2465/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Martin Graf und Kollegen haben am 06. Juni

1997 unter der Nummer 25511J-NR11997 eine schriftliche parlamentarische Anfrage an

mich gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:

„1. Halten Sie es für sinnvoll, die EU-Vertretung in Warschau über den Prozeß am

Laufenden zu halten, da die Qualität der Rechtspflege ein Bestandteil des ‚acquis

communitaire‘ ist?

2. In welcher Form nimmt das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten die

Beistandspflicht des Dienstgebers gegenüber Kulturrat Legerer im weiteren Prozeß-

verlauf war?

3. Wie beurteilen Sie die Vorgangsweise des seinerzeitigen Botschaftsrates

Dr. Michael Weninger bzw. wurden Maßnahmen gegenüber dem Genannten getrof-

fen? Wenn ja, wann und welche? Wenn nein, warum nicht?

4. Halten Sie es für angebracht, daß Dr. Michael Weninger nach dessen Fehlleistung

mit Leitungsfunktionen, speziell im Östlichen Ausland betraut wurde? Wenn ja, war-

um ?

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zur Frage 1:

Nein. Abgesehen davon, daß der EU-Vertretung in Warschau ebensowenig eine In-

gerenz auf polnische Gerichtsverfahren zukommt wie der Österreichischen Botschaft in

Warschau oder einer anderen Stelle, entspricht der Umstand, daß die polnische

Rechtsordnung für zivilrechtliche Gerichtsverfahren einen mehrstufigen Instanzenzug

vorsieht und daß im betreffenden Verfahren von den Rechtsmittelmöglichkeiten durch

eine Prozeßpartei tatsächlich Gebrauch gemacht wurde, dem europäischen Standard.

Ob die Verfahrensdauer des komplexen Einzelfalles (siehe meine Ausführungen zur

Frage 3) angemessen ist, wäre gegebenenfalls nach Art. 6 der Europäischen Men-

schenrechtskonvention durch die hierfür zuständigen Straßburger Instanzen, nicht aber

durch eine diplomatische Vertretung zu beurteilen.

Zur Frage 2:

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten hat den damaligen Kulturrat

und nunmehrigen Regierungsrat Legerer ab Bekanntwerden seiner Auseinanderset-

zung mit der polnischen Vermieterin laufend unterstützt, mit allen erforderlichen Doku-

menten bzw. Unterlagen ausgestattet und ihm auch nach seiner im Sommer 1991 rou-

tinemäßig erfolgten Einberufung nach Wien über seinen Antrag jeweils die persönliche

Teilnahme an Gerichtsverhandlungen in Warschau durch Gewährung von Sonderur-

lauben ermöglicht; dies galt auch 1995/96 während seiner Dienstverwendung in Genf,

von der RR Legerer vorzeitig abberufen wurde. Insbesondere hat mein Amtsvorgänger

in einer persönlichen Unterredung den damaligen polnischen Außenminister auf diese

Angelegenheit angesprochen und um seine Unterstützung gebeten, worauf polnischer-

seits unter anderem die in der Einleitung der vorliegenden Anfrage erwähnte offizielle

Geste des Bedauerns gegenüber Regierungsrat Legerer gesetzt wurde. Weiters hat die

Dienstbehörde die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst um Gewährung des gewerkschaft-

lichen Rechtsschutzes für dieses Gerichtsverfahren ersucht sowie die Österreichische

Botschaft in Warschau beauftragt, mit dem polnischen Rechtsanwalt von Regierungsrat

Legerer laufend in Verbindung zu bleiben und in Absprache mit diesem einen ihrer Be-

diensteten als Beobachter zu einzelnen Gerichtsverhandlungen zu entsenden. Wie die

Österreichische Botschaft Warschau am 27. Juni 1997 berichtet hat, ist sie derzeit be-

müht, die vom polnischen Rechtsvertreter von Regierungsrat Legerer über Anregung

der Warschauer Prozeßvorsitzenden in Aussicht genommenen Vergleichsverhandlun-

gen mit dem Anwalt der Gegenpartei zu fördern, die tunlichst vor der für den 29. Sep-

tember 1997 anberaumten nächsten Tagsatzung vor dem zuständigen Gericht in War-

schau zu einer einvernehmlichen Regelung dieser Streitsache führen sollten.

