2802/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2876/J-NR/1997, betreffend die Situation in der

AKH-Kinderklinik, die die Abgeordneten HAIDLMAYR, Freundinnen und Freunde am

11. Juli 1997 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

Vorerst ist festzuhalten, daß das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr zu der in

der Einleitung der Anfrage enthaltenen Darstellung der Entwicklung der Kinderheilkunde in

Österreich bezüglich des Pflegepersonals und bezüglich einer Schließung von Kinderkranken-

häusern mangels Zuständigkeit nicht Stellung nehmen kann.

1. In der AKH-Kinderklinik soll laut einem Beschluß der AKH-Leitung das Pflegeper-

sonal um ein Drittel reduziert werden. Dies führt auch dazu, daß Absolventinnen der

Kinderkrankenschwesternschule im AKH keine Arbeitsplätze finden.

Finden Sie diese Maßnahme gerechtfertigt und was werden Sie dagegen unterneh-

men?

Antwort:

Diese Frage bezieht sich auf das Pflegepersonal im AKH Wien und auf die Berufschancen für

Absolventinnen der ans AKH Wien angeschlossenen Kinderkrankenschwesternschule. Die

Bediensteten des Pflegepersonals im Wiener AKH stehen ausnahmslos in Dienstverhältnissen

zur Stadt Wien, sie unterstehen dienstrechtlich nur Organen der Stadt Wien bzw. des Wiener

Krankenanstaltenverbundes. Die Kinderkrankenschwesternschule ist keine gemeinsam mit

dem Bund betriebene Einrichtung, sondern eine Einrichtung der Stadt Wien. Dem Bund bzw.

dem Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr kommt daher keinerlei Zuständigkeit

zu, sodaß dieser Teil der Anfrage nicht beantwortet werden kann.

2. Auch auf der ärztlichen Ebene hinkt die AKH-Kinderklinik in der personellen Aus-

Stauung im internationalen Vergleich hintennach.

In einer vergleichbaren Klinik in Vancouver betreuen mehr als dreimal so viele Erz-

et knapp doppelt so viele Stationsbetten und um die Hälfte mehr ambulante Patien-

ten als in Wien. Dies hat unter anderem zur Folge, daß die Forschungstätigkeit der

Ärztinnen nur mehr in der Freizeit möglich ist.

Werden Sie sich als Wissenschaftsminister dafür einsetzen, daß sich die Kinderklinik

im AKH an internationale Standards angleicht, und welche konkrete Maßnahmen

werden Sie dafür setzen?

Antwort:

Die Klage, die Assistenzärzte an der Wiener Universitäts-Kinderklinik hätten wegen Überla-

stung durch Aufgaben im Spitalsbetrieb nicht im notwendigen oder gar wünschenswerten

Ausmaß Gelegenheit zur Forschung, ist nicht nur von den Vertretern der Kinderheilkunde,

sondern in ähnlicher Form auch von den Ärzten anderer Fachrichtungen zu hören. Diese Kla-

gen sind zumindest teilweise berechtigt. Die Ursache liegt nach den Erfahrungen des Bundes-

ministeriums für Wissenschaft und Verkehr in einer immer stärkeren Belastung der Universi-

tätskliniken mit Aufgaben der Routineversorgung.

Der von der VAMED vor einigen Jahren ermittelte Personalbedarf an Ärztestellen in den Uni-

versitätskliniken wurde an der Wiener Universitäts-Kinderklinik in einem Ausmaß abgedeckt,

das dem Abdeckungsgrad an den beiden anderen Universitäts-Kinderkliniken sowie an den für

andere Fächer eingerichteten Kliniken vergleichbar ist. Die Personalaufstockungen haben aber

nur vorübergehend den Freiraum für die Forschung erweitern können. " Vorübergehend" des-

halb, weil Personalaufstockungen in den Kliniken nach den Erfahrungen der letzten Jahre meist

nicht auf Dauer zu mehr Forschung genützt wurden, sondern die Spitalsträger veranlaßt haben,

die erweiterte Personalkapazität für eine Verlagerung und damit neuerliche quantitative Aus-

weitung der Krankenversorgung zu verwenden. Weiters haben manche Ärzte selbst den zu-

nächst etwas geringeren Leistungsdruck genützt, Nebenbeschäftigungen (z.B. Privatordinatio-

nen) aufzunehmen bzw. auszuweiten.

Die Wiener Kinderklinik wird mit Aufgaben der Patientenversorgung immer stärker belastet.

Ursachen dafür sind sowohl ein Ansteigen der Patientenanzahl in der Pädiatrie überhaupt und

eine Zunahme des Schwierigkeitsgrades der zu betreuenden Fälle - siehe insbesondere die

Organtransplantationen und die schwierigeren Operationen an Kindern im AKH, wobei der

Kinderklinik die postoperative Betreuung der Patienten obliegt - als auch eine offenbar zu

geringe Kapazität anderer Spitäler in der Kinderheilkunde.

Es ist selbstverständlich, daß die Universitäts-Kinderkliniken und die anderen Zentralkranken-

anstalten die besonders schwierigen Fälle zu betreuen haben. "Leichtere“ Routinefälle, die aber

dennoch ein stationäre oder ambulante Behandlung durch ein Spital erfordern, könnten und

sollten im Standard- oder Schwerpunktkrankenanstalten versorgt werden. Es gibt aber öster-

reichweit nur relativ wenige Krankenanstalten mit Kinderabteilungen. Die meisten Standard-

Krankenanstalten haben zwar dem Gesetz entsprechend eine Interne und eine Chirurgische

sowie oft auch eine Gynäkologische Abteilung, in der Pädiatrie begnügen Sie sich jedoch mit

einem Konsiliar-Kinderarzt. Gerade in der Pädiatrie wäre es aber wichtig, die Versorgung

dezentral durchzuführen (Kontakt zum Elternhaus usw.).

Alle drei Universitäts-Kinderkliniken in Österreich sind von der Bettenanzahl und den Patien-

tenzahlen im stationären und ambulanten Bereich her als sehr große Kliniken einzustufen, die

von Routinefällen leichteren Grades entlastet werden sollten. Dies würde aber erfordern, daß

die Bundesländer in ihren Standard- und Schwerpunkt-Krankenanstalten vermehrt Kinderabtei-

lungen führen, wodurch den Klinikärzten auch mehr Zeit für Forschung gegeben wäre.

Die Ärzte-Personalstände der Kinderkliniken deutlich aufzustocken, wäre insoferne nicht der

richtige Weg, als dann die Kliniken noch größer würden, noch schwerer zu führen und noch

stärker der Gefahr ausgesetzt wären, ihre Aufgaben in der Krankenversorgung in Richtung

Basisversorgung ausdehnen zu müssen.

Angesichts der in der Öffentlichkeit immer wieder geforderten Budget- und Stellenplan-Spar-

maßnahmen ist es dem Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr derzeit und wohl

auch in absehbarer Zeit nicht möglich, der Wiener Universitäts-Kinderklinik oder anderen

Universitätskliniken wesentlich mehr Ärzteplanstellen als bisher zuzuteilen. Im konkreten Fall

wird also der Wiener Krankenanstaltenverbund entweder selbst Ärzteplanstellen zur Abdek-

kung des Routinebetriebs zur Verfügung stellen oder aber die Belastung der Klinik mit Routi-

neaufgaben, die qualitativ gleichwertig auch von anderen Kinderspitälern bzw. Kinderabtei-

lungen anderer Krankenanstalten erfüllt werden können, reduzieren müssen.