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der Abgeordneten Dr. Höbinger-Lehrer. Dr. Graf, Mag. Stadler

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975 geändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Die Strafprozeßordnung 1975, BGBl.Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz

BGBl.Nr. 507/1994, wird wie folgt geändert:

 

1 . Der erste Satz des § 45 a entfällt. An seine Stelle tritt folgender Text:

''Wird der Beschuldigte in Haft genommen, so sind dem Staatsanwalt und dem

Verteidiger zeitgerecht zur ersten Entscheidung über die Fortsetzung der Unter-

suchungshaft - sofern die Hauptverhandlung früher stattfindet, bis zu dieser -

Abschriften (Ablichtungen) aller Aktenstücke, die für die Beurteilung des

Tatverdachtes oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, von Amts

wegen unentgeltlich zuzustellen.''

 

2. § 179 Abs. 4 Z 5 lautet:

"5. die Mitteilung, bis zu welchem Tag der Haftbeschluß längstens wirksam sei

sowie den Hinweis, daß (sofern nicht einer der im § 181 Abs. 3, 4 oder 5

genannten Fälle eintritt) vor einer allfälligen Fortsetzung der Haft nur dann eine

Haftverhandlung stattfinden werde, wenn dies der Beschuldigte spätestens

sieben Tage vor Ende der Haftfrist beantragt."

 

3. § 179 Abs. 5 zweiter Satz lautet:

"Die Beschwerde des Beschuldigten kann auch noch mit der Beschwerde gegen

den ersten Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft verbunden werden.''

 

4. In § 179 Abs. 6 wird der Klammerausdruck "(§ 182 Abs. 4)" durch "(§ 181 Abs. 6)"

ersetzt.

 

5. In § 181 Abs. 1 entfällt der letzte Satz. An seine Stelle tritt folgender Text:

"Über die Fortsetzung der Untersuchungshaft ist vor Ablauf der Haftfrist zu

entscheiden oder der Beschuldigte zu enthaften. Der Beschluß ist schriftlich

auszufertigen und dem Staatsanwalt und dem Beschuldigten binnen 24 Stunden,

jedenfalls aber vor Ablauf der Haftfrist zuzustellen. § 179 Abs. 4 Z 1 bis 5 gilt

sinngemäß. Der für den Beschuldigten vorgesehenen Ausfertigung ist eine

Rechtsmittelbelehrung anzuschließen. Wenn der Beschuldigte spätestens sieben

Tage vor Ablauf der Haftfrist dies beantragt, so ist eine Haftverhandlung (§ 182)

anzuberaumen. Findet keine Haftverhandlung statt, muß dem Beschuldigten

oder seinem Verteidiger vor der Beschlußfassung Gelegenheit zur Stellungnah-

me gegeben werden.''

 

6. § 181 Abs. 2 Z 1 lautet:

1 . bei Verhängung der Untersuchungshaft 14 Tage ab Einlieferung des Be-

schuldigten in das Gefangenenhaus des zuständigen Gerichtshofes:"

 

7. In § 181 Abs. 3 entfallen die letzten beiden Sätze. An ihre Stelle tritt folgender Text:

"Würde die Haftfrist vor dem Beginn der Hauptverhandlung ablaufen und kann

der Beschuldigte nicht enthaftet werden, so hat der Vorsitzende (Einzelrichter)

über die Fortsetzung der Haft zu entscheiden. Über fristgerechten Antrag des

Beschuldigten ist eine Haftverhandlung durchzuführen."

 

8. In § 181 Abs. 4 wird nach den Worten ''Ist die Durchführung der'' die Wortgruppe "vom

Beschuldigten beantragten" eingefügt.

 

9. § 181 Abs. 5 lautet:

"(5) Ab dem Beginn der Hauptverhandlung ist die Wirksamkeit des zuletzt er-

gangenen Beschlusses auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft

durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt."

 

10. § 181l Abs. 6 lautet:

"(6) Gegen den Beschluß, mit dem über die Fortsetzung der Untersuchungshaft

entschieden wird, steht dem Beschuldigten und dem Staatsanwalt die binnen drei

Tagen nach Zustellung einzubringende Beschwerde an den Gerichtshof zweiter

lnstanz zu (§ 114). Erkennt der Gerichtshof zweiter Instanz auf Fortsetzung der

Untersuchungshaft, so gilt § 179 Abs. 4 Z 1 bis 5 sinngemäß.''

 

11 . § 182 Abs. 4 lautet:

"(4) Für die Beschwerde gegen den in der Haftverhandlung gefaßten Beschluß

über die Aufhebung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft gilt § 181l Abs. 6."

l2. In § 193 Abs. 3 tritt an die Stelle des letzten Satzes folgender Text:

"Im übrigen hat sie dafür Sorge zu tragen, daß dem Staatsanwalt rechtzeitig vor

Ablauf der ersten Haftfrist alle ihm noch nicht vorliegenden Erhebungsergeb-

nisse in vierfacher Ausfertigung zugehen."

