1850/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn und Kollegen haben

an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997,

gerichtet und folgende Fragen gestellt:

"1. In Art. I (URG) § 6 und § 12 wird der Ausschluß von Anfechtungsmöglichkei-

ten gegenüber Krediten, die im Sanierungsverfahren vergeben werden, nor-

miert. Wird dadurch die Sicherheit der Gläubiger eingeschränkt?

2. § 22 und § 23 regeln die Vermutung des Reorganisationsbedarfs. Sind die

einheitlichen Kennzahlen Eigenmittelquote von 8 Prozent und fiktive Ver-

schuldungsdauer von 15 Jahren für alle Branchen gültig? Wenn ja, wie be-

gründen Sie diese Vorgangsweise?

Sind Ausnahmebestimmungen für neugegründete Unternehmen vorgese-

hen? Wenn nein, warum ist das nicht der Fall?

3. § 24 normiert die Haftungsbestimmungen. Warum gilt die vorgesehene Haf-

tung nur für Unternehmen, deren durchschnittliche Arbeitnehmerzahl 50

übersteigt?

Wie begründen Sie die in Abs. 2 formulierte Rechtsvermutung, die das Vorlie-

gen des Reorganisationsbedarfs allein aus der nicht rechtzeitigen Erstellung

des Jahresabschlusses ableitet?

Erwarten Sie aufgrund der vorliegenden Haftungsbestimmungen einen An-

stieg der Konkursanträge in den nächsten Jahren? Wenn nein, warum nicht?

4. Art. VI behandelt die vorgesehenen Änderungen des Aktiengesetzes. Ziffer 5

sieht vor, daß den Sitzungen, die sich mit der Prüfung und Vorbereitung der

Feststellung sowie der Feststellung des Jahresabschlusses beschäftigen, je-

denfalls der Abschlußprüfer zuzuziehen ist. Wie hoch schätzen Sie die Ko-

sten ein, die den Unternehmen durch diese Änderung zusätzlich erwachsen

werden?

Ziffer 6 sieht eine Erhöhung der Anzahl der Aufsichtsratssitzungen sowie die

- -Verpflichtung, diese vierteljährlich einzuberufen, vor. Welche Auswirkungen

erwarten Sie sich von dieser Neuregelung und wie hoch schätzen Sie die Ko-

sten, die den Unternehmen daraus erwachsen, ein?"

Grundsätzlich sei bemerkt, daß sich das Legislativgeschehen zur Schaffung eines

Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1997 derzeit im Stadium der Aufarbeitung und

Diskussion der Ergebnisse aus dem Begutachtungsverfahren befindet. Die Inhalte

dieses Gesetzesvorhabens stehen daher noch nicht definitiv fest.

Ich beantworte nun die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu 1:

§§ 6 und 12 URG in der Fassung des Ministerialentwurfs für ein Insolvenzrechtsän-

derungsgesetz 1997 sehen keineswegs einen gänzlichen Ausschluß, sondern ledig-

lich eine Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten vor. Im Rahmen des Reorga-

nisationsverfahrens gewährte Überbrückungs- und Reorganisationsmaßnahmen -

also nicht nur Kredite - sollen nicht schon dann anfechtbar sein, wenn der Vertrags-

partner des Unternehmers die Zahlungsunfähigkeit oder Uberschuldung kennen hät-

te müssen (also fahrlässigerweise nicht kannte); bei positiver Kenntnis der Zah-

lungsunfähigkeit soll eine Anfechtung hingegen weiterhin möglich sein. Überdies soll

diese Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit bei Überbrückungsmaßnahmen

grundsätzlich voraussetzen, daß der vom Gericht bestellte Prüfer der Maßnahme

zugestimmt hat; für Reorganisationsmaßnahmen soll erforderlich sein, daß diese

ausdrücklich in den vom Prüfer überprüften und für erfolgversprechend befundenen

Reorganisationsplan aufgenommen wurden. Der Schutz der übrigen Gläubiger

scheint dadurch ausreichend gewährleistet.

