2805/AB XX.GP

 

zur Zahl 2767/J-NR/1997

Die Abgeordneten zum Nationalrat Öllinger, Freundinnen und Freunde haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Prozeß gegen Emil Lachout, gerichtet und

folgende Fragen gestellt:

„1. Aufgrund welcher Entscheidung wurde der Beschluß auf Abbruch des Verfah-

rens durch das Landesgericht Wien 4.6.1996 aufgehoben und die neuerliche

Verhandlung vom 1.7.1997 erwirkt?

Auf welche Tatsachen stutzte sich diese Entscheidung, wenn der Gutachter

Pfolz in der Verhandlung am 1.7.1997 den am 4.6.1996 getroffenen Beschluß

inhaltlich bestätigte?

2 Wie ist es zu erklären, daß Lachout als verhandlungsunfähig eingestuft wurde,

obwohl er während des gesamten Verfahrens mehr als 12.500 Seiten Einga-

ben einbrachte und so das Verfahren nahezu 10 Jahre lang verzögerte?

3. Wie ist es zu erklären, daß Lachout für ein Strafverfahren vor den österreichi-

schen Gerichten als nicht verhandlungsfähig eingestuft wird, gleichzeitig aber

Verfahren gegen die Republik Österreich in Straßburg einleitet?

4. Stellt der Beschluß auf Abbruch des Verfahrens einen Freibrief für weitere

Leugnungen des Holocausts dar?

5. Wird, nachdem der gerichtspsychologische Gutachter eine „querulatorisch-

paranoide Einstellung“ attestierte, ein Sachwalterbestellungsverfahren einge-

leitet?

6. Welchen Erfolg hatten die im Verfahren gegen Emil Lachout gestellten Amtshil-

fegesuche an Kanada?

konnte insbesondere die Bereitschaffung des „Lachout-Dokumentes“, das dort

angeblich in einem Strafverfahren gegen Ernst Zündel vorgelegt wurde, erwirkt

werden?

7. ist/war vor der Menschenrechtskommission ein von Lachout angestrengtes

Verfahren gegen die Republik Österreich anhängig?

Wenn ja, in welchem Verhandlungsstadium befindet sich dieses?

Die Verletzung welcher Grundrechte wurde von Lachout geltend gemacht?

8. Wurde der Vorwurf Lachouts, das gegen ihn laufende Verfahren sei unverhält-

nismäßig lange, dahingehend entkräftet, daß dessen zahllose Eingaben der

Hauptgrund dafür waren?

9. Sind vor der Menschenrechtskommission weitere Verfahren zwischen der Re-

publik Österreich und verurteilter Neonazis (z.B. Honsik, Ochsenberger, Schi-

manek, Küssel) anhängig?

Wenn ja, in welchem Verfahrensstadium befinden sich diese?“

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1:

In der beim Landesgericht für Strafsachen Wien gegen Emil Lachout anhängigen

Strafsache verfügte der Vorsitzende des Geschworenengerichtes am 4. Juni 199ß -

nach Einlangen eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Heinz

Pfolz vom 9. April 1996 - die Abbrechung des Verfahrens gemäß § 412 StPO aus

dem Grunde der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten. Aus Anlaß einer dage-

gen erhobenen, auf § 15 StPO gestützten, Aufsichtsbeschwerde der Staatsanwalt-

schaft Wien hat das Oberlandesgericht Wien am 7. August 1996 den Beschluß ge-

faßt, dem Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes aufzutragen, den Angeklagten im

Sinne des § 220 Abs. 2 StPO zu vernehmen und die Hauptverhandlung vor dem

Geschworenengericht anzuordnen.

Begründet wurde dieses Vorgehen zusammengefaßt damit, daß nach Rechtskraft

der Anklage der zuständige Vorsitzende des Schwurgerichtshofes die Hauptver-

handlung anzuordnen habe. Überdies sei der Angeklagte gemäß § 220 Abs. 1 und 2

StPO zu vernehmen. An diesen Schritten könne ein bloß an Hand der Aktenlage er-

stelltes psychiatrisches Gutachten, das die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklag-

ten behaupte, nichts ändern. Der Schwurgerichtshof werde sich vielmehr in der

Hauptverhandlung selbst ein Bild von der Verhandlungsfähigkeit des zum Erschei-

nen verpflichteten Angeklagten - wohl unter Beiziehung eines Sachverständigen - zu

machen und diese unabhängig von dessen Mitwirkungsbereitschaft von Amts

wegen zu prüfen haben.

