2806/AB XX.GP
zur Zahl 2854/J-NR/1997
Die Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Walter Meischberger und Kollegen haben an
mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Erzwingung von Gesetzesänderungen
durch den „NEWS“-Herausgeber Wolfgang Fellner, gerichtet und folgende Fragen
gestellt:
"1. Ist Ihnen der (in der Anfragebegründung) dargestellte Sachverhalt bekannt?
2. Halten Sie den von Fellner getätigten Vorwurf des Gesetzesmißbrauchs über
die Gerichte für gerechtfertigt?
3. Hat Wolfgang Fellner Ihnen mitgeteilt, daß er in Zukunft bei jeder Verurteilung
Bilder von Ihnen und/oder der Richter samt entsprechender Kommentare brin-
gen werde?
4. Fühlen Sie sich durch die Ankündigungen Fellners bedroht?
5. Haben Sie diesbezüglich schon mit betroffenen Richtern gesprochen?
Wenn ja, fühlen sich diese bedroht oder in der Rechtsprechung beeinträchtigt?
6. Entspricht es den Tatsachen, daß Sie nach einer den oben angeführten Dro-
hungen entsprechenden Veröffentlichung
des Magazins „NEWS“ Wolfgang
Fellner angerufen haben und diesem eine Änderung der Gesetze zugesagt ha-
ben?
7. Ist eine Änderung der entsprechenden Gesetze geplant?
Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?
8. Ist Ihnen bekannt, mit welchen Politikern Fellner die erfolgte Nötigung bespro-
chen hat?
9. Haben Sie Anzeige gegen Wolfgang Fellner, insbesondere wegen des Ver-
dachtes der „Nötigung von Mitgliedern einer Regierung“ gemäß § 251 StGB,
erstattet?
Wenn nein, warum nicht?“
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 bis 6. 8 und 9:
Nach den aus Anlaß der Anfrage von meinem Pressesprecher angestellten Recher-
chen soll es sich bei dem der Anfrage in Kopie angeschlossenen Schreiben, auf das
sich diese Fragen beziehen, insofern um eine Fälschung handeln, als dieses Schrei-
ben (das im übrigen keine Unterschrift trägt) nicht von Wolfgang Fellner stammen
und auch kein solches Schreiben bei dem als Adressaten genannten Rechtsanwalt
Dr. Gottfried Korn eingegangen sein soll.
Im übrigen hat zu diesem Sachkomplex, nämlich zur Judikatur in Neonazi-Prozes-
sen und im besonderen zum Bildnisschutz nach dem Urheberrechtsgesetz, niemals
ein persönliches oder telefonisches Gespräch zwischen Wolfgang Fellner und mir
stattgefunden. Es entspricht daher auch insbesondere nicht den Tatsachen, daß ich
Wolfgang Fellner angerufen und ihm eine Gesetzesänderung zugesagt hätte.
Allerdings äußerte Wolfgang Fellner etwa im Februar oder März dieses Jahres in ei-
nem Telefonat mit meinem Pressesprecher Unmut über die Judikatur zum Bildnis-
schutz nach § 78 Urheberrechtsgesetz, die für sein Medienunternehmen erhebliche
finanzielle Belastungen erbracht habe. Diesen Äußerungen wurde aber seitens des
Bundesministeriums für Justiz keine Komponente in Richtung einer Drohung oder
eines Nötigungsversuchs beigemessen.
Schließlich kann nicht jede von einem Me-
dium gegenüber einem Politiker für den Fall eines bestimmten politischen Handelns
oder Unterlassens angekündigte Negativberichterstattung als strafrechtlich verpönte
Nötigung aufgefaßt werden, zumal dies zu einer empfindlichen Beschneidung des
politischen Diskurses und zu einer unvertretbaren Einschränkung der für eine freie
demokratische Gesellschaft unverzichtbaren kontrollfunktion der Medien führen
würde.
