1515/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier und Genossen haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Entführung von Kindern aus Ehen zwi-

schen Partnern aus zwei verschiedenen Staaten, gerichtet und folgende Fragen ge-

stellt:

1. In welcher Form werden Sie mit den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen

Union in den diesbezüglichen Gerichts- und Rechtssachen zusammenarbei-

ten?

2. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um international eine Harmonisierung

der Verfahren (z.B. ungleiche Anwendungen der Bestimmungen der Haager

und der Luxemburger Konvention) zu erreichen?

3. Wann sollen diese Arbeiten abgeschlossen sein?

4. In welchen Rechtsmaterien sehen Sie einen legislativen Handlungsbedarf, um

den Intentionen dieser Entschließung zu entsprechen?"

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1-3:

Eine Entschließung des Rates zu der in der Anfrage angesprochenen Thematik ist

mir nicht bekannt. Doch wurde eine solche Entschließung am 18. Juli 1996

vom Europäischen Parlament gefaßt (84-0869/96) und am 9. September 1996

im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (ABI.Nr. C 261/157).

Darin werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter anderem dazu auf-

gefordert, "sich in Anbetracht der ungleichen Anwendung der Bestimmungen der

Haager und der Luxemburger Konvention gemeinsam um eine Harmonisierung der

Verfahren zu bemühen".

Bei der Anwendung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die

zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, BGBl.Nr. 512/1988 (im fol-

genden "Haager Kindesentführungsübereinkommen" genannt), und des Europäi-

schen Übereinkommens vom 20. Mai 1 980 über die Anerkennung und Vollstreckung

von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des

Sorgerechts, BGBl.Nr. 321/1985 (im folgenden "Europäisches Sorgerechtsüberein-

kommen', genannt; die Entschließung spricht von der "Luxemburger Konvention',),

arbeiten die zentralen Behörden der Vertragsstaaten - im Gegensatz zu der in der

erwähnten Entschließung erkennbar vertretenen Auffassung - in einer sehr effizien-

ten Weise zusammen. Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Be-

reich des widerrechtlichen Verbringens bzw. Zurückhaltens von Kindern zwischen

den zentralen Behörden der Vertragsstaaten, die Mitgliedstaaten der Europäischen

Union sind, sind daher nicht geboten. Auch ist den in meinem Ministerium für diese

Materie zuständigen Beamten weder aus der konkreten Befassung noch aus dem

internationalen Erfahrungsaustausch etwas darüber bekannt geworden, daß die Re-

gelungen dieser beiden Übereinkommen in verfahrensrechtlicher Hinsicht von Land

zu Land verschieden angewendet würden, sodaß nach meinem Informationsstand

auch weitere Harmonisierungsbemühungen entbehrlich sind. Mir scheint es deshalb

- zumindest vorläufig - nicht erforderlich, Maßnahmen zu setzen, um international ei-

ne solche Harmonisierung zu erreichen.

Ich möchte jedoch erwähnen, daß in der Zeit vom 17. bis 21. März 1997 in Den

Haag die 3. Tagung der Spezialkommission der Haager Konferenz für internationa-

les Privatrecht stattfinden wird, die sich mit dem Funktionieren des Haager Kindes-

entführungsübereinkommens befassen wird. Auch mein Ministerium als österreichi-

sche zentrale Behörde nach den beiden genannten Übereinkommen wird bei der

Tagung der Spezialkommission vertreten sein. Es wird sich zeigen, ob aus den Be-

ratungen dieses Gremiums Überlegungen über eine Verbesserung dieser beiden

Rechtsinstrumente erfließen werden.

Das Europäische Sorgerechtsübereinkommen kommt in der Praxis für Fälle des wi-

derrechtlichen Verbringens bzw. Zurückhaltens von Kindern nur sehr selten zur An-

wendung, weil das Haager Kindesentführungsübereinkommen das wesentlich effizi-

entere Instrument ist. Lediglich zur Durchsetzung eines grenzüberschreitenden Be-

suchsrechts wird das Europäische Sorgerechtsübereinkommen angewendet. Da

dieses Übereinkommen durch die zahlreichen Vorbehalte vieler Vertragsstaaten

sehr schwerfällig ist (Österreich hat die ursprünglich gemachten Vorbehalte schon

vor Jahren zurückgezogen), wird die Frage seiner Revision derzeit vom Expertenko-

mitee für Familienrecht des Europarats - zunächst beschränkt auf den Bereich des

grenzüberschreitenden Besuchsrechts - geprüft; dieses Vorhaben befindet sich zur

Zeit im Stadium von Vorarbeiten. Wann diese Arbeiten abgeschlossen sein werden,

läßt sich nicht verläßlich abschätzen.

Zu 4:

Ich vermag einen (inländischen) legislativen Handlungsbedarf nicht zu erkennen,

weil grenzüberschreitende Kindesentführungen nicht auf nationaler Ebene gelöst

werden können, sondern nur durch internationale Zusammenarbeit.

 

Zu bemerken ist noch, daß eine Vereinheitlichung der einschlägigen Verfahrensvor-

schriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach den jüngsten Entwicklun-

gen in der internationalen Normsetzung nicht realistisch scheint, zumal in Art. 28

des erst im Oktober 1 996 fertiggestellten Haager Übereinkommens über die Zustän-

digkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung sowie die

Zusammenarbeit betreffend die elterliche Verantwortlichkeit und Maßnahmen zum

Schutz von Kindern (neues Haager Minderjährigenschutzübereinkommen) aus-

drücklich bestimmt wird, daß sich die Vollstreckung und der Umfang der Vollstrek-

kungsmaßnahmen nach dem Recht des Staates richten, in dem die Vollstreckungs-

maßnahmen erforderlich sind, wobei auf das Kindeswohl Bedacht zu nehmen ist.

Dieses Übereinkommen wurde am 1 9. Oktober 1 996 zur Unterzeichnung aufgelegt.