1106/AB

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Anschober, Freundinnen und Freunde haben am 12. Juli 1996 unter der Nr. 1168/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "Schengener Abkommen " gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

 

l.     Wann wird das Schengener Übereinkommen und das Schengener Durchführungsüber­einkommmen dem Nationalrat zur Beschlußfassung vorgelegt werden?

2.    Warum ist dies bis heute noch nicht geschehen, obwohl bereits Gesetze aufgrund dieser Verträge grundlegend geändert wurden (Grenzkontrollgesetz)?

3.    Wann ist mit dem Inkrafttreten des Schengener Übereinkommens für Österreich zu rechnen und von welchen konkreten Fakten hängt dies ab?

4.    Welche Kosten werden im Zuge der Umsetzung der Schengener Übereinkommen für die Republik Österreich in den Jahren 1996, 1997, 1998, 1999, 2000 (aufgeschlüsselt nach den Jahren) entstehen?

5.    Welche Kosten sind in den Jahren 1993, 1994 und 1995 bereits entstanden?

6.    Werden Sie dafür sorgen, daß die Umsetzung der Schengener Übereinkommen der parlamentarischen Kontrolle unterworfen wird, zumal der Europäische Gerichtshof dafür nicht zuständig ist? Wenn nein, warum nicht?

7.    Werden Sie im Sinne einer parlamentarischen Kontrolle den Mitgliedern des Innenausschusses über die jeweilige Tagung des Exekutivausschusses (Art 13 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens) im vorhinein durch Vorlage der Tagesordnung bzw. allfälliger Beschlußvorlagen informieren? Wenn nein, warum nicht?

8.    Werden Sie dafür sorgen, daß die Beschlüsse des Exekutivausschusses dem Nationalrat, zumindest aber den Mitgliedern des Innenausschusses, regelmäßig übermittelt werden?

9.    Werden Sie dafür sorgen, daß der Jahresbericht, der in die zentrale Gruppe gemäß dem Beschluß des Exekutivausschusses vom 22.  Dezember 1994 über die Anwendung des  Durchführungsübereinkommens im Zeitraum vom 26.  März 1995 bis 25.  März 1996 dem  Nationalrat, zumindest aber den Mitgliedern des Innenausschusses übermittelt wird?

10.  Werden Sie dafür sorgen, daß in Hinkunft derartige Jahresberichte den Mitgliedern des Innenausschusses automatisch übermittelt werden?

11.  Auf Wunsch der nordischen Länder (Schweden, Finnland, Dänemark) soll für die Nicht­EU-Länder Nordeuropas wie Island und Norwegen ein Sonderstatus geschaffen werden.  Werden Sie sich dafür einsetzen, daß ein derartiger Sonderstatus (angesichts der engen wirtschaftlichen Verbindungen) auch Österreichs Nachbarländern wie Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien eingeräumt wird?

       Wenn nein, warum nicht?

12.  Haben Sie diesbezüglich mit unseren Nachbarländern Kontakt aufgenommen?  Wenn nein, warum nicht?

13.  Gibt es von Ihrer Seite Untersuchungen, welche Auswirkungen die strengen Außengrenzkontrollen an der Grenze zu den Nichtmitgliedsländern des Schengener Vertrags­werkes wie Slowenien, Ungarn, Tschechien und Slowakei auf die inzwischen florierende grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit und den wirtschaftlichen Grenzverkehr haben?

14.  Ist Ihnen bekannt, welche Auswirkungen die Umsetzung der Schengener Übereinkommen für den Fremdenverkehr, insbesondere zu den Nachbarländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien haben?

15.  Welche konkreten Initiativen wurden von den Vertreter/innen/n Ihres Ministeriums in den einzelnen Ausschüssen der dritten Säule der Europäischen Union gesetzt, um das Ziel des Maastrichter Vertrages unter Berücksichtigung der Menschenrechte umzusetzen?

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

 

Es ist beabsichtigt, dem Nationalrat das Schengener Vertragswerk zum Zweck der Ratifizierung im Herbst dieses Jahres zuzuleiten.

 

Zu Frage 2:

 

Die Ratifizierung des Schengener Vertragswerks setzt einige Änderungen des innerstaatlichen Rechts voraus.  Eine dieser Änderungen ist bereits durch die Neufassung des Grenzkontrollgesetzes erfolgt.  Weitere Änderungen betreffen die Sichtvermerksregelungen des Fremdengesetzes, das Konsulargebührengesetz sowie Fragen der internationalen polizeilichen Kooperation.  Es schien sinnvoll, die Vorbereitung dieser Rechtsänderungen zunächst in Angriff zu nehmen und erst nach Abschluß dieser Vorbereitungen das Gesamtpaket der Gesetzesänderungen gemeinsam mit dem Vertragswerk dem Nationalrat zuzuleiten.

