächenberufen,

 

9.             eine verbesserte verpflichtende Aus- und Weiterbildung der Berufschullehrer,

 

10.           eine allgemeine Förderung einer Lehrlingsweiterbildung im Ausland,

 

11.           eine Verlängerung der Probezeit auf drei Monate zu Beginn des Lehrverhältnisses,

 

12.           folgende Regelungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes:

 

Eine Beseitigung oder Änderung aller Regelungen im Bereich des Arbeitnehmerschutzes, vordringlich aber im Bereich der Jugendlichenbeschäftigung, die eine - verglichen mit dem konkreten Nutzen für die Arbeitnehmer - unverhältnismäßig große Belastung für die Betriebe darstellen oder verhindern, daß Lerhlinge die von ihnen zu erlernenden Arbeiten auch ausführen dürfen. Insbesondere soll

 

                A.           die Arbeitszeit der Lehrlinge im Betrieb stärker an den betrieblichen                                      Notwendigkeiten ausgerichtet werden können (Berufsschule außerhalb der                               Saison bzw. an Tagen einer geringen Auslastung des Betriebes, Verschiebung                                der Arbeitszeit während der Sommerzeit um eine Stunde);

 

                B.            das Arbeitsverbot am Montag wieder beseitigt werden, wenn der Lehrling am                    Samstag beschäftigt wurde,

 

                C.            ein Ruhezeitmodell branchenspezifisch erarbeitet werden,

 

                D.            nach der entsprechenden Einschulung und unter einer der Gefährdung                                               angemessenen Kontrolle bereits ab Beginn der Lehrzeit jede Arbeit in                                                unmittelbarem Zusammenhang mit dem Lehrberuf vom Lehrling durchgeführt                        werden, die er während seiner Lehre erlernen muß.

 

13.           die Schaffung der Möglichkeit für Unternehmen, bei Anschaffung von Wirtschaftsgütern, die überwiegend Ausbildungszwecken dienen, einen erhöhten Investitionsfreibetrag geltend zu machen,

 

14.           eine Gleichstellung der Meisterprüfung mit der B-Matura im öffentlichen Dienst und eine Forcierung des Zugangs zu einschlägigen Fachhochschul-Studiengängen

 

vorsehen."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Wirtschaftsausschuß beantragt.