Zu 7:
Seit 1996 wurde vermehrt Kritik an einer als unterschiedlich empfundenen Handha-
bung des Bildnis- bzw. ldentitätsschutzes durch die Rechtsprechung zu § 78 des Ur-
heberrechtsgesetzes auf der einen und zu § 7a des Mediengesetzes auf der ande-
ren Seite laut und erregte den Unmut verschiedener Medien, insbesondere im Zu-
sammenhang mit der Berichterstattung über Kriminalfälle. Anläßlich einer am
18. Juni 1996 veranstalteten parlamentarischen Enquete zum Thema „Aktuelle Fra-
gen des Persönlichkeitsschutzes in der Medienberichterstattung“ habe ich zu dieser
Problematik wörtlich folgendes ausgeführt:
„Diese Enquete befaßt sich auch mit dem Verhältnis des neuen Instruments des
Persönlichkeitsschutzes nach § 7a Mediengesetz zum Bildnisschutz nach § 78 Ur-
heberrechtsgesetz. Tatsächlich halte ich es für unbefriedigend, daß die von ihrer
Anlage und Zielsetzung her sehr ähnlich gelagerten Regelungen in der Judikatur der
Straf- und Zivilgerichte gelegentlich zu voneinander abweichenden Ergebnissen füh-
ren. Ich stimme Univ.-Prof. Dr. Berka zu, der anläßlich des diesjährigen Fortbil-
dungsseminars für Richter und Staatsanwälte in Ottenstein meinte, daß der Gesetz-
geber mit den §§ 7a und 7b MedienG versucht habe, einigermaßen klare Markierun-
gen in ein umstrittenes Rechtsgebiet zu setzen, die von der Rechtsprechung beach-
tet werden sollten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen zivilrechtlichen
Abwehranspruch, einen Entschädigungsanspruch nach dem MedienG oder um ein
strafrechtliches Verbot handle.
Die Mediengesetznovelle wollte den Persönlichkeitsschutz unter Beachtung der
durch Artikel 10 MRK und Artikel 13 StGG gewährten Freiheit der Mitteilung von
Nachrichten und der Meinungsäußerung dort verschärfen, wo die Regelung des
§ 78 UrheberrechtsG allein zu wenig Schutz bot. Selbstverständlich ist auch diese
Bestimmung MRK-konform auszulegen, sodaß
im überlappenden Anwendungsbe-
reich dieser Bestimmungen die gleichen Wertungsgrundsätze und Beurteilungsmaß-
stäbe zur Anwendung kommen und ein einheitliches Schutzniveau gewährleistet ist
- nicht mehr, freilich auch nicht weniger.
Was die künftige Weiterentwicklung des rechtlichen Instrumentariums des Persön-
lichkeitsschutzes anlangt, so halte ich neue Ansätze im Zivilrecht zur Vereinheitli-
chung dieses derzeit zwischen Medienrecht, Urheberrechtsgesetz und ABGB aufge-
splitterten Rechtsbereiches für grundsätzlich überlegenswert. Bevor wir aber daran
denken, eine solche Vereinheitlichung auf dem Weg der Gesetzgebung zu „verord-
nen,‘, erscheint es mir sinnvoll, die höchstgerichtlichen Entscheidungen der näch-
sten zwei bis drei Jahre zu analysieren, die im Hinblick und mit dem Hinweis auf die
Einheit der Rechtsordnung in zentralen Punkten bereits die notwendige Klarheit
schaffen könnten.“
An meiner Haltung zu dieser Frage hat sich seither nichts geändert. Nach wie vor
bin ich insbesondere auch der Auffassung, daß einer harmonisierenden Entwicklung
der Judikatur Priorität vor allfälligen gesetzlichen Eingriffen eingeräumt werden soll-
te. Eine gewisse, in einzelnen höchstgerichtlichen Entscheidungen meines Erach-
tens zu beobachtende Annäherung der Rechtsprechung zu § 78 Urheberrechtsge-
setz an die Wertungsmaßstäbe des § 7a Mediengesetz verdient in diesem Zusam-
menhang positive Beachtung. Daß in den rechtsdogmatischen Meinungsstand zur
angesprochenen Problematik Bewegung geraten ist, zeigt beispielsweise auch die
kritische Beurteilung, die eine der oberstgerichtlichen Entscheidungen, die die hier
angesprochene rechtspolitische Diskussion ausgelöst hatten, aber auch die ange-
sprochene Judikatur im allgemeinen durch Pfersmann in seiner vielbeachteten Bei-
tragsserie „Bemerkenswertes aus der SZ“ in der „Österreichischen Juristen-Zeitung“
erfuhren (ÖJZ 1997, 53 [[58 f.]). Vorerst bleibt also abzuwarten, welche Früchte die-
se auf verschiedenen Ebenen geführte Diskussion in der gerichtlichen Praxis zeitigt.
Das Bundesministerium für Justiz leistet zu diesen Entwicklungen vor allem durch
die Unterstützung von Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für einschlä-
gig befaßte Richter, wie etwa dem demnächst bald Wieder stattfindenden Medien-
rechtsseminar (zu dem im Hinblick auf die aktuelle Frage einer Abstimmung der Ju-
dikatur auch im Bereich des Urheberrechts
tätige Richter eingeladen werden), aber
auch durch die Teilnahme an und die Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten zu
dieser Thematik einen wichtigen Beitrag.