 

Zu Frage 3:

 

Die bisher durchgeführten Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung des Schengener Vertragswerks betreffen neben den bereits dargestellten Rechtsänderungen insbesondere den Aufbau des Grenzdienstes, die technische Ausstattung der Grenzkontrollstellen, die Umstellung der Organisation auf den großen Flughäfen und die technische Implementierung der vom Schengener Vertragswerk vorgesehenen Datenverarbeitungssysteme.  Angesichts des

bisherigen Vorbereitungsstandes ist damit zu rechnen, daß Österreich die Voraussetzungen zum 1. Juli 1997 erfüllt.  Da das Inkraftsetzen des Schengener Vertragswerks für Österreich aber sowohl die Ratifikation des österreichischen Beitrittsübereinkommens durch die anderen Vertragsparteien als auch eine Beschlußfassung in den Schengener Gremien voraussetzt, kann keine abschließende Antwort zu dieser Frage gegeben werden.  Von österreichischer Seite wird aber darauf hingearbeitet, ein Inkraftsetzen zum 1. Juli 1997 oder aber zum nächstfolgenden Zeitpunkt der Umstellung der Flugpläne vorzusehen.

 

Zu Frage 4:

 

Im Zuge der Umsetzung des Schengener Vertragswerkes werden in den Jahren 1996 bis 2000 jährlich wiederkehrende Kosten im Betrag von 11.5 Mio ATS anfallen, die sich aus dem österreichischen Budgetbeitrag zum Haushalt des Schengener Generalsekretariates sowie dem jährlich anfallenden Anteil an den Betriebskosten für die technische Unterstützungseinheit des Schengener Informationssystems CSIS zusammensetzen, sowie - darüber hinaus nachstehende Kosten entstehen:

 

1996:             85.6 Millionen ATS (EDV-Ausstattungskosten)

1997:             156.35 Millionen ATS ( 650.000 ATS hievon für Schulungsmaßnahmen im Bereich der Sicherheitsexekutive, 155.7 Mio sind EDV-Ausstattungskosten)

1998:               124 Millionen ATS (EDV-Ausstattungskosten)

1999:               123 Millionen ATS (EDV-Ausstattungskosten)

2000:         101 Millionen ATS (EDV-Ausstattungskosten)

 

Zu Frage 5:

In den Jahren 1993 bis 1995 sind beim Titel 1/110 "BMI- Zentralleitung" in diesem Zusammenhang folgende Sachausgaben angefallen:

1993 -

1994-         1,843.322,67 ATS

1995:             32,323.074,20 ATS (24.1 Mio hievon sind EDV-Ausstattungskosten, die restliche Summe setzt sich aus dem österreichischen Budgetbeitrag zum Haushalt des Schengener Generalsekretariates sowie dem jährlich anfallenden Anteil an den Betriebskosten für die technische Unterstützungseinheit des Schengener Informationssystems C.SIS, sowie der einmaligen Zahlung von 2.780.000 zu den bisher angefallenen Kosten zur Errichtung des C.SIS zusammen.)

Sowohl zu Frage 4 als auch zu Frage 5 ist festzuhalten , daß in diesen Beträgen keine Personalkosten inkludiert sind.  Die Kosten des bereits 1993 begonnenen Aufbaus des Grenzdienstes blieben unberücksichtigt.

 

Zu Frage 6:

 

Aus der gemeinsamen Erklärung zu Artikel 132 der Schlußakte des Schengener Durchführungsübereinkommens ergibt sich die Verpflichtung der Vertragsparteien, ihre nationalen Parlamente über die Anwendung des Schengener Durchführungsübereinkommens zu unterrichten.  Ich nehme daher in Aussicht, ab dem Zeitpunkt des Inkraftsetzungsbeschlusses diese Unterrichtung gegenüber dem Parlament durchzufahren.  In welcher Form eine Einbindung des Nationalrates in weiterer Folge vorgesehen wird, liegt allerdings ins Entscheidungsbereich des Nationalrates, dessen Meinungsbildung ich nicht vorgreifen will.

 

Zu Frage 7:

 

Die Tagesordnung und die Beschlußvorlagen des Exekutivausschusses nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen werden üblicherweise 30 Tage vor der Sitzung übermittelt.  Es stellt sich die Frage, in welcher Form die vorherige Information des Parlaments erwünscht ist.  Aus Anlaß der Ratifikation des Schengener Vertragswerks rege ich daher an, einen Beschluß darüber zu fassen, wie die gemeinsame Erklärung zu Artikel 132 der Schlußakte des Schengener Durchführungsübereinkommens gegenüber dem Parlament umgesetzt wird.

 

Zu Frage 8:

 

Auf die Beantwortung der Frage 6 wird verwiesen.

