1320/AB
Die Abgeordneten Motter, Kier und Partner/innen haben an mich
am 2. Oktober 1996 die schriftliche Anfrage Nr. .1305/J betreffend
"geplante Abschiebung eines in Österreich integrierten türkischen
Staatsbürgers" mit folgendem Wortlaut gerichtet :
"1. Sind Sie der Auffassung, daß es sich im Falle von Serdar
Yücel um einen in Österreich integrierten Ausländer handelt?
Wenn nein, warum nicht?
2. Wenn ja, warum wird in seinem Fall nicht § 20 Fremdengesetz
(Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes) angewendet, obwohl
hierfür die Dauer des Aufenthalts, das Ausmaß der Integration
und die Intensität der familiären und sonstigen Bindungen
ausschlaggeben sind?
3. Selbst im zitierten Berufungsbescheid wird festgehalten, daß
es sich bei Serdar Yücel um einen integrierten Ausländer
handelt und das Aufenthaltsverbot einen schweren Eingriff in
sein Privat- und Familienleben darstellen würde (Seite 9) .
Welche Tatsachen rechtfertigen dann die öffentlichen Interes-
sen zugunsten des Aufenthaltsverbotes?
4. Sind Sie der Auffassung, daß ein Ausländer, dessen Vergehen
im wesentlichen darin bestanden, mehrmals alkoholisiert am
Steuer gesessen zu sein (aber dabei keinen Unfall verursacht
zu haben) , die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung
derart zu gefährden, daß er für 5 Jahre des Landes verwiesen
werden muß? Wenn ja, warum?
5. Inwiefern rechtfertigt das Vergehen des alkoholisierten
Steuerns eines Fahrzeuges die Anwendung der Bestimmung des
§ .10 Abs 1 Z 6 StbG, d.h. , daß Yücel die österreichische
Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden dürfe, wenn er
nicht "der Republik Österreich bejahend gegenübersteht"? Wäre
in diesem Fall nicht § 20 Abs 2 Fremdengesetz sehr wohl anzu-
wenden gewesen?
6. Hätte man der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ord-
nung und Sicherheit nicht auch Genüge getan, indem man Yücel
den Führerschein auf unbestimmte Zeit entzogen hätte, anstatt
ein Aufenthaltsverbot zu verhängen?
7. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit in Österreich inte-
grierte und aufgewachsene Ausländer, die keinen Bezug mehr zu
ihrem "Heimatland" haben, nicht mit einem Aufenthaltsverbot
belegt werden, zumindest dann nicht, wenn sie sich keines
Verbrechens schuldig gemacht haben?"
Diese Fragen beantworte ich wie folgt:
Einleitend möchte ich festhalten, daß der Verwaltunggerichts-
hof der Beschwerde des in der Anfrage Genannten gegen den Auf-
enthalsverbotsbescheid mit Beschluß vom 16. Oktober 1996 die
aufschiebende Wirkung zuerkannt hat. Eine allfällige Abschiebung
ist daher derzeit ausgeschlossen.
Zu Frage 1:
Ja.
Zu Frage 2:
Die Bestimmungen des § 20 Abs. 1 FrG wurden im gegenständlichen
bei Abwägung aller relevanten Sachverhalte zum Ergebnis, daß die
öffentlichen Interessen überwiegen.
Zu Frage 3:
Der in der Anfrage Genannte hat zahlreiche, teilweise schwere
Verwaltungsübertretungen begangen. Aus der Tatsache, daß zwischen
den einzelnen Bestrafungen kein großer Zeitraum liegt, leitete
die Sicherheitsdirektion für das Rundesland Vorarlberg ab, daß
der Fremde eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesonde
re im Straßenverkehr, darstellt. Auch nachdem dem Fremden mit
Schreiben vom 20.12.1995 die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes
bzw. einer Ausweisung angedroht wurde, beging er neuerlich sechs
Verwaltungsübertretungen, darunter wiederum eine Verwaltungsüber-
tretung wegen alkoholisierten Fahrens.
Auf Grund dieses Verhaltens gingen die Behörden davon aus, daß
ihn weder Geldstrafen, noch die Androhung von fremdenpolizeili-
chen Maßnahmen zu einem gesetzeskonformen Verhalten veranlassen
konnten.
Zu Frage 4:
Gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stel-
len derart schwerwiegende Verwaltungsübertretungen bestimmte
Tatsachen gemäß § 18 FrG dar, die die Annahme rechtfertigen, daß
der Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.
Auf Grund des diesen Verwaltungsübertretungen innewohnenden Ge-
fährdungspotentials - und nicht etwa bloß auf Grund eines tatsäch
lich eingetretenen Schadens - stellen derartige Bestrafungen
einen Grund für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dar.
Zu Frage 5:
§ 20 Abs. 2 Fremdengesetz sieht vor, daß gegen einen Fremden, dem
die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschafts-
gesetzes hätte verliehen werden können, kein Aufenthaltsverbot
erl.assen werden darf. Entsprechend der Bestimmung des § 10 Abs. 1
Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz kann die Staatsbürgerschaft trotz
10-jährigen Aufenthaltes dann nicht verliehen werden, wenn der
Fremde nicht bejahend zur Republik Österreich eingestellt ist.
Serdar YÜCEL mußte im Zeitraum 7.11.1994 bis zum 1.4.1996 wegen
16 Verwaltungsübertretungen bestraft werden, wobei insgesamt 4
dieser Übertretungen als schwerwiegend anzusehen sind. Da für die
schließlich erfolgte Erlassung des Aufenthaltsverbotes seine
letzten Übertretungen im Jahre 1996, insbesondere auch jene nach
§ 5 StVO, entscheidend waren, fallen die übrigen Verwaltungsüber-
tretungen in den für die Bestimmung nach dem Staatsbürgerschafts-
gesetz maßgeblichen Zeitraum. Diese ständigen und teilweise
schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen bieten jedoch nicht die
erforderliche Gewähr, sondern läßt sein bisheriges Verhalten den
Schluß zu, daß er auch hinkünftig eine Gefahr, insbesondere im
Bereich des Straßenverkehrs, darstellt. Es wäre ihm somit auch
vom Amt der Vorarlberger Landesregierung nicht die Staatsbürger-
schaft verliehen worden.
Zu Frage 6:
Serdar YÜCEL wurde bereits einmal die Lenkerberechtigung auf
Grund seins Lenkens von Fahrzeugen in einem durch Alkohol beein-
trächtigten Zustand entzogen. Trotz der erfolgten Fntziehung der
Lenkerberechtigung ist er weiterhin (und zwar ohne die Lenkerbe-
rechtigung wieder erlangt zu haben) mit Kraftfahrezeugen gefah-
ren. Er hat somit durch sein Verhalten bereits bewiesen, daß
selbst im Falle der Möglichkeit, dieses gelindere Mittel anzuwen-
den, der Entzug des Führerscheines allein nicht ausreicht, um zu
verhindern, daß er weiterhin eine Gefahr für den Straßenverkehr
darstellt.
Zu Frage 7:
Hier verweise ich auf mein Bemühen, durch eine Änderung der frem-
dengesetzlichen Bestimmungen dem Integrationsgrad bei fremdenpoli
zeilichen Maßen mehr Gewicht zukommen zu lassen.