 

13. § l93 Abs. 5 lautet:

"(5) Beantragt der Beschuldigte seine Enthaftung und spricht sich der Staats-

anwalt dagegen aus, so hat der Untersuchungsrichter - wenn die Hauptverhand-

lung schon begonnen hat, ohne daß in ihrem Verlauf über die Enthaftung

entschieden werden konnte, der Vorsitzende (Einzelrichter) - ohne Verzug eine

Haftverhandlung anzuberaumen. Das gleiche gilt, wenn der Untersuchungs-

richter (Vorsitzende oder Einzelrichter außerhalb der Hauptverhandlung) der

Ansicht ist, daß die Haft aufzuheben sein könnte und der Staatsanwalt der

Enthaftung entgegentritt."

 

14. Nach § 513 wird folgendes Hauptstück eingefügt:

 

"XXXI. Hauptstück. Inkrafttreten und Vollziehung

 

§ 514. Die §§ 45 a, 179 Abs. 4 Z 5, Abs. 5 und Abs. 6, 181, 182 Abs. 4 sowie

193 Abs. 3 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.Nr. XXX/1996

treten mit 1. Jänner 1997 in Kraft.

 

§ 515. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für

Justiz betraut."

Begründung:

 

Mit dem vorliegenden Gesetzesantrag soll das System der Haftfristen. das sich däämpfend auf

die Zahl der Untersuchungshäftlinge ausgewirkt hat, beibehalten. aber von formellem Ballast

befreit werden.

 

Seit dem Strafprozeßänderungsgesetz 1993 hat sich in der Praxis gezeigt. daß die obligatorische

Haftverhandlung in vielen Fällen nicht zu einer Enthaftung des Beschuldiggten führt oder sonst

für das weitere Verfahren von Bedeutung wäre. Aufgrund der seit der Festnahme meist noch

unveränderten Beweislage besteht am Anfang des Verfahrens kaum eine Chance auf Ent-

haftung.

 

Die Antragsteller schlagen aufgrund dieser Erfahrung vor, zwar das System der Haftfristen

beizubehalten, aber über die Fortsetzung der Untersuchungshaft nur dann in einer

Haftverhandlung zu entscheiden. wenn dies der Beschuldigte beantragt. Damit könnte jedenfalls

in den Fällen, in denen auch dem Beschuldigten die Begründetheit der Untersuchungs-

haftverhängung bewußt ist, auf ein zeit- und kostenaufwendiges Formalerfordemis verzichtet

werden.

 

Über Anträge des Beschuldigten auf Enthaftung wäre weiterhin ebenso in einer Haft-

verhandlung zu entscheiden, wie in Fällen, in denen das Gericht eine Enthaftung durchführen

will, der Staatsanwalt dem jedoch entgegentritt.

 

Zu Z 1 :

§ 45 a in der bisherigen Fassung sieht vor, daß Staatsanwalt und Verteidiger bis zur ersten

Haftverhandlung die für die Beurteilung der Haftfrage erforderlichen Aktenabschriften zu

überlassen sind. Im Hinblick auf den vorgeschlagenen fakultativen Charakter der ersten Haft-

verhandlung war dieser Begriff durch den Begriff der ersten Entscheidung über die Fortsetzung

der Untersuchungshaft zu ersetzen. Durch die Verwendung des Wortes "zeitgerecht'' soll zum

Ausdruck gebracht werden, daß nach Möglichkeit den Parteien eine entsprechende Vorberei-

tungsfrist eingeräumt werden soll.

 

Zu Z 2:

Bereits im Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft ist der Beschuldigte darüber zu

belehren, daß über die Fortsetzung der Haft nur dann in einer mündlichen Verhandlung ent-

schieden wird, wenn er dies beantragt. Aus organisatorischen Gründen muß dieser Antrag

spätestens sieben Tage vor Fristablauf gestellt werden, um die erforderliche Ausschreibung der

Behandlung zu ermöglichen.

 

Zu Z 3 :

§ 179 Abs. 5 ist dem fakultativen Charakter der Haftverhandlung anzupassen. Die Beschwerde

gegen die Verhängung der Untersuchungshaft kann wie bisher mit der Beschwerde gegen die

erste Entscheidung über die Fortsetzung der Untersuchungshaft verbunden werden.

Zu Z 4:

Der Klammerhinweis ist der neuen Fundstelle der Bestimmung über das Rechtsmittelverfahren

anzupassen.

 

Zu Z 5 :

Nachdem die Entscheidung über die Fortsetzung der Haft nurmehr über Antrag des Beschul-

digten in einer Haftverhandlung erfolgen soll, hat der letzte Satz des § 181 Abs. 1 zu entfallen.