Das Reorganisationsverfahren soll im übrigen voraussetzen, daß der Unternehmer

nicht insolvent ist. Diese Voraussetzung wird binnen längstens 30 Tagen nach Ein-

leitung des Verfahrens vom Reorganisationsprüfer geprüft. Dadurch kann das Reor-

ganisa- tionsverfahren dem Vertragspartner des Unternehmers die sonst zumeist

gegebene Unsicherheit über das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit und Überschul-

dung, insbesondere die Sorge vor einer - leicht möglichen - Fehleinschätzung bei

der zum Überschuldungsbegriff gehörenden Fortbestandsprognose, weitgehend

nehmen.

Zu 2:

Die in den §§ 22 und 23 URG vorgesehenen Kennzahlen sollen für alle Branchen

gültig sein. Wie sich aus betriebswirtschaftlicher Literatur ergibt und auch Untersu-

chungen von Wirtschaftszahlen gezeigt haben, sind diese Kennzahlen im wesentli-

chen für alle Arten von Betrieben taugliche Parameter für das Insolvenzrisiko. Zwar

gibt es Branchen, in denen diese Kennzahlen häufiger als im Durchschnitt erreicht

werden, doch kann auch in diesen Fällen im allgemeinen eine Insolvenzgefahr ge-

geben sein, sodaß sich der Unternehmer mit der Frage eines allfälligen Reorganisa-

tionsbedarfs und allenfalls notwendiger Reorganisationsschritte beschäftigen soll.

Ausnahmebestimmungen für neugegründete Unternehmen sind nicht vorgesehen.

Die Kennzahlen sollen also gleichermaßen für bereits bestehende und für neuge-

gründete Unternehmen gelten. Es wäre auch kein Grund dafür erkennbar, gerade

die neugegründeten Unternehmen aus diesen Regelungen auszuschließen; ein sol-

cher Ausschluß würde auch den Intentionen des Gesetzesentwurfs zuwiderlaufen.

Gerade in der Anfangsphase eines Unternehmens gibt es oftmals wirtschaftliche

Schwierigkeiten.

Im übrigen kommt den Kennzahlen lediglich eine Art "Warnfunktion" zu, sie sol-

len den Unternehmer darauf aufmerksam machen, daß er sich mit der wirtschaftli-

chen Situation seines Unternehmens auseinanderzusetzen hat.

Zu 3:

Besondere Haftungsbestimmungen sind nur für Großunternehmen vorgesehen. Der

Ministerialentwurf versuchte eine Abgrenzung nach der Größenordnung in der Wei-

se, daß er an eine über 50 liegende Arbeitnehmerzahl anknüpfte. Bei Ausarbeitung

der Regierungsvorlage wird jedoch zu überlegen sein, ob es nicht zweckmäßiger

wäre, stattdessen auf prüfpflichtige Unternehmen abzustellen.

Die Haftungsbestimmungen werden deshalb nur für Großunternehmen vorgesehen,

weil bei diesen das Versäumen rechtzeitiger Reorganisationsschritte für eine größe-

re Zahl von Vertragspartnern des Unternehmens, insbesondere auch für die Liefe-

ranten, aber auch für die Arbeitnehmer des Unternehmens, schwerwiegende Be-

deutung hat. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße ist es unter diesem Ge-

sichtspunkt gerechtfertigt, die Haftung der vertretungsbefugten Organe als eine Art

indirekten Zwang zur Einleitung des Verfahrens vorzusehen.

§ 24 Abs. 2 URG sieht vor, daß das Vorliegen der Kennzahlen vermutet wird, wenn

der Jahresabschluß nicht rechtzeitig erstellt wird. Die Bestimmung soll verhindern,

daß sich die Organe durch Unterlassung der Erstellung des Jahresabschlusses der

Haftung entziehen.

An das Gesetzesvorhaben knüpft sich die Erwartung, daß - schon aufgrund der vor-

geschlagenen Haftungsbestimmungen - zahlreiche Reorganisationsverfahren einge-

leitet werden und es damit vermehrt zu erfolgreichen Sanierungen kommt. Dadurch

soll künftig ein Beitrag zur Vermeidung von Insolvenzverfahren geleistet werden.

Zu 4:

Ziel der im Entwurf des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1997 enthaltenen ge-

sellschaftsrechtlichen Änderungsvorschläge ist es, die Früherkennung einer wirt-

schaftlichen Krisensituation zu erleichtern. Diesem grundsätzlichen Ziel dienen auch

die für den Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften vorgesehenen Änderungen. Die

Effizienz dieses Kontrollorgans soll verstärkt werden. Insgesamt soll durch das Zu-

sammenwirken der geplanten Neuerungen eine bessere Information der Aufsichts-

ratsmitglieder gewährleistet und die Intensivierung der Kontrolltätigkeit (Professiona-

lisierung des Aufsichtsrats) erreicht werden. Im einzelnen ist zu den beiden hiezu

gestellten Fragen folgendes auszuführen:

a) Beiziehung des Abschlußprüfers zu Aufsichtsratssitzungen und Hauptversamm-

lungen:

Die vorgeschlagene Änderung des § 93 Abs. 1 AktG sieht vor, daß den Sitzungen

des Aufsichtsrats, die sich mit der Prüfung und Vorbereitung der Feststellung so-

wie mit der Feststellung des Jahresabschlusses beschäftigen, der Abschlußprüfer

zuzuziehen ist. Dies gilt auch für die Hauptversammlung, wenn diese zur Fest-

stellung des Jahresabschlusses einberufen wird. Die Kosten, die den Unterneh-

men durch diese Änderung zusätzlich erwachsen werden, bestehen darin, daß

dem Abschlußprüfer seine Teilnahme abzugelten ist. Grundsätzlich wird die Höhe

des Honorars des Abschlußprüfers im Rahmen einer privatrechtlichen Vereinba-

rung zwischen diesem und dem Unternehmen, das ihn mit der Abschlußprüfung

betraut hat, festgelegt. Bereits jetzt werden zumeist Pauschalvereinbarungen für

die gesamte Abschlußprüfung getroffen, in denen künftig auch die Teilnahme an

der Aufsichtsratssitzung enthalten sein wird; sonst wird nach einem Stundensatz

abgerechnet. Nach den Autonomen Honorarrichtlinien der Kammer der Wirt-

schaftstreuhänder beträgt die angemessene Zeitgebühr für die Leistung des Wirt-

schaftstreuhänders 790 S pro Stunde. Dieser Stundensatz kann unter bestimm-

ten Voraussetzungen um bis zu 100 % angehoben werden (Art. I § 1 AHR). Im

übrigen ist aber anzumerken, daß schon heute an den oben erwähnten Aufsichts-

ratssitzungen und Hauptversammlungen zumeist der Abschlußprüfer teilnimmt,

sodaß mit der vorgesehenen Neuregelung ohnedies nur eine schon weitverbreite-

te Praxis positiviert würde.

b) Erhöhung der Anzahl der Aufsichtsratssitzungen:

Nach der geltenden Rechtslage muß der Aufsichtsrat mindestens dreimal im Ge-

schäftsjahr eine Sitzung abhalten. Die vorgeschlagene Änderung des § 94 AktG

bedeutet daher, daß die jährliche Anzahl der Sitzungen um eine Sitzung erhöht

wird. Die Aufsichtsratsmitglieder erhalten einen Aufwandersatz. Es kann ihnen

darüber hinaus auch eine Vergütung gemäß § 98 AktG gewährt werden. Für die

Festlegung des Vergütungsanspruchs ist die Hauptversammlung zuständig. Es

kann die Vergütung aber auch in der Satzung festgesetzt werden.

Für die Kosten, die den Unternehmen durch diese Änderungen erwachsen wer-

den, sind daher mehrere Faktoren maßgeblich. So hängen etwa die Kosten für

den Aufwandersatz unter anderem davon ab, wie hoch die Reisekosten sind, ob

eine Übernachtung erforderlich ist, usw. Die von der Hauptversammlung festzule-

gende Vergütung - die gewährt werden kann, aber nicht muß - wird je nach Un-

ternehmen variieren. Die Höhe der Vergütung muß in einem angemessenen Ver-

hältnis zu der vom Organmitglied zu entfaltenden Tätigkeit und zur Lage der Ge-

sellschaft stehen (§ 98 Abs. 1 AktG).

Infolge der Vielzahl und der Unterschiedlichkeit der kostenbestimmenden Um-

stände ist mir eine Einschätzung der aus der Neuregelung für die Unternehmen

erfließenden Mehrkosten nicht möglich. Jedenfalls aber werden sich diese Kosten

in einer Größenordnung bewegen, die im Hinblick auf die oben dargestellte Ziel-

setzung der Professionalisierung des Aufsichtsrats vertretbar ist.