1796/AB XX.GP

 

zur Zahl 1823/J-NR/1997

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Helmut Kukacka und Kollegen haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Mängel im Strafvollzug, die Tibor Focos

Flucht begünstigten, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"1 . Wie viele Fluchtversuche fanden in den Jahren 1995 und 1996 statt?

2. Wie war es Tibor Foco möglich, ein Handy in seine Zelle zu schmuggeln?

3. Warum wurde diese Aktion nicht entdeckt?

4. Wie oft hat Tibor Foco telefoniert?

5. Mit wem hat Tibor Foco telefoniert?

6. Von wem und wie oft wurde Tibor Foco in der Strafanstalt Stein besucht?

7. Fand immer eine Leibesvisitation der Besucher von Tibor Foco statt?

8. Wenn nein, warum nicht?

9. Wurden die Taschen der Besucher von Tibor Foco immer untersucht?

10. Wenn nein, warum nicht?

11 . Wie oft wurde die Zelle von Tibor Foco durchsucht?

12. Wurden im Rahmen dieser Untersuchungen unerlaubte Gegenstände (z.B.

Fotos des Fluchtweges und der Garage, in dem sein Fluchtmotorrad abge-

stellt war) sowie Geld in Tibor Focos Zelle gefunden?

13. Wenn ja,welche?

14. Wurden gegen die Verantwortlichen des ineffizienten und offensichtlich nach-

lässigen Strafvollzuges in der Strafvollzugsanstalt Stein disziplinäre Maßnah-

men ergriffen?

15. Wenn ja, welche und mit welchem Ergebnis?

16. Wenn nein, warum nicht?

17. Warum wurde es dem zu lebenslanger Haft verurteilten Tibor Foco ermög-

licht, an der Johannes-Kepler-Universität Linz Lehrveranstaltungen zu besu-

chen, obwohl es auch die Möglichkeit von Fernstudien gibt?

18. Wurden gegen den Beamten, der Tibor Foco an der Johannes-Kepler-Univer-

sität zu beaufsichtigen hatte und diesen entwischen ließ, disziplinäre Maß-

nahmen ergriffen?

19. Wenn ja, welche?

20. Wenn nein, warum nicht?

21 . Wurden nun gegen die Eltern, die - nach Presseberichten - das Fluchtmotor-

rad besichtigten und somit vom geplanten Fluchtversuch ihres Sohnes ge-

wußt haben mußten, polizeiliche oder gerichtliche Maßnahmen ergriffen?

22. Wenn ja,welche?

23. Wenn nein, warum nicht?

24. Seit wann ist den Beamten der oberösterreichischen Sicherheitsdirektion die

Identität aller Fluchthelfer Tibor Focos bekannt?

25. Wurden gegen alle Fluchthelfer Tibor Focos gerichtliche Maßnahmen ergrif-

fen?

26. Wenn ja,welche?

27. Wenn nein, warum nicht?"

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

In den Jahren 1995 und 1996 fanden jeweils 24 Fluchten statt. Aufzeichnungen über

die Zahl der nicht erfolgreichen Fluchtversuche werden nicht geführt.

Zu 2:

Verschiedene Aussagen in dem wegen Begünstigung von Tibor Foco geführten

Strafverfahren sprechen dafür, daß diesem anläßlich eines Besuchs ein Mobiltele-

fon übergeben wurde, ohne daß sich daraus Einzelheiten eines solchen Vorgangs

ergäben. Aus der Justizanstalt Stein sind jedoch vorerst keine Umstände bekannt,

die darauf hindeuteten, daß Tibor Foco dort ein solches Gerät besessen hätte. Auf-

grund der Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden werden nun in der Anstalt Erhe-

bungen zur Abklärung dieses Verdachts und zur Ausschaltung allfälliger Schwach-

stellen im Sicherheitsbereich gepflogen.