An seiner Stelle ist anzuordnen, daß der Untersuchungsrichter vor Ablauf der Haftfrist über die

Fortsetzung der Haft (nach der Aktenlage) zu entscheiden hat, sofem nicht fristgerecht eine

Haftverhandlung beantragt wird. Hinsichtlich der für diesen Beschluß geltenden Formerforder-

nisse wurde die bisherige Rechtslage (§ 182 Abs. 3, 4) übemommen. Statt der Verweisung auf

die sinngemäße Anwendung von § 179 Abs. 4 Z 8 wurde eine eigene Verpflichtung zur

Rechtsmittelbelehrung aufgenommen, weil eine Verweisung auf die zitierte Z 8 mit ihrer völlig

anderen Rechtsmittelfrist zumindest beim juristisch nicht vorgebildeten Leser verwirrend ist.

Die Verpflichtung, im Falle der Nichtdurchführung einer Haftverhandlung dem Beschuldigten

Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, entspricht dem Grundsatz des beiderseitigen Gehörs.

 

Zu Z 6:

Die 14-tägige Haftfrist ist erfahrungsgemäß zu kurz, um den Sachverhalt in einem neuen Licht

erscheinen zu lassen. Es darf nicht übersehen werden, daß sich diese Frist im Hinblick auf eine

bis zu 72 Stunden dauemde Einlieferungsfrist auf 11 Tage verkürzen kann. Die 14-tägige Frist

soll daher erst mit Einlieferung beim zuständigen Gericht zu laufen beginnen.

 

Zu Z 7:

Durch die Änderung der beiden letzten Sätze des § 181 Abs. 3 soll klargestellt werden. daß auch

bei Ablauf der Haftfrist vor Beginn der Hauptverhandlung über die Fortsetzung der Haft durch

den Vorsitzenden (Einzelrichter) ohne Haftverhandlung entschieden wird, es sei denn, der

Beschuldigte beantragt eine solche fristgerecht (7 Tage vor Fristablauf). Da der bisherige letzte

Satz dieses Absatzes von einem Antrag des Beschuldigten auf Enthaftung handelt, wurde diese

Bestimmung inhaltlich in die vorgeschlagene Neuregelung im Bereich des § 193 Abs. 5

übernommen, wo sie systematisch hingehört.

 

Zu Z 8 :

§ 181 Abs. 4 ist dem fakultativen Charakter der Haftverhandlung über die Fortsetzung der

Haftfrist anzupassen.

 

Zu Z 9:

§ 181 Abs. 5 stellt lediglich eine sprachliche Änderung und inhaltliche Anpassung der

Bestimmung des bisherigen § 181 Abs. 6 dar. Die bisherige Fassung des § 181l Abs. 5 konnte

im Hinblick auf den nunmehr grundsätzlich fakultativen Charakter der Haftverhandlung zum

Zweck der Entscheidung über die Fortsetzung der Untersuchungshaft entfallen.

 

Zu Z 10:

§ 181 Abs. 6 übernimmt die bisher unter § 182 Abs. 4 enthaltenen Bestimmungen. Hintergrund

dafür ist, daß die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren zur Fortsetzung der Unter-

suchungshaft nunmehr in § 181 enthalten sein sollen und § 182 demgegenüber nur die für den

Fall der Durchführung einer Haftverhandlung geltenden Sonderbestimmungen enthält.

 

Zu Z 11 :

Im Sinne des zu Z 10 Ausgeführten genügt der Hinweis in § 182 Abs. 4 auf § 181 Abs. 6.

 

Zu Z 12:

§ 193 Abs. 3 ist der vorgeschlagenen Rechtslage, daß über die Fortsetzung der Untersuchungs-

haft nicht zwingend in einer Haftverhandlung entschieden werden muß, anzupassen. Das Wort

"rechtzeitig" trägt nach Ansicht der Antragsteller dem Umstand, daß eine angemessene

Vorbereitungsfrist beachtet werden soll, besser Rechnung, als die bisherige Formulierung.

 

Zu Z 13 :

Siehe die Aus führungen zu Z 7.

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen:

 

Es ist zu erwarten, daß der Verzicht auf die Durchführung von Haftverhandlungen zu einer

Kostensenkung nicht nur im Bereich der Gerichte, sondern auch im Bereich der

Vollzugsanstalten führt. Durch die Beibehaltung der regelmäßigen obligatorischen Überprüfung

der Notwendigkeit der weiteren Anhaltung in Untersuchungshaft ist mit einem Ansteigen der

Zahl der Untersuchungshäftlinge nicht zu rechnen.

 

 

ln formeller Hinsicht wird unter Verzicht auf die erste Lesung die Zuweisung an den

Justizausschuß beantragt.