In der am 1. Juli 1997 vor dem Geschworenengericht abgeführten Hauptverhand-

lung hat der genannte Sachverständige sein schriftliches Gutachten vom 9. April

199ß aufrecht erhalten, worauf der Schwurgerichtshof einen neuerlichen Beschluß

auf Abbrechung des Verfahrens gemäß § 412 StPO wegen Verhandlungsunfähig-

keit des Angeklagten faßte.

Zu 2:

Beurteilungsgrundlage für den Sachverständigen waren die zahlreichen vom Ange-

klagten verfaßten Eingaben und Anträge, die Rückschlüsse auf dessen psychische

Verfassung zuließen.

Zu 3:

Nach Art. 25 der Europäischen Menschenrechtskonvention kann die Kommission

durch ein Gesuch „jeder natürlichen Person“ angegangen werden. Die Prozeßfähig-

keit wird von der Kommission unter dem Aspekt des besonderen Schutzzweckes

der Grund- und Menschenrechte beurteilt; nach der Praxis der Straßburger Organe

werden Beschwerden von Minderjährigen und wegen Geisteskrankheit beschränkt

geschäftsfähiger Personen in der Sache geprüft, ohne daß die Prozeßfähigkeit in

Frage gestellt wird (Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Seite 536). Die

Feststellung des Nichtvorliegens der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers

- die erst nach der Einleitung des Verfahrens nach der MRK und nach der Stellung-

nahme der Republik Österreich zur Beschwerde erfolgte - ist für die Straßburger Or-

gane nicht bindend.

Zu 4:

Im Falle weiterer Tathandlungen werden die Strafverfolgungsbehörden die Verhand-

lungsfähigkeit des Emil Lachout - wohl unter Berücksichtigung der bisherigen Begut-

achtung - neuerlich zu prüfen haben.

Zu 5:

Die Prüfung der Voraussetzungen für die Einleitung eines Sachwalterschaftsverfah-

rens obliegt dem zuständigen Sachwalterschaftsgericht im Rahmen der unabhängi-

gen Rechtsprechung. Die Staatsanwaltschaft Wien wird die Verständigung des ört-

lich zuständigen Sachwalterschaftsgerichtes beantragen.

Zu 6:

Ein Rechtshilfeersuchen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. August

1991 an Kanada, in dem um Beischaffung des im Prozeß gegen Ernst Zündel vor-

gelegten und angeblich beim Rechtsanwalt Douglas E. Christie in Vancouver befind-

lichen Originalschreibens des Militärpolizeilichen Dienstes vom 1. Oktober1948 (so-

genanntes Rundschreiben Nr.31/48) ersucht wurde, führte nicht zum Erfolg, weil

der genannte Rechtsanwalt auf eine Anfrage nicht reagierte bzw. eine Herausgabe

des Dokuments verweigerte. Die Bemühungen um Beischaffung dieses Schreibens

mußten daher im Jahre 1993 ergebnislos abgebrochen werden.

Zu 7.

Von Emil Lachout wurde bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte ein

Verfahren gegen die Republik Österreich angestrengt. In diesem Verfahren hat die

Kommission am 9. April 1997 eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 MRK wegen über-

langer Verfahrensdauer festgestellt. Die zahlreichen übrigen vom Beschwerdeführer

relevierten Beschwerdepunkte (behauptete Verletzungen der Art. 2, 3, 5 Abs. 1, 3

und 5, 6 Abs. 1, 2 und 3 lit. a und d, 7 bis 10, 13, 14 und 18 der EMRK sowie des

Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls und des Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur Menschen-

rechtskonvention) wurden hingegen für unzulässig erklärt.

Zu 8:

Von der Republik Österreich wurde im Verfahren vor der Europäischen Kommission

für Menschenrechte nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die lange Dauer des

Strafverfahrens in erster Linie auf das Verhalten des Beschwerdeführers, insbeson-

dere auf dessen zahllose Eingaben, zurückzuführen ist. Die Kommission hat dessen

ungeachtet eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 MRK festgestellt, gleichwohl sie aner-

kannte, daß der Beschwerdeführer zur Dauer des Verfahrens beigetragen hat.

Zu 9:

Vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte ist gegenwärtig auch ein

Verfahren aufgrund einer von Gerd Honsik eingebrachten Beschwerde anhängig.

Die Kommission hat die Beschwerde am 27. Februar 1997 lediglich hinsichtlich der

behaupteten Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK im Hinblick auf die Dauer des gegen

den Genannten beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängigen Strafverfah-

rens für zulässig erklärt.

Eine von Gottfried Küssel, Bruno Haas, Michael Witt und Hermann Plessl einge-

brachte Beschwerde wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte

am 12. Oktober 1989 für unzulässig erklärt.