Zu 3:

lm Zeitraum von 1992 bis 1995 wurden in der Justizanstalt Stein insgesamt drei Mo-

biltelefone bei Strafgefangenen entdeckt und diesen abgenommen. Wegen der ge-

ringen Größe von Mobiltelefonen stößt die Verhinderung von deren Einbringung in

den Anstaltsbereich und deren Entdeckung auf Schwierigkeiten. Im Hinblick darauf

werden in den Justizanstalten, insbesondere auch in der Justizanstalt Stein, neben

den üblichen Durchsuchungen und Sicherheitsinspektionen (bei denen diesem Pro-

blembereich besonderes Augenmerk zugewendet wird) gelegentlich Peilversuche

zur Aufspürung von Mobiltelefonen durchgeführt. Allerdings kann ein Mobiltelefon

dadurch nur dann entdeckt werden, wenn es gerade in Betrieb ist.

Zu 4 und 5:

Hiezu liegen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse vor.

Erwähnt sei, daß Tibor Foco von der gemäß § 96a StVG bestehenden Möglichkeit,

aus der Anstalt zu telefonieren, keinen Gebrauch gemacht hat.

Zu 6:

Tibor Foco wurde während seiner Haft in der Justizanstalt Stein von folgenden Per-

sonen besucht:

Christine F. 32x

Theodor F. 31 x

Franziska, P. 31 x

Monika S. 31 x

Brigitte S. 15 x

Claudia H. 6 x

Peter R. 6 x

Elfriede E. 5 x

Dieter E. 2 x

Heinz F. 2 x

Elisabeth F. 2 x

Rudolf A. 1 x

Heinz R. 1 x

Zu 7 und 8:

Eine Leibesvisitation von Besuchern durch Strafvollzugsbedienstete kam nach der

bis Jahresende 1996 in Geltung gestandenen Rechtslage nicht in Betracht. Der Ver-

dacht einer strafbaren Handlung, der Anlaß für eine Beiziehung von Sicherheitsor-

ganen zur Durchführung von Personsdurchsuchungen gegeben hätte, lag bei den

Besuchen von Tibor Foco - jedenfalls im vorhinein - nicht vor.

ZU 9 und 10:

Eine Taschenkontrolle bei Besuchen findet in der Justizanstalt Stein nicht statt, weil

Taschen und andere Behältnisse nicht in die Besucherzone mitgenommen werden

dürfen. Derartige Gegenstände müssen bereits im Bereich der Besuchsanmeldung,

außerhalb des Gesperres, in Schließfächern deponiert werden.

Zu 11:

In der Zeit vom 13.10.1987 bis 13.6.1994 wurde der Strafgefangene Tibor Foco in

der Abteilung für erhöhte Sicherheit angehalten. In dieser Zeit wurde der Haftraum

zusätzlich zur täglichen Sicherheitskontrolle einmal wöchentlich einer genaueren

Untersuchung unterzogen.

Vom 13.6.1994 bis zur Flucht befand sich der Strafgefangene in der Abteilung für

den Erstvollzug. In dieser Zeit wurden in seinem Haftraum zusätzlich zu den tägli-

chen Sicherheitskontrollen am 17.6.1994, 27.6.1994, 11.7.1994, 25.7.1994,

8.8.1994, 24.8.1994, 10.9.1994, 19.9.1994, 2.10.1994, 23.10.1994, 5.11.1994,

12.11.1994, 4.12.1994, 12.12.1994, 25.12.1994, 13.1.1995, 29.1.1995, 12.2.1995,

25.2.1995, 11.3.1995, 26.3.1995, 9.4.1995 und am 19.4.1995genaue Durchsu-

chungen durchgeführt.

Zu 12 und 13:

Bei den Durchsuchungen konnten keine Unregelmäßigkeiten festgestellt und keine

unerlaubten Gegenstände vorgefunden werden. Es ist aber nicht auszuschließen,

daß Tibor Foco solche Gegenstände an anderen Orten verbarg oder anderen Insas-

sen zur Verwahrung übergeben hatte.

Lediglich bei einer körperlichen Durchsuchung von Tibor Foco wurde einmal ein von

diesem als Maskottchen bezeichneter Schlüssel gefunden. Da sich damals an die-

sen Fund aber keine weiterreichenden Verdachtsmomente knüpften, wurde dieser

Schlüssel dem Strafgefangenen nur abgenommen, ohne zusätzliche Maßnahmen

zu treffen. Erst bei den polizeilichen Erhebungen nach der Flucht ergab sich der

Verdacht, daß es sich dabei um einen Schlüssel zu jener Garage gehandelt hatte, in

der das Fluchtfahrzeug eingestellt gewesen war.