Aufgrund einer seinerzeitigen Vorsprache von Regierungsrat Legerer beim damaligen

Volksanwalt Dr. Herbert Kohlmaier hat die Volksanwaltschaft Ende 1992 (sub GZ VA

131AA‘92 vom 22.12.1992) ein Prüfungsverfahren bezüglich der dem Vorgenannten in

dieser Angelegenheit von österreichischer Seite zuteil gewordenen Betreuung einge-

leitet und dieses nach Einsichtnahme in die relevanten Unterlagen sowie mehrfacher

mündlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage durch leitende Beamte der beteiligten

Stellen im Sommer 1993 ohne Feststellung eines Mißstandes sowie ohne Erteilung von

Empfehlungen an das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten beendet,

weshalb dieses Verfahren im Bericht der Volksanwaltschaft (1993) an den Nationalrat

nicht erwähnt wurde (siehe auch meine Ausführungen zur Frage 3).

ZurFrage3:

Gegenstand des im Jahre 1993 seitens der Volksanwaltschaft durchgeführten Prü-

fungsverfahrens war insbesondere auch die im Jahre 1991 durch die Österreichische

Botschaft in Warschau hinsichtlich der zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen

Regierungsrat Legerer und dessen polnischen Vermieterin eingeschlagene Vorgangs-

weise. Auch im Rahmen dieser Überprüfung wurde festgestellt, daß Regierungsrat Le-

gerer im Jahre 1988 über seine Warschauer Wohnung parallel zwei Mietverträge unter-

schiedlichen Inhaltes abgeschlossen hatte, wovon aber nur einer offiziell registriert

worden war. Unter Berufung auf diesen registrierten Mietvertrag hat die Vermieterin am

9. Oktober 1990 das Mietverhältnis mit Regierungsrat Legerer für gekündigt erklärt und

die Räumung ihrer Wohnung wegen behaupteten Eigenbedarfs gefordert. In der Folge

machte sie auch eine Ersatzforderung für angeblich während der Benützung ihrer

Wohnung durch die Familie Legerer eingetretene Schäden geltend.

Regierungsrat Legerer hat unter Berufung auf den zweiten, in Polen nicht offiziell regi-

strierten Mietvertrag die Zulässigkeit der Kündigung des Mietverhältnisses sowie die

Berechtigung des geforderten Schadenersatzes bestritten und die Vermieterin auf den

Rechtsweg verwiesen. Da Regierungsrat Legerer damals in Polen als Kulturrat notifi-

ziert war und deshalb diplomatische Immunität genoß1 hätte die Vermieterin ihn nicht in

Polen, sondern an seinem allgemeinen Gerichtsstand in Österreich klagen müssen;

selbst ein für sie günstiges österreichisches Gerichtsurteil wäre aber in Polen so lange

nicht vollstreckbar gewesen, so lange Regierungsrat Legerer dort dem diplomatischen

Personal angehörte.

Die Vermieterin hat am 14. Jänner 1991 eine vorübergehende Abwesenheit von Re-

gierungsrat Legerer von der Warschauer Wohnung dazu genützt, diese unter Beizie-

hung eines privaten Wachdienstes durch Aussperrung von Frau Legerer de facto räu-

men und die in dieser Wohnung befindliche Habe dieser Familie als Unterpfand für die

von ihr geforderte Schadenersatzleistung sicherstellen zu lassen. In dieser Situation

wandte sich die Familie Legerer an die Österreichische Botschaft in Warschau, deren

Missionschef beim polnischen Außenministerium und weiteren Stellen des Empfangs-

staates intervenierte sowie seinen Stellvertreter, Botschaftsrat Dr. Weninger, mit Be-

mühungen um einen Vergleich zwischen der Familie Legerer und der polnischen Ver-

mieterin betraute.

Besonders dringend war damals erforderlich, der ausgesperrten Familie Legerer die

Haushaltsführung in einer anderen Unterkunft am Dienstort zu ermöglichen, wozu ins-

besondere die von der bisherigen Vermieterin verwahrte persönliche Habe der Familie

Legerer benötigt wurde. In langwierigen Verhandlungen, an denen auch Beamte der für

die Betreuung ausländischer Diplomaten in Polen zuständigen Protokoll-Abteilung des

polnischen Außenministeriums teilgenommen haben, ist es Botschaftsrat Weninger

gelungen, die Forderung der Vermieterin auf etwa die Hälfte zu reduzieren, wofür die

Vermieterin den Abtransport des Eigentums der Familie Legerer aus ihrer Wohnung

zuließ. Hierüber wurde eine schriftliche, als Beleg für die zugleich in Aussicht genom-

mene Beschreitung des Rechtsweges in Warschau bestimmte Vereinbarung durch

Botschaftsrat Dr. Weninger ausgehandelt und am 22. Jänner 1991 - nach Rücksprache

mit der Gattin von Regierungsrat Legerer - sowohl von ihm als auch von der Vermiete-

rin unterzeichnet. Regierungsrat Legerer hat diese Vorgangsweise unter anderem da-

durch ermöglicht, daß er am 15. Jänner 1991 eine Besitzstörungsklage beim zuständi-

gen Warschauer Gericht gegen die Vermieterin eingebracht und damit (siehe Art. 32

Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBI. Nr.