 

Zu den Frauen 9 und 10:

 

Ich halte eine Zuleitung des Jahresberichts an den Nationalrat für sinnvoll.  Inwieweit diese Übermittlung möglich ist, hängt davon ab, wie im Rahmen des Schengener Exekutivausschusses die Frage der Geheimhaltung von Schengen-Dokumenten beurteilt wird.  Da hier eine einstimmige Beschlußfassung erforderlich ist, kann ich dieser Entscheidungsfindung nicht vorgreifen.  Ich werde mich allerdings dafür einsetzen, daß die Befassung der nationalen Parlamente mit den Jahresberichten generell ermöglicht wird.

 

Zu Frage 11:

 

Derzeit steht die Möglichkeit eines Assoziationsabkommens mit Island und Norwegen in den Schengener Grenzen in Prüfung.  Diese haben deutlich die Auffassung vertreten, daß zunächst diese schwierige Frage gelöst werden muß, bevor die Frage von Kooperationsbeziehungen mit anderen Staaten geprüft wird.  Ich halte es daher nicht für sinnvoll, zum jetzigen Zeitpunkt eine Diskussion über einen möglichen Sonderstatus der österreichischen Nachbarstaaten gegenüber den Schengener Staaten zu diskutieren, da damit zu rechnen ist, daß für die Aufnahme einer solchen Arbeit die in den Schengener Gremien erforderliche Einstimmigkeit nicht erzielt werden könnte.  Nach Abschluß der Vertragsverhandlungen mit Norwegen und Island wird aber die in der Anfrage angesprochene Problematik in den Schengener Gremien zu behandeln sein.

 

Zu Frage 12:

 

Ich habe mit einer Reihe von Nachbarstaaten im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Schengen-Implementierung auf die jeweils bilaterale Situation Gespräche aufgenommen.  Diese haben zunächst mit Ungarn und mit Slowenien dazu geführt, daß konkrete Vereinbarungen über die Modalitäten der Grenzkontrolle erzielt werden konnten.  Diese Vereinbarungen halten sich im Rahmen der Schengener Regelungen, entsprechen aber zur Ganze auch den Wünschen und Vorstellungen der Nachbarstaaten.  Sollten vergleichbare Anregungen auch seitens der Tschechischen Republik und der Slowakei an Österreich herangetragen werden, werde ich versuchen, ähnliche Vereinbarungen auch mit diesen Nachbarstaaten zu treffen.

 

Zu Frage 13:

 

Die Frage der Auswirkungen des Schengener Außengrenzkontrollregimes auf den wirtschaftlichen Grenzverkehr war immer wieder Gegenstand von Diskussionen im Rahmen von Informationsveranstaltungen über das Schengener Durchführungsübereinkommen.  Auch unter Bedachtnahme auf diese Sorgen der Grenzlandbevölkerung habe ich mich dafür eingesetzt, daß die zu Frage 12 angesprochenen bilateralen Vereinbarungen über die Modalitäten der Grenzkontrolle so rasch wie möglich getroffen werden, um damit eine zügige Grenzabfertigung sicherzustellen.

 

Zu Frage 14:

 

Hiezu verweise ich auf die Beantwortung der Frage 13.

 

Zu Frage 15:

 

Österreich setzt im Rahmen der Beratungen der Arbeitsgruppen der Dritten Säule laufend Initiativen, um die Ziele des Maastrichter Vertrages im Bereich der inneren Sicherheit und der Migrationspolitik zu erfüllen.  Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die österreichische Initiative zur Bewältigung der Folgen von Massenfluchtbewegungen.  Hier ist -es gelungen, einen Rechtsakt der Union zu erarbeiten, dessen Grundgedanke eine solidarische Lastenverteilung und die Einführung eines "Frühwarnsystems" im Fall von Massenfluchtbewegungen ist.  Eine weitere konkrete Initiative bezieht sich auf die Möglichkeiten, die Mitteleuropäische Polizeiakademie für Kooperationen zwischen EU­Staaten und den Assoziationsstaaten im Bereich der Polizeiausbildung stärker als bisher im gemeinsamen Interesse zu nutzen.  Schließlich ist Österreich in besonderer Weise bei der Veranstaltung gemeinsamer Seminare und gemeinsamer Schulungen im Rahmen der Dritten Säule aktiv geworden und es ist gelungen, mehrere seminaristische Veranstaltungen insbesondere unter Einbeziehung von Vertretern der Assoziationsstaaten in die Finanzierungsprogramme der Europäischen Union aufnehmen zu lassen.  Die letzte dieser Veranstaltungen war ein Asylrechtsseminar, das unter reger Beteiligung von Experten der Assoziationsstaaten in Wien durchgeführt werden konnte und an dem sich auch der UNHCR, die Internationale Organisation für Migration und die Europäische Kommission sehr aktiv beteiligt haben.