1284/AB

 

 

 

zur Zahl 1297/J-NR/1996

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Rudolf Anschober, Freundinnen und Freunde,

haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Justizaffäre Löffler-Foco, gerich-

tet und folgende Fragen gestelIt:

 

''1. Gab es in Sachen der Verfahrensleitung durch Richter Koller (1. Verfahren) ei-

ne Untersuchung? Wenn ja, wann, durch wen und mit welchem konkreten Er-

gebnis? Wie lautete im vollen Wortlaut der konkrete Untersuchungsbericht?

 

2. Wie beurteilt der Justizminister die entsprechende Kritik des Linzer Gerichts-

sprechers an der Prozeßführung von Richter Johann Koller (siehe SN in der

Beilage)?

 

3. Wurde das neuaufgerollte Verfahren zur Person Peter Löffler vom Justizmini-

sterium beobachtet? Wenn ja, welche konkreten Erkenntnisse wurden daraus

gezogen? Wie Iautet der Bericht an den Justizminister im Wortlaut?

 

4. Wie bewertet der Justizminister die Entscheidung, für Peter Löffler keine Haft-

entschädigung auszuzahlen? lst dem Justizminister bekannt, auf Grund weI-

cher konkreter Rechtslage diese Entscheidung getroffen wurde?

 

5. lst dem Justizminister die Aussage der Obfrau der Geschworenen in der oö.

Rundschau bekannt, wonach es über die Frage einer Haftentschädigung kei-

nerlei Abstimmung gegeben habe (siehe dazu Artikel der Rundschau in der

Beilage)?

 

6. Wird der Justizminister auf Grund der unterschiedlichen und widersprüchlichen

Aussagen eine Untersuchung anordnen?

 

7. Existiert ein Gerichtsprotokoll über die Abstimmung bezüglich der Frage der

Haftentschädigung? Wenn ja, wie lautet der Wortlaut dieses Protokolls?

 

8. Welche konkreten Fälle von beantragten Haftentschädigungen gab es in

Österreich jeweils in den Jahren 1 990 bis 1996? Wie wurde im jeweiligen Ein-

zelfall entschieden? Welche konkreten Summen wurden in welchen konkreten

Fällen ausbezahlt?

 

9. Kam es in diesen oder in Fällen aus der Zeit zwischen 1980 und 1990 zu

höchstgerichtlichen Urteilen bzw. zu Urteilen des Europäischen Gerichtshofes?

Wenn ja, in welchen konkreten FälIen und mit welchen UrteiIssprüchen mit

welchem konkreten Wortlaut?''

 

 

lch beantworte diese Fragen wie folgt:

 

Zu 1 :

Auf Grund der im gegenständlichen Verfahren von Tibor Foco am 8.1.1991 erhobe-

nen Aufsichtsbeschwerde gemäß § 15 StPO hat das Oberlandesgericht Linz mit Be-

schluß vom 14.5.1991 , 8 Bs 12/91 , entschieden, daß durch die Vernehmung eines

Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung durch die Polizei unter teilweiser Anwe-

senheit des Vorsitzenden des Geschworenengerichtes gegen die Prozeßgrundsätze

der ÖffentIichkeit, insbesondere der Parteienöffentlichkeit, der Unmittelbarkeit und

der Mündlichkeit, sowie gegen den lnstruktionsgrundsatz (§ 3 StPO) verstoßen und

der Verurteilte in seinem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) verletzt wor-

den sei, jedoch im übrigen kein Anlaß zu aufsichtsbehördlichen Maßnahmen beste-

he. Weder der mit der Angelegenheit befaßte Präsident des Oberlandesgerichtes

Linz noch der die Sache in disziplinarrechtlicher Hinsicht prüfende Disziplinaranwalt

haben einen Grund zur Ergreifung von Maßnahmen gefunden. lch verweise in die-

sem Zusammenhang auch auf meine Antwort vom 20. Februar 1992 auf die schriftli-

che Anfrage der Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Schmidt, Dr. Gugerbauer und

Kollegen, betreffend Konsequenzen aus dem Beschluß 8 Bs 12/91 des Oberlandes-

gerichtes Linz, Zl. 2218/J-NR/1 991 .