66/1966) für die von der Vermieterin diesbezüglich erhobenen Widerklagen implizit auf

seine diplomatische Immunität in Polen verzichtet hatte.

Am 28. Jänner 1991 - also kurz nach Abschluß der Vermittlungstätigkeit von Bot-

schaftsrat Dr. Weninger - hat Regierungsrat Legerer im Dienstweg ein Schreiben an die

Administrative Sektion meines Ressorts gerichtet, auf dessen Seite 3 er folgendes

darlegte:

Am 22.1.(1991) wurden wir um 09.00 Uhr in der Botschaft informiert, daß ein (mit der

Vermieterin vereinbartes) Gespräch auf 09.15 Uhr vorverlegt wurde.

Nun verhandelte BR Dr. Weninger mit der Vermieterin im Beisein der zuständigen

Referentin des (polnischen) Außenministeriums. Es gelang ihm, die Erpressersumme

auf 75 Millionen Zloty zu reduzieren. Ich stand nur vor der Wahl die Summe zu bezah-

len, um in den Besitz meines Hausrates zu gelangen, oder weiter ohne Obdach zu

sein. Schließlich willigte ich in die Bezahlung ein.“

Aus der oben geschilderten Sachlage haben sowohl mein Amtsvorgänger als auch

die Volksanwaltschaft den Schluß gezogen, daß Botschaftsrat Dr. Weninger seinerzeit

im Einvernehmen mit Regierungsrat Legerer vorgegangen ist und das unter den gege-

benen Verhältnissen bestmögliche Ergebnis der ihm übertragenen Vermittlung erzielt

hat. Es waren und sind daher in dieser Hinsicht keine Maßnahmen gegen den damali-

gen Botschaftsrat Dr. Weninger zu treffen; vielmehr muß dem in den einleitenden Aus-

führungen zur vorliegenden Anfrage wiedergegebenen Vorwurf, der genannte Beamte

habe Regierungsrat „Legerer zur Zahlung eines Betrages von 85 000 AtS an die

Vermieterin genötigt“, entgegengehalten werden, daß sich Regierungsrat Legerer ge-

mäß seinem oben zitierten Schreiben vom 28. Jänner 1991 durch die damals herr-

schenden Verhältnisse zu dieser Zahlung genötigt sah, nicht aber durch das Verhalten

eines österreichischen Beamten, der über seine Dienstpflicht hinaus bemüht war, im

Rahmen der gegebenen Möglichkeiten eine Vereinbarung über die weitere Vorgangs-

weise zwischen den Streitparteien zu vermitteln.

Einziger Kritikpunkt - auch im Rahmen des 1993 durch die Volksanwaltschaft durch-

geführten Prüfungsverfahrens - war der Umstand, daß seitens der Österreichischen

Botschaft in Warschau das BMaA Anfang 1991 nicht unmittelbar nach Bekanntwerden

der Aussperrung von Regierungsrat Legerer aus der Warschauer Wohnung informiert

wurde, sondern erst einige Tage nach dem Abschluß der oben erwähnten Zahlungs-

vereinbarung. Da in diesem Zusammenhang aber der Verzicht auf die diplomatische

Immunität eines Bediensteten erfolgt war, über den das Bundesministerium für auswär-

tige Angelegenheiten unverzüglich informiert hätte werden müssen, wurden seinerzeit

der damalige österreichische Botschafter in Warschau und Botschaftsrat Dr. Weninger

seitens der Dienstbehörde ermahnt, in Hinkunft dieser Meldepflicht jeweils ohne Verzug

nachzukommen.

Zur Frage 4:

Wie sich aus meinen Ausführungen zur Frage 3 ergibt, ist der in der vorliegenden An-

frage wiedergegebene Vorwurf einer „Fehlleistung“ von Dr. Michael Weninger im Zu-

sammenhang mit dem zivilrechtlichen Streitfall von Regierungsrat Legerer in Warschau

nicht berechtigt.