1916/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1930/J-NR/1997, betreffend Drittland-
transporte, die die Abgeordneten Rosenstingl und Kollegen am 6. Februar 1997 an
mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1.,5.,6.,7.,10. Seit wann wußte man im Verkehrsministerium von den Auswir-
kungen der EU-Verordnung 881/92 vom 26.3.1992?
Warum wurden dann kein Verträge mit Deutschland, ltalien und
den anderen zehn EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen?
Mit welchen Mitgliedstaaten laufen Verhandlungen? Wie weit sind
diese gediehen?
Wann kann mit einem endgültigen Abschluß der Verhandlungen
mit den einzelnen Mitgliedsstaaten gerechnet werden?
Warum wurden die notwendigen bilateralen Verträge nicht recht-
zeitig ausgehandelt?
Antwort:
Die Frage der Drittlandverkehre ist Teil der Kontingentpolitik meines Ressorts und
daher als Teil der österreichischen Verkehrspolitik zu sehen, die von der Bundes-
regierung festgelegt und mitgetragen wird. Ein Ziel der Kontingentpolitik ist es, einen
Interessensausgleich zwischen den berechtigten Anliegen der Bevölkerung auf
Schutz ihrer Gesundheit und Umwelt vor den
negativen Auswirkungen des Straßen-
verkehrs und der Wirtschaft zu finden. Für den Straßengüterschwerverkehr bedeutet
dies, den Verkehr auf eine Weise zu bewältigen, die einerseits die Belastungen für
die Menschen und Umwelt auf einem so niedrigen und akzeptablen Niveau wie mög-
lich hält bzw. in jenen Fällen, in denen diese Akzeptanzgrenze bereits überschritten
ist, diese Belastungen zu reduzieren. Ein grundlegendes Prinzip der Bundesregie-
rung ist es in diesem Zusammenhang, den Straßengüterschwerverkehr auf umwelt-
freundliche Verkehrsträger wie Schiene, Schiff und Kombiverkehr zu verlagern bzw.
entsprechende Anreizsysteme (zB. Nutzervorteile) zu schaffen, um derartige Ver-
kehrsmittel zu benützen. Die dargelegten Grundsätze sind daher auch bei der Frage
der sogenannten "Drittlandverkehre" zu berücksichtigen.
Aus verkehrspolitischer Sicht ist zur Problematik der Drittlandverkehre folgendes
auszuführen:
Zunächst ist hierbei insbesondere zu beachten, daß derartige Verkehre seit Jahr-
zehnten nur mit Genehmigung und mit der Maßgabe des Transitierens des Zulas-
sungslandes möglich waren. Dies galt sowohl für österreichische Frächter als auch
für die Frächter der jeweiligen Partnerländer, wobei eine Abweichung von diesem
Prinzip nur aufgrund besonderer Gegebenheiten (zB. geographische Lage und Grö-
ße wie im Falle Luxemburgs) vereinbart wurde. Ein rigoroses Abgehen von diesem
Prinzip würde zu einem Anziehen zusätzlicher Verkehre führen, da ausländische
LKW aufgrund dieser jahrzehntelang geübten Praxis und geltenden Vereinbarungen
bis dato nicht direkt von Österreich in einen anderen Staat als ihren eigenen Trans-
porte durchführen konnten. Eine Vervielfachung dieses Verkehrsaufkommens, mit all
den damit verbundenen negativen Folgen für Mensch und Umwelt, wäre die Folge.
Dies insbesondere auch aufgrund des Umstandes einer mit zu bedenkenden mögli-
chen Präjudizwirkung für andere EU/EWR-Staaten, die von Osterreich im Falle eines
Verzichtes Österreichs auf das Gebot der Heimatberührung zB. gegenüber Deutsch-
land, auch eine derartige Regelung verlangen könnten. Aufgrund der geographischen
Lage Österreichs ist in diesem Zusammenhang auch durchaus in Betracht zu ziehen,
daß in diesem Falle bilaterale Fahrten zwischen Osterreich und Drittländern, die bis
dato von österreichischen Frechstern
durchgeführt wurden, sukzessive von EU/EWR-
Frächtern als Anschlußfahrt übernommen werden könnten. Überdies sind bei Dritt-
landverkehren auch Kontrollfragen miteinzubeziehen und mögliche Quellen von
Umgehungs-Transitverkehren hintanzuhalten
Auch wenn es das Bestreben des BMWV ist, den Status Quo im Bereich der Dritt-
landfahrten österreichischer Beförderer zwischen EU/EWR-Mitgliedsländern und
sogenannten Drittländern (die nicht EU/EWR-Mitgliedsländer sind) weitestgehend zu
wahren, so kann eine derartige Vereinbarung nur im Rahmen und in Übereinstim-
mung mit den österreichischen verkehrspolitischen Grundsätzen geschlossen wer-
den. Einer Vereinbarung, auch im Bereich der Drittlandverkehre, der für Osterreich
inakzeptable Forderungen der Vertragspartner entgegenstehen, weil für die öster-
reichische Bevölkerung und Umwelt aber auch österreichischen Beförderer negative
verkehrspolitische Konsequenzen nach sich ziehend, kann Österreich nicht zustim-
men.
Aus rechtlicher Sicht ist zu bemerken, daß die EG-Ratsverordnung 881/92 vom
26. März 1992 für derartige Beförderungen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat in
einen nicht der Gemeinschaft angehörigen Drittstaat keine gesonderten Vorschriften
enthält, sondern diese ausdrücklich dem nationalen Regelungsbereich bzw. bilatera-
len Vereinbarungen zwischen den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten vorbehält. Insofern
ist die in lhrer Anfrage enthaltene Aussage, ,'dieses sieht ein Verbot für Drittland-
transporte vor", unzutreffend. Auch ist die genannte EG-Verordnung für Österreich
nicht bereits mit Inkrafttreten des EU-Beitrittsvertrages verbindlich geworden. Auf-
grund des Artikel 12 des Protokolls Nr.9 zum Beitrittsvertrag Österreichs zur EU
wurde hinsichtlich der EG-Verordnung 881/92 eine Übergangsfrist bis zum 1. Jänner
1997 festgelegt. Daher waren die Beförderungen, die österreichische Transporteure
zwischen einem anderen EU-Mitgliedstaat und einem nicht EU-Staat oder Trans-
porteure eines anderen EU-Mitgliedstaates zwischen Österreich und einem Nicht-
EU-Staat durchführen, bis zum 31. Dezember 1996 in die bilateralen Kontingent-
systeme integriert. Die Frage der operativen
Vorgangsweise, ob und mit welchen
Staaten derartige Drittlandverhandlungen geführt werden, erfolgte in Koordination mit
den betreffenden Interessensvertretungen. Demnach wurden mit allen in diesem
Zusammenhang relevanten EU-Mitgliedstaaten rechtzeitig entsprechende Verhand-
lungen geführt. Darüber hinaus gehend ergab sich deshalb kein Erfordernis, da im
Hinblick auf das geringe Aufkommen diese Beförderungen problemlos mit Hilfe der
Genehmigungen aus dem multilateralen Kontingent der Europäischen Verkehrsmini-
sterkonferenz abgewickelt werden können.
Mit Deutschland wurde vorerst eine Übergangsregelung bis 31 . März 1997 verein-
bart, die es den österreichischen Frächtern ermöglichte, ihre bisherigen Drittlandbe-
förderungen auch weiterhin durchzuführen. Die endgültige Vereinbarung wurde am
21. März 1997 geschlossen. Hinkünftig können österreichische Frächter auf Basis
der Gemeinschaftslizenz und unter Beibehaltung des Prinzips der Heimatberührung
Drittlandverkehre durchführen.
2.,3.,4.,8.,9.,11. Wieviel heimische Frächter führen Drittlandtransporte
durch?
Wie hoch ist der damit erwirtschaftete Devisenanteil?
Ist die österreichische Bundesregierung an der
Aufrechterhaltung dieser österreichischen Dienstleistungen
im EU-Ausland interessiert?
Welche Möglichkeit sieht die österreichische Bundesregie-
rung, daß die österreichischen Frächter ihre laufenden Auf-
träge im Drittlandtransportgeschäft erfüllen können und
damit ihre Kundenbeziehungen nicht verlieren?
Wenn österreichische Transporteure Aufträge aufgrund
rechtlicher Bestimmungen nicht ausführen können, verlie-
ren sie nicht nur die Einnahmen aus diesem Geschäft, son-
dern auch den Kundenstock. Sie erleiden damit Schaden
durch Verdienstentgang und Schaden am Geschäftswert.
Hätte die österreichische Bundesregierung rechtzeitig Ver-
träge ausgehandelt, wären diese Schäden nicht eingetreten.
Steht die österreichische Bundesregierung für ihr Versäum-
nis gerade, können also die direkt geschädigten hei-
mischen Frächter mit
Schadenersatzzahlungen rechnen?
Werden personelle Konsequenzen aus diesem Versäumnis gezogen?
Wenn ja: Welche? Wenn nein: Warum nicht?
Antwort: -
Wie bereits ausgeführt, ist es sicherlich auch ein Anliegen der österreichischen Ver-
kehrspolitik, die Wirtschaftsbeziehungen mit den österreichischen Nachbarstaaten zu
fördern und entsprechende Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen. Dies kann
jedoch nicht in einer - wie offensichtlich von Ihnen gefordert - progressiven Kontin-
gentliberalisierung oder der Annahme verkehrspolitisch inakzeptabler Forderungen,
die unweigerlich zu dramatischen Straßengüterverkehrszunahmen führen würden,
resultieren.
An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, daß das österreichische Güterbeför-
derungsgesetz im Zusammenhang mit derartigen zwischenstaatlichen Vereinbarun-
gen die Berücksichtigung der verkehrsmäßigen und volkswirtschaftlichen Interessen
Österreichs sowie des Schutzes der Bevölkerung und Umwelt normiert. Im Sinne
dieses somit gesetzlich gebotenen Interessensausgleiches und geforderten Güter-
abwägung zwischen den berechtigten Anliegen, die Bevölkerung und die Umwelt vor
den negativen Auswirkungen prognostizierter Straßenverkehrszunahmen zu schüt-
zen und den wirtschaftlichen Interessen, müssen vielmehr auch im Bereich der Kon-
tingentpolitik (und somit auch der Drittlandverkehre) Lösungen primär im Bereich
umweltfreundlicher Verkehrsträger bzw. umweltfreundlicher Fahrzeuge gefunden
werden (zB. in Form von Belohnungsgenehmigungen für die Nutzung des Kombi-
verkehrs). Die zweistelligen Zuwachsraten im Kombinierten Verkehr in den letzten
Jahren haben zudem gezeigt, daß hierdurch echte Alternativen zum reinen Straßen-
verkehr bestehen, die es erlauben, die unterschiedlichen Interessenslagen durchaus
miteinander zu verbinden.
In diesem Lichte sind auch die in Ihrer Anfrage angeführten, durch derartige Dritt-
landfahrten, vermeintlich erwirtschafteten Devisenanteile zu beurteilen. Einerseits ist
dieses Argument insofern zu relativieren, als es hierüber keine verfügbare seriöse
Datenlage gibt, andererseits wären
derartigen Deviseneinnahmen jedenfalls die
durch den Straßengüterverkehr verursachten volkswirtschaftlichen (insbesondere
externen) Kosten gegenüberzustellen, die derzeit mangels verursachergerechter
Anlastung von der Allgemeinheit zu tragen sind.
Zusammenfassend ist daher zur Frage der Drittlandverkehre nochmals festzuhalten:
Das Bestreben des BMWV im Interesse der österreichischen Beförderer den Status
Quo im Bereich der Drittlandfahrten weitestgehend zu wahren, kann aus den darge-
legten verkehrspolitischen Erwägungen nur im Rahmen und in Übereinstimmung mit
den österreichischen verkehrspolitischen Grundsätzen erfolgen. Wie die nunmehr mit
Deutschland abgeschlossenen Gespräche gezeigt haben, konnte durch die konse-
quente österreichische Verhandlungsführung letztlich auch eine derartige Verein-
barung erzielt werden.