1512/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Barmüller und Genossen haben an mich
eine schriftliche Anfrage, betreffend Aussagen des leitenden Staatsanwaltes
Dr. Heimo Lambauer im Expertenhearing des Unterausschusses des Justizaus-
schusses zu den neuen Ermittlungsmethoden, gerichtet und folgende Fragen ge-
stellt:
"1. Auf welche Anfragebeantwortung bezog sich Dr. Lambauer, als er von einer
durch seine Überprüfung nicht bestätigten, sondern geringeren Anzahl von Te-
lefonüberwachungen sprach, und welche Zahlen sind in der von ihm relevier-
ten Anfragebeantwortung genannt?
2. Für welchen geographischen Bereich und welchen Zeitraum, der in dieser An-
fragebeantwortung ausgewertet wurde, hat der leitende Staatsanwalt wann
eine Überprüfung durchgeführt?
3. Wie hat der leitende Staatsanwalt diese Überprüfung durchgeführt?
4. Welche Unterlagen wurden ausgewertet?
5. Sind die überprüften Unterlagen
repräsentativ?
6. Sind dadurch numerische Divergenzen festgestellt worden, die auf eine über-
höhte Angabe der Telefonüberwachungen durch das BMJ schließen lassen,
und wenn ja, wie lassen sich diese Divergenzen erklären?
7. Sind solche Divergenzen auch für andere Gerichtssprengel denkbar und wenn
ja, wie hoch sind sie zu beziffern und bereits richtiggestellt?
8. Wird an einer einheitlichen Erhebungsmethode gearbeitet, sodaß zukünftig
aussagekräftiges statistisches Grundlagenmaterial für die parlamentarische Ar-
beit in der Frage der Anzahl der durchgeführten Telefonüberwachungen zur
Verfügung stehen wird?
9. Ist die geäußerte Auffassung, daß mittels Telephonüberwachung und bei zur
Verfügung stehenden Mitteln wie dem Lauschangriff auch diese zur Schaffung
eines dringenden Tatverdachts dienen sollen, auch die Auffassung des BM für
Justiz?
1O. Entspricht es der Praxis, daß schon heute erlaubte Überwachungsmittel zur
Herstellung eines dringenden Tatverdachtes genutzt werden?
11. Gibt es seitens des BM für Justiz Erlässe, die sich mit dem Thema Telephon-
überwachung auseinandersetzen, und wenn ja, wie lauten sie?"
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 bis 7:
Vorweg möchte ich bemerken, daß Leitender Staatsanwalt Dr. Heimo Lambauer
seine Ausführungen im Unterausschuß des Justizausschusses zur Vorbehandlung
der Regierungsvorlage 49 BlgNR XX. GP ausdrücklich als seine persönliche Mei-
nung bezeichnet hat. Dies ergibt sich im übrigen schon aus dem Umstand, daß er
als Experte des Ausschusses (wenngleich als führender Repräsentant der Staatsan-
wälte) und nicht als Vertreter meines Ressorts oder sonst in Wahrnehmung seiner
dienstlichen Funktionen zur
Expertenanhörung eingeladen wurde. Die Hintergründe
und der Bedeutungsgehalt einer solchen persönlichen Meinungsäußerung sind nicht
Gegenstand der Vollziehung; ihre nähere Erforschung ist daher vom parlamentari-
schen Interpellationsrecht nach Art. 52 Abs. 1 B-VG nicht umfaßt. Im Hinblick auf
den in der Anfragebegründung enthaltenen Vorwurf der ',Großzügigkeit und Non-
chalance eines offiziellen Vertreters der Staatsanwaltschaft", woraus sich ,'ein wich-
tiger Hinweis für den mangelnden Respekt vor den Grundrechten der Staatsbürge-
rinnen und Staatsbürger', ergebe, habe ich dennoch die Einholung einer Stellung-
nahme des Leitenden Staatsanwalts Dr. Heimo Lambauer veranlaßt. Die von die-
sem erstattete Äußerung ist als Beilage angeschlossen.
Zu 8 und 11:
Wie ich bereits in Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 581/J-NR/1 996 aus-
geführt habe, wurde den Staatsanwaltschaften mit Erlaß des Bundesministeriums
für Justiz vom 15.12.1995, JMZ 430.001/30-11 3/1995, aufgetragen, künftig mittels
eines neu aufgelegten Formblattes jährlich Bericht zu erstatten, um zuverlässige In-
formationen über die Anzahl, die Umstände und den Erfolg von Telefonüberwachun-
gen zu erhalten. Eine Ablichtung des erwähnten Erlasses ist als weitere Beilage an-
geschlossen. Nach dem Formblatt ist unter Punkt 1 lit. a die Zahl der Gerichtsakten
anzugeben, in denen eine Telefonüberwachung (überhaupt) rechtskräftig angeord-
net wurde - gleichgültig, ob von einer Anordnung mehrere Personen (verdächtige
oder zustimmende Anschlußinhaber), mehrere Anschlüsse ein- und derselben Per-
son oder ein Anschluß wiederholt betroffen waren. Eine anschlußbezogene Auf-
schlüsselung sowie eine Unterscheidung der Fälle, in denen die Überwachung mit
oder ohne Zustimmung des Anlageninhabers stattfand, erfolgt sodann unter
Punkt 2.
