3081/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten Bauer, Dr. Moser, Gatterer, Steibl, Horngacher und Kollegen

haben am 12. November 1997 an mich eine schriftliche Anfrage mit der Nr. 3308/J

betreffend das ,,Familientransfermodell des Liberalen Forum" gerichtet.

Auf die aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene

Anfrage beehre ich mich, folgendes mitzuteilen:

Zu 1.:

Das österreichische System des Familienlastenausgleichs sieht als Beitrag des

Staates zur Bestreitung der Unterhaltslasten diverse Geld- und Sachleistungen vor,

die den Eltern unabhängig von ihrem individuellen Einkommen gewährt werden.

Darin kommt das Prinzip des horizontalen Lastenausgleichs zum Ausdruck, das sich

in der teilweisen Abgeltung der, in der Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren

Kindern begründeten finanziellen Belastungen bewährt hat. Der Grundsatz des

horizontalen Lastenausgleichs folgt Vorstellungen sozialer Gerechtigkeit, da die

Familien - und zwar alle - für die Allgemeinheit gesellschaftsrelevante Leistungen

erbringen, gleichzeitig aber im Rahmen des Generationsvertrages als Beitragszahler

und durch das Aufziehen ihrer Kinder in doppelter Hinsicht belastet sind. Eine

zeitgemäße Sicht gesellschaftlicher Solidarität kann nicht nur die Dimension „arm

und reich“ anerkennen, sondern muß auch auf das Erfüllen von Unterhaltspflichten

gegenüber Kindern abstellen. Damit ist die Familienbeihilfe auch ein Teil des

Generationenvertrages.

Zentrale Leistung des Familienlastenausgleichs ist die Familienbeihilfe, die einen

Teil der Unterhaltslasten abdecken soll. Einen Anspruch auf Familienbeihilfe erst

dann zu begründen, wenn das Einkommen der Eltern nicht ausreicht, das

Existenzminimum eines Kindes zu decken, würde jedoch dem Prinzip des

horizontalen Lastenausgleichs, allen Familien unabhängig von ihrer

Einkommenssituation dieselbe staatliche Unterstützung zu gewähren,

widersprechen.

Gleichzeitig hat der horizontale Familienlastenausgleich aber auch starke soziale

Umverteilungseffekte was von allen Untersuchungen zur Verteilungswirksamkeit

familienpolitischer Maßnahmen bestätigt wird. So darf darauf verwiesen werden, daß

der Effekt einer einkommensmäßigen Staffelung der Familienbeihilfe im Sinne einer

progressiven Umverteilung bereits durch die Finanzierung des Familienlasten—

ausgleichsfonds gegeben ist: Demnach erhalten das untere und das mittlere

Einkommensdrittel wesentlich mehr an Leistungen aus dem Fonds (18,6% bzw.

380/o) als sie zu dessen Aufkommen beitragen (5,6% bzw. 25,7%) während nur das

obere Einkommensdrittel mit 42,7% der Leistungen und 69,70/0 Finanzierungsanteil

am Fonds Nettozahler ist (Quelle: Wifo-Studie „Umverteilung durch öffentliche

Haushalte, Kap. 5.1: Familienförderung“, Wien 1996).

Angesichts der zentralen Bedeutung, die das horizontale Umverteilungsprinzip auch

in der Beurteilung der steuerlichen Berücksichtigung der Unterhaltslasten (Vergleich

von Steuerpflichtigen mit und ohne Unterhaltspflichten derselben Einkommensstufe)

hat, würde eine einkommensabhängige Gewährung der Familienbeihilfe außerdem

gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstoßen. Dies hat das jüngste

Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Familienbesteuerung aufgezeigt. Ein

Wegfall der Familienbeihilfe würde die betroffenen Eltern erst recht in die Lage

versetzen, eine höhere steuerliche Berücksichtigung ihrer Unterhaltsleistungen

einzuklagen.

Es ist im österreichischen System der Individualbesteuerung das keine Erfassung

des Familieneinkommens (und damit die Berücksichtigung der zu versorgenden

Personen pro Haushalt) kennt, auch äußerst fragwürdig, ab welchem Einkommen

ein Haushalt als „reich“ zu gelten hat. Bei einer Beschränkung der Familienbeihilfe

auf bedürftige Eltern würde diese jedenfalls den Charakter einer Sozialhilfeleistung

bekommen, was der Aufgabe einer eigenständigen Familienpolitik gleichkäme.

Zu 2.:

Eine einkommensabhängige Staffelung der Familienbeihilfe hätte gravierende

Auswirkungen auf die Familien in den mittleren Einkommensgruppen („Mittelstand“)

da diese vom Einziehen von Einkommensgrenzen besonders betroffen wären.

Angesichts der Tatsache, daß in diesen Einkommensgruppen die meisten Kinder

leben, wäre eine solche Maßnahme im Grunde eine Politik gegen die Mehrheit der in

Österreich lebenden Kinder.

Außerdem wären durch eine Staffelung der Familienbeihilfe auch die vielen in diesen

Einkommensgruppen lebenden Alleinverdiener-Familien betroffen, die mit einem

Einkommen mehrere Personen ihres Haushalts versorgen müssen. Dabei sind

Alleinverdiener bereits jetzt gegenüber Doppelverdienern mit insgesamt demselben

Einkommen steuerlich mit rund einem Monatslohn jährlich mehr belastet.

Es darf bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden, daß es in Österreich rund

650.000 Bezieher des Alleinverdiener-Absetzbetrages gibt, die eigentlich eine

gerechtere steuerliche Behandlung erwarten dürfen.

Schließlich soll auch das administrative Problem einer Staffelung der

Familientransfers nach dem Einkommen angesprochen werden. In einem System,

das keine Erfassung der Familieneinkommen kennt, würde die Konzentration auf ein

einziges Einkommen zwangsläufig zu Einkommensverschleierung insbesondere

bei unverheirateten bzw. getrennt lebenden Eltern, führen.

So sieht das Modell des Liberalen Forums vor, daß bei den Alleinerzieher/inne/n in

jedem Fall davon ausgegangen wird, daß es keine Person gibt, die zur Zahlung von

Alimenten verpflichtet ist. Auch die Unterhaltsvorschußleistungen der öffentlichen

Hand in der Höhe von rd. öS 900 Mio. jährlich bleiben hier völlig unberücksichtigt.

Dadurch kommt es bei diesen Familienkonstellationen, und zwar unabhängig von

der tatsächlichen ökonomischen Situation, zu sehr hohen Transferzahlungen. Eine

Debatte über den Mißbrauch der Familientransfers wäre die Folge.

Zu 3.:

Das Familientransfermodell des Liberalen Forums würde eine Abkehr der in

Österreich bewährten Familienpolitik mit dem Grundsatz der horizontalen

Umverteilung bedeuten und Familienpolitik zur reinen Sozialpolitik zurückstufen.

Eine Staffelung der Familienbeihilfe nach dem Einkommen ist außerdem mit dem

System der Individualbesteuerung, das politisch weitgehend unumstritten ist,

unvereinbar. Das horizontal wirkende System der Umverteilung von den kinderlosen

Haushalten zu den Haushalten mit Kindern, das sicherlich sozial gerecht ist, würde

mit diesem Transfermodell zugunsten einer Umverteilung innerhalb der Familien

aufgegeben.

Aus den Fallstudien des Liberalen Forums zu ihrem Modell läßt sich entnehmen, daß

beispielsweise eine Familie mit zwei