Zu 14,15,16,18,19 und 20:

Aus der Tatsache der Flucht von Tibor Foco läßt sich keineswegs zwingend auf eine

offensichtliche Nachlässigkeit einzelner Bediensteter rückschließen. Ein im gegebe-

nen Rahmen auf menschenwürdige Lebensbedingungen in den Anstalten, auf die

Gewährung von Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten während der Haft

und letztlich auf eine (allfällige) spätere gesellschaftliche Wiedereingliederung der

Strafgefangenen bedachtes Strafvollzugswesen kann selbst bei bestem Bemühen

keine absolute Sicherheit im Sinn eines lückenlosen Ausschlusses von Fluchten bie-

ten. Die aus Sicht des erwähnten Bemühens positiven Erleichterungen für die Kon-

taktaufnahme von Strafgefangenen mit der Außenwelt erbringen andererseits

selbstverständlich erweiterte Möglichkeiten zur Einbringung verbotener Gegenstän-

de in den Anstaltsbereich. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß nach der Flucht

von Tibor Foco Maßnahmen ergriffen wurden, um die aus diesem Fall offenkundig

gewordenen Risken, insbesondere das Fluchtrisiko, weiter einzuschränken.

Ein Disziplinarverfahren gegen einzelne Strafvollzugsbedienstete wurde aus Anlaß

der Flucht von Tibor Foco nicht geführt. Nach den dazu durchgeführten Erhebungen

der Dienstaufsicht wäre selbst bei Annahme einer dem Eskorteführer zur Last zu le-

genden Dienstpflichtverletzung anzunehmen gewesen, daß ein gegen diesen ge-

führtes Disiplinarverfahren höchstens mit einem Schuldspruch unter Absehen von

einer Strafe oder mit einem Verweis geendet hätte. Im Hinblick darauf war auf eine

allfällige disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit dieses Bediensteten die Gnadenakti-

on in Disziplinarangelegenheiten aus Anlaß der 50. Wiederkehr des Tages, an dem

die Unabhängigkeit Österreichs wiederhergestellt wurde, und der 40. Wiederkehr

des Tages, an dem der Österreichische Staatsvertrag unterzeichnet wurde, anzu-

wenden. Dies führte zur gnadenweisen Nicht-Einleitung eines Diziplinarverfahrens

gegen den Eskorteführer. Sollte es aufgrund der Ergebnisse der polizeilichen Erhe-

bungen zu neuen Erkenntnissen kommen, wird die disziplinäre Verantwortlichkeit er-

neut zu prüfen sein.

Zu 17:

Bei der Bewilligung des Studiums wurde vorgesehen, daß dieses in Form eines

Fernstudiums absolviert werden sollte, bei dem der Strafgefangene nur zur Able-

gung von Prüfungen an die Universität ausgeführt wird. Später wurde dann der

Strafgefangene wegen seines Studienerfolgs, seiner positiven Beurteilung durch

Professoren und Prüfer, seines mustergültigen und kooperativen Verhaltens in der

Anstalt, aber auch aufgrund entsprechender Wünsche von seiten der Universität

Linz unter Heranziehung privater finanzieller Mittel auch zu bestimmten Lehrveran-

staltungen an die Universität Linz ausgeführt.

Zu 21,22,23,25,26 und 27:

Aufgrund einer Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich

vom 17.12.1996 werden derzeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft Linz gegen ins-

gesamt sieben Personen (darunter aber nicht die Eltern von Tibor Foco) gerichtliche

Vorerhebungen wegen des Verdachts der Begünstigung nach § 299 Abs. 1 StGB

geführt. Nach Vorliegen der Erhebungsergebnisse wird von der Staatsanwaltschaft

Linz geprüft werden, ob Verfolgungsschritte auch gegen weitere Personen indiziert

sind.

Zu 24:

Laut der soeben erwähnten Anzeige ist den Sicherheitsbehörden die Identität aller

Verdächtigen seit Herbst 1996 bekannt.