1161/AB

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Öllinger, Freundinnen und Freunde haben am 12.  Juli 1996 unter der Nr. 1182/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Umsetzung von EU­Richtlinien gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

 

1.       Bei welchen EU-Richtlinien besteht seitens Österreichs noch Anpassungsbedarf.?

          a) Warum wurde bisher noch nicht angepaßt?

 

2.       Wann wird diesem Anpassungsbedarf Rechnung getragen werden?

 

3.    Gibt es Statistiken, die den Stand der Umsetzung von Richtlinien im Vergleich zu anderen EU­Ländern angeben?  Wenn ja, nennen Sie diese und geben Sie an, an wievielter Stelle Österreich im Vergleich liegt."

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Einleitende halte ich folgendes fest:

Bezugnehmend auf Ihre Feststellung, "daß von Arbeitgeberseite untersetzte Richtlinien rascher umgesetzt werden als Richtlinien zugunsten der Arbeitnehmerlnnen", verweise ich auf die Be­antwortung der an mich gerichteten parlamentarischen Anfrage Nr. 1169/J.

In Ihrer Anfrage wird auch darauf hingewiesen, daß Österreich bei der Mutterschutzrichtlinie "bei den im Rahmen des Konsolidierungspakts vorgenommenen Verschlechterungen nicht gleichzeitig die von der EU vorgegebene Möglichkeit ergriffen hat, die Inanspruchnahme der (in der EU geringeren) Karenzzeit bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes zu ermöglichen".  Dazu halte ich die RL 92/85/EWG über die Durch g von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (10. Einzelrichtlinie i. S.d. Art. 16 Abs. 1 der RL 89/391/EWG) wurde mit der Novelle zum Mutterschutzgesetz 1979, BGBI.NR. 434/1995, vollständig in das innerstaatliche Recht umgesetzt.

In Art. 8 der Mutterschutzrichtlinie ist vorgesehen, daß Arbeitnehmerinnen ein Mutterschafts­urlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt werden muß.  Dieser Bestimmung wird durch § 3 Abs. 1 bis 4 und § 5 Abs. 1 und 2 Mutterschutzgesetz entsprochen.

Die Mutterschutzrichtlinie sieht jedoch keinen obligatorischen Anspruch auf Karenzzeit bis zum 6. Lebensjahr des Kindes vor. Es scheint in diesem Punkt eine Verwechslung mit der RL 96/34 EG vom 3. Juni 1996 zu der von UNICEF, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vorzuliegen.  Diese Richtlinie wurde am 3. Juni 1996 beschlossen und verpflichtet die Mitgliedstaaten, bis zum 3. Juni 1998 die erforderlichen Vorschriften zu erlassen, um das von den Sozialpartnern abgeschlossene Rahmenabkommen innerstaatlich in Kraft zu setzen. Gemäß § 2 der Rahmenvereinbarung haben erwerbstätige Frauen und Männer ein individuelles Recht auf Elternurlaub im Falle der Geburt oder Adoption eines Kindes, damit sie sich bis zu einem bestimmten Alter des Kindes - das Alter kann bis zu 8 Jahren gehen - für die Dauer von mindestens 3 Monaten um dieses Kind kümmern können.  Den Mitgliedstaaten kommt bei der Gestaltung der Anspruchsvoraussetzungen und Anwendungsbedingungen ein Ermessensspielraum zu.

 

Die zitierte Bestimmung wird durch den in Österreich bestehenden Anspruch der Mütter und Väter auf einen zweijährigen Karenzurlaub erfüllt.  Der Rechtsanspruch des Vaters auf Karenzurlaub wird jedoch nach geltender Rechtslage vom Anspruch der Mutter abgeleitet.  Da die Richtlinie einen originären Anspruch auch des Vaters vorsieht, ist in diesem Punkt Anpassungsbedarf gegeben.

 

Zu den Fragen 1 und 3.:

 

Seitens der Europäischen Kommission werden regelmäßig zwei Berichte erstellt, die den jeweiligen Stand der Umsetzungen von Richtlinien in den EU-Mitgliedstaaten angeben.  Von der GD XV der Europäischen Kommission, zuständig für Binnenmarkt und Finanzdienste, wird jährlich ein Bericht erstellt, der u.a. eine Statistik über den Stand der Umsetzung der Weißbuchmaßnahmen enthält.

 

Nach der letzten vorliegenden Version vom 20.  Februar 1996 "Der Binnenmarkt 1995 - Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament" (KOM(96) 5 1 endg.) liegt Österreich per 31. Dezember 1995 bei der Umsetzung des Weißbuchs mit einer Umsetzungsquote von 87,4 % an letzter Stelle.

 

Laut dem vom Generalsekretariat der Europäischen Kommission im Juli d. J. veröffentlichten "Dreizehnten Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechtes 1995" (Komm(96) 600 endg. vom 29.  Mai 1996) liegt Österreich bei der Umsetzung des gesamten Acquis mit einer Quote von 84,2 % an vorletzter Stelle vor Finnland.

 

Beide Berichte sind dem österreichischen Nationalrat von der Ständigen Vertretung Brüssel am 8. März 1996 unter der Geschäftszahl 3377/EUXX.GP-NR bzw. am 24.  Juli 1996 unter der Geschäftszahl 10.880/EUXX-NR übermittelt worden.

 

Die bisher relativ niedrige österreichische Umsetzungsquote ist darauf zurückzuführen, daß das strenge Legalitätsprinzip des Österreichischen Verfassungsrechts (Art. 18 BVG) die Umsetzung der EG-Richtlinien auf Bundes- und auch auf Länderebene fast durchgehend auf dem Gesetzeswege erforderlich macht.  Außerdem bestehen strenge legistische Richtlinien des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts, die, um eine möglichst hohe Rechtssicherheit und "Benutzerfreundlichkeit" sicherzustellen, sehr hohe Qualitätsanforderungen für legistische Werke und damit auch bei der Umsetzung von EU-Richtlinien vorschreiben.

 

 

Zu Frage 2:

 

Für das Jahr 1996 ist von den jeweils zuständigen Ressorts die Umsetzung des Großteils der noch nicht in innerstaatliches Recht umgesetzten Richtlinien geplant.  Diese Verzögerung ist teils auf die vorzeitige Auflösung des Parlaments, teils auf das bereits in der Beantwortung von Frage la erwähnte strenge Legalitätsprinzip zurückzuführen.

 

Die Verwirklichung dieser in Aussicht genommenen Umsetzungsmaßnahmen würde dazu fahren, daß Österreich bei der Umsetzung des Gesamtacquis laut Europäischer Kommission mit Jahresende 1996 auf einen Umsetzungsstand von ca 95 % käme.