1162/AB

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Haigermoser und Kollegen haben am 1 1. Juli 1996 unter der Nr. 1077/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend die Rückführung österreichischer Kulturgüter aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

 

1.    Wie hoch ist der bereits zugesagte bzw. durchgeführte Schuldenerlaß für die russische Republik exakt?

 

2.    Sind noch weitere solche Verzichte auf Forderungen zugunsten von Rußland bzw. anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion geplant?

 

3.    a) Haben Sie im Sinne der Wahrnehmung des österreichischen Rechts auf Rückgabe der nach dem Zweiten Weltkrieg in die damalige Sowjetunion "verbrachten" Kulturgüter diese Frage mit der Zusage von Forderungsverzichten entsprechend j junktimiert?

b)    Wenn ja, wie sieht diese Vereinbarung im Detail aus?

c)    Wenn nein, warum nicht?

 

4a)  Werden Sie in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten alle möglichen Schritte unternehmen, um zu verhindern, daß durch den oben angeführten russischen Parlamentsbeschluß Österreich seine derzeit in Rußland befindlichen Kunst­schätze wohl endgültig verliert?

b)    Wenn ja, wie werden Sie vorgehen?

c)    Wenn nein, warum nicht?

 

5.    Werden Sie, sollte Rußland die österreichischen Interessen nicht anerkennen, für einen Stop der Schuldenerlässe eintreten?

a)    Wenn nein, warum nicht?"

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 und 2:

Seit dem Jahr 1992 wurden mit der ehemaligen UdSSR - vertreten durch Rußland - im Rahmen des Pariser Clubs vier Fälligkeitsumschuldungsverträge abgeschlossen.  Dazu ist anzumerken, daß Rußland den vorgesehenen Zahlungsverpflichtungen bisher nachgekommen ist.  Im Herbst dieses Jahres wird aufbauend auf die multilaterale Umschuldung im Rahmen des Pariser Clubs vom April d.J. bilateral eine fünfte umfassende Umschuldung (comprehensive rescheduling) verhandelt, in der alle vier bisherigen Umschuldungsvereinbarungen mit einem Betrag von rund 21,6 Milliarden Schilling aufgehen werden.  Somit wird in der fünften Umschuldung ein Gesamtbetrag von rund 29 Milliarden Schilling umgeschuldet.  Der Umschuldungsvertrag mit der ehemaligen UdSSR - vertreten durch Rußland - sieht einen Rückzahlungszeitraum bis zum Jahr 2020 vor.  In den ersten sechs Jahren fallen nur Zinsenzahlungen an, die Kapitalzahlungen beginnen im Jahr 2002.  Die gegenständliche Regelung beinhaltet auch die Rückzahlung sämtlicher offener Forderungen.  Es ist und wird daher kein Schuldenerlaß an die Staaten der ehemaligen UdSSR im Rahmen des Pariser Clubs vereinbart, sodaß auch von Österreich kein Schuldenerlaß gewährt wird.  Ich halte in diesem Zusammenhang fest, daß Rußland entsprechend den bisher abgeschlossenenen Fälligkeitsumschuldungen seit 1992 Zinsen in Höhe von rund 2,3 Milliarden Schilling bezahlt hat.  Zur Zeit sind keine weiteren Umschuldungsaktivitäten geplant.

Zu Frage 3:

 

Die Regelungen und Modalitäten der Rückstellung von Kulturgütern, welche nach dem Zweiten Weltkrieg in die ehemalige UdSSR verbracht worden waren, werden derzeit auf nationaler und internationaler Ebene geprüft.  Eine Junktimierung rechtlicher und rein wirtschaftlicher Gesichtspunkte in den bilateralen Beziehungen wäre jedoch in diesem Zusammenhang nicht zielführend, da sie unter Umständen zu einer Verhärtung der allfälligen russischen Konzessionsbereitschaft fuhren könnte.  Es erscheint darüber hinaus nicht empfehlenswert, die für die österreichischen Interessen wichtigen kulturellen Beziehungen zu Rußland, zu denen auch die gegenständlichen Rückstellungsforderungen zählen, mit wirtschaftlichen Junktimierungen zu belasten.

 

 

Zu Frage 4:

 

Wie mir der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten mitteilt, hat das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten die österreichische Botschaft in Moskau beauftragt, geeignet erscheinende Erhebungen nach dem derzeitigen Standort vermutlich nach Kriegsende in die ehemaligen Sowjetunion verbrachter Tapisserien des Kunsthistorischen Museums einzuleiten und für den Fall

einer Auffindung um Rückstellung zu ersuchen.  Gleichzeitig wurde die Botschaft beauftragt, die Rückgabe der Papyrusfragmente der österreichischen Nationalbibliothek, deren Aufbewahrungsort in Rußland bekannt ist, zu betreiben.

Weiters wurde die österreichische Botschaft in Bonn beauftragt, die zuständigen deutschen Behörden um Nachforschungen über den Verbleib jener Objekte zu ersuchen, die nach dem Anschluß im Jahre 1938 aus den Beständen österreichischer Museen und Sammlungen, insbesondere des Kunsthistorischen Museums, mittels Entlehnschein für künstlerische Ausgestaltung offizieller deutscher Dienststellen aus Österreich verbracht wurden und im Verlauf des Kriegs der vorrückenden Roten Armee in die Hände fielen.  Wie mir mitgeteilt wird, ist die Botschaft diesem Auftrag bereits nachgekommen und hat für den Fall einer Auffindung der Objekte gleichfalls um Rückstellung ersucht.

 

Das Kulturministerium der Russischen Föderation hat in einem Schreiben an die österreichische Botschaft in Moskau vom 28.  Februar 1996 mitgeteilt, daß sich unter den bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt identifizierten Kunstwerken ausländischer Herkunft keine Tapisserien aus den Beständen des Kunsthistorischen Museums befinden.  Allfällige Verhandlungen über eine Rückgabe von Kulturgütern an Österreich machte das Kulturministerium von einer in Rußland in Aussicht genommenen grundsätzlichen gesetzlichen Regelung abhängig.

 

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten wird im Einvernehmen mit den zuständigen österreichischen Stellen und unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung auf internationaler Ebene die Bemühungen um Rückstellung der gegenständlichen österreichischen Kulturgüter, insbesondere der Tapisserien des Kunsthistorischen Museums und der Pahlevi-Papyri über die Botschaften in Moskau und Bonn fortsetzen.  Die fortlaufende internationale Diskussion auf Regie­rungsebene und in den Medien, aber auch die Ablehnung des von der russischen Duma im Juli dieses Jahres angenommenen Bundesgesetzes über die im Zuge des Zweiten Weltkriegs in die UdSSR verbrachten und im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation befindlichen Kulturgüter durch den Förderationsrat am 17.  Juli 1996 geben längerfristig zu vorsichtigem Optimismus Anlaß.

 

 

Zu Frage 5:

 

Da Österreich den Staaten der ehemaligen UdSSR keinen Schuldenerlaß gewährt, kann ich allein schon deshalb nicht für einen Stopp eines solchen eintreten.