Dem in der Stellungnahme von Leitendem Staatsanwalt Dr. Heimo Lambauer zum
Ausdruck kommenden Anliegen, insbesondere jene Telefonüberwachungen geson-
dert zu erfassen, die ohne Zustimmung des Inhabers der Anlage erfolgen und die
nicht wegen ein- und desselben Sachverhalts in einem Verfahren mehrfach ange-
ordnet werden, wurde daher bereits Rechnung getragen. Für das Berichtsjahr 1996
sollten demnach erstmals entsprechend aussagekräftige Zahlen zur Verfügung ste-
hen.
Wie sich ebenfalls bereits aus der Beantwortung der Anfrage 581/J-NR/1996 ergibt,
wurden die gesetzlichen Vorschriften über die Anordnung und Durchführung der
Überwachung des Fernmeldeverkehrs (§§ 149a ff. StPO) mit dem Strafprozeßände-
rungsgesetz 1993, BGBl.Nr. 526, das am 1.1.1994 in Kraft trat, grundlegend er-
neuert. Diese Neuerungen wurden den Staatsanwaltschaften und Gerichten mit
dem Einführungserlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 22. Dezember 1 993,
JABl.Nr. 6/1 994, unter Betonung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes näher darge-
legt (Teil 11 Punkt 11.7, Seiten 30 f.).
Ein weiterer Erlaß vom 27. November 1 994, JABl.Nr. 50/1 984, betrifft die Frage der
Kostentragung bei Telefonüberwachungen, er ist infolge der Ausgliederung der
Post- und Telegraphenverwaltung aus der Bundesverwaltung nicht mehr aktuell.
Zu 9 und 10:
Wie sich aus der eingehenden Stellungnahme von Leitendem Staatsanwalt
Dr. Heimo Lambauer ergibt, kann von einer leichtfertigen Anwendung des Ermitt-
lungsinstruments der Überwachung eines Fernmeldeverkehrs nicht die Rede sein.
Dies bestätigt meine schon in der Beantwortung der Anfrage 581/J-NR/1996
geäußerte Ansicht, daß die Gerichte bei der Beurteilung des prozessualen Tatbe-
standselements "dringender Tatverdacht’, in der Regel große Sorgfalt aufwenden.
Freilich unterliegt die "Dringlichkeit,' des Tatverdachts einer letztlich subjektiven Be-
wertung.
Ganz allgemein entspricht das Erfordernis des dringenden Tatverdachts bei Über-
wachungsmaßnahmen, von denen auch unbeteiligte und nicht verdächtige Perso-
nen betroffen sein können, der ständig vertretenen Linie meines Ministeriums, wo-
nach eingreifende Ermittlungsmaßnahmen dieser Art sowohl dem Grunde als auch
ihrer Ausgestaltung nach besonders auf die in Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebene
Verhältnismäßigkeit hin zu prüfen sind. Dabei kommt unter dem Gesichtspunkt des
Rechtsschutzes dem Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems entscheidende
Bedeutung zu, sodaß im Sinn einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung mög-
lichst genau umschriebene Tatbestandsvoraussetzungen für den Einsatz geheimer
Überwachungsmaßnahmen vorliegen müssen, die einer nachprüfenden Kontrolle im
Rechtsmittelweg zugänglich sind.
Der Einsatz des Ermittlungsinstruments der Überwachung eines Fernmeldeverkehrs
(bloß) zur Verdachtsgewinnung kommt nicht in Betracht. Vielmehr bedarf es bereits
vorgängiger Ermittlungen, die eine ausreichende Verdachtslage zu begründen ver-
mögen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß gerade in den Fällen, in denen
die Telefonüberwachung in der Praxis am häufigsten zur Anwendung gelangt
(Suchtgifthandel), und insbesondere im Bereich organisierter Kriminalitätsformen oft
eine fortgesetzte oder wiederholte deliktische Tätigkeit vorliegt. ln solchen Fällen
kann eine Telefonüberwachung, die sich auf die bestehende Verdachtslage in be-
zug auf eine Tathandlung stützt, nicht nur diesen Verdacht bestätigen, sondern auch
zur Gewinnung von Verdachtsgründen für weitere Tathandlungen führen.