 

Zu 2:

Nach der vom Mediensprecher des Landesgerichtes Linz zur vorliegenden Anfrage

eingeholten Stellungnahme ist er in dem Zeitungsbericht nicht ganz richtig zitiert

worden. So habe er sicher nicht behauptet, daß in dem gegenständlichen Strafver-

fahren eine ganze Reihe von Fehlern passiert sei. Zutreffend dürfte die Darstellung

seiner Äußerung zur Vernehmung eines Zeugen au ßerhalb der Hauptverhandlung

gewesen sein. lm übrigen sei seine StelIungnahme zur Prozeßführung des Rich-

ters sicher zurückhaItender gewesen als in dem Zeitungsbericht dargestellt. Zu den

Äu ßerungen des vorsitzenden Richters gegenüber dem ORF habe er auf die Ein-

richtung des Medienreferenten hingewiesen und gemeint, daß es nicht zweckmäßig

sei, daß sich Richter über Verfahren, die sie selber führen oder geführt haben, äu-

ßern. Anlaß für Konsequenzen bietet diese Erklärung, insbesondere auch im Hin-

blick auf das zur Frage 1 Ausgeführte, nicht.

 

Zu 3:

Nach Durchführung der Hauptverhandlung im wiederaufgenommenen Verfahren ge-

gen Peter Löffler hat die Staatsanwaltschaft Linz über den Freispruch durch das Ge-

schworenengericht beim Landesgericht Linz berichtet. Dieser von der Oberstaatsan-

waltschaft Linz dem Bundesministerium für Justiz vorgelegte Bericht vom 2. Sep-

tember 1996 hat folgenden Wortlaut:

 

"Es wird berichtet, daß Peter LöffIer mit UrteiI des Landesge-

richtes Linz vom 29.8.1996 gemäß § 336 stPO (5 Nein-

3 Ja-Stimmen) freigesprochen wurde.

Das Urteil wird rechtskräftig werden."

 

Das Bundesministerium für Justiz überwacht den Fortgang strafgerichtlicher Verfah-

ren im Rahmen der Berichterstattung durch die staatsanwaltschaftlichen Behörden.

Eine unmittelbare Prozeßbeobachtung durch das Bundesministerium für Justiz fin-

det nicht statt.

 

Was in diesem Zusammenhang das Verfahren über den von Tibor Foco gestellten

Wiederaufnahmeantrag anlangt, so weise ich darauf hin, daß das Oberlandesgericht

Linz mit Entscheidung vom 10. September 1996 den abweisenden Beschluß des

Landesgerichts Linz vom 13. März 1996 im wesentlichen mit der Begründung aufge-

hoben hat, daß die Ergebnisse des im August 1996 abgehandelten Strafverfah-

rens gegen Peter Löffler im Wiederaufnahmeverfahren im Kontext mit anderen Be-

weisergebnissen zu bewerten und in die Überlegungen zur Entscheidung über den

Wiederaufnahmsantrag miteinzubeziehen seien. Auch diese Prüfung hat jedoch in

der Folge zu einer Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme durch das Landes-

gericht Linz geführt. Diese Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig; über die

dagegen erhobene Beschwerde wird - nach Einholung einer SteIlungnahme der

Oberstaatsanwaltschaft - das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden haben.

 

Zu 4:

Das Geschworenengericht beim Landesgericht Linz hat seine beschlußmäßige

Feststellung, daß Peter Löffler für die durch seine Anhaltung entstandenen vermö-

gensrechtlichen Nachteile kein Ersatzanspruch zusteht, damit begründet, daß der

wider ihn bestehende Tatverdacht im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b StEG nicht entkräf-

tet worden sei. Die Oberstaatsanwaltschaft Linz hat daraufhin über ihr Vorhaben be-

richtet, die Staatsanwaltschaft Linz anzuweisen, gemäß § 3 StPO zugunsten des

Peter Löffler insoweit Beschwerde zu erheben, als auch ein Ersatzanspruch für die

erlittene Strafhaft abgelehnt worden sei, zumal ein solcher gemäß § 2 Abs. 1 lit. c

StEG die Entkräftung des Tatverdachtes nicht voraussetze. Dieses Vorhaben wurde

vom Bundesministerium für Justiz mit Erlaß vom 17. September 1996 zur Kenntnis

genommen.

 

lnzwischen hat das Oberlandesgericht Linz mit Entscheidung vom 6. November

1996 den Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des Peter Löffler Folge gege-

ben und in Abänderung des Beschlusses des Landesgerichtes Linz vom 29. August

1996 die Feststellung getroffen, daß Peter Löffler für die durch die Anhaltung in Ver-

wahrungs-, Untersuchungs- und Strafhaft vom 11. April 1986 bis 23. Juni 1992 ent-

standenen vermögensrechtlichen Nachteile ein Ersatzanspruch gemäß § 2 Abs. 1

lit. b und c StEG zusteht.

 

Zu 5 und 6:

Die in der Oberösterreichischen Rundschau wiedergegebene Aussage der Obfrau

der Geschworenen ist mir durch die vorliegende schriftliche Anfrage und durch die

inzwischen erfolgte Berichterstattung der Staatsanwaltschaft Linz bekannt gewor-

den. Auf Grund einer in diesem Zusammenhang vom Vorsitzenden des Geschwore-

nengerichtes wegen §§ 111, 117, 297 Abs 1 und 301 StGB erstatteten Strafanzeige

gegen die Obfrau der Geschworenen hat die Staatsanwaltschaft Linz die Durchfüh-

rung von Erhebungen veranlaßt.

 

Zu 7:

Ein derartiges Beratungsprotokoll befindet sich verschlossen im Strafakt. Schon mit

Rücksicht auf die Strafbestimmung des § 301 Abs. 2 StGB ist die Bekanntgabe des

Wortlautes dieses Beratungsprotokolles nicht möglich.

 

Zu 8:

Aus der von der zuständigen Fachabteilung des Bundesministeriums für Justiz ge-

führten Statistik ergibt sich für die Jahre 1990 bis 1995 folgendes Bild:

 

Anträge auf Entschädigung nach dem StEG

 

Jahr Gesamt Art der Erledigung

ganz oder zum jeweil. abgelehnt ausbezahlte

teilweise Jahresende Beträge

anerkannt noch offen

1990 10 7 3 185.204,28

1991 8 6 2 684.597,51

1992 8 7 1 2,198.747,50

1993 19 11 8 386.083,35

1994 26 14 6 6 1,471.006,24

1995 30 20 5 5 2,888.765,23

1996 wurde noch nicht erfaßt

lnsgesamt 101 65 25 7,814.404,11

Zu 9:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit dem in Ablichtung beilie-

genden Urteil vom 25. August 1993 im Beschwerdefall Karl S. gegen Österreich

festgestellt, daß die Feststellungen in den Beschlüssen, mit denen eine

Haftentschädigung abgelehnt wurde, die Unschuldsvermutung nach Artikel 6 Abs. 2

der Konvention verletzt haben (P.30 des Urteils). Der Europäische Gerichtshof für

Menschenrechte hat aber auch festgehalten, daß Artikel 6 Abs. 2 der Konvention

kein aIlgemeines Recht auf Haftentschädigung für eine in Übereinstimmung mit Arti-

kel 5 der Konvention verhängte Untersuchungshaft begründet (P.25 des Urteils).

Seit dem Jahre 1980 sind vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keine

weiteren, das österreichische strafrechtliche Entschädigungsgesetz betreffende

Urteile ergangen.

 

Der Oberste Gerichtshof hat Fragen des strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes in

zahlreichen zivil- und strafrechtlichen Entscheidungen behandelt, die aus der im

Rechtsinformationssystem des Bundes enthaltenen Judikaturdokumentation ersicht-

lich sind. lm Hinblick auf diese große Anzahl von Entscheidungen wären die Darstel-

lung der konkreten Fälle und die Wiedergabe des Spruches der Entscheidungen mit

dem konkreten Wortlaut mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden, sodaß

ich um Verständnis bitte, daß ich von einer solchen Übersicht absehe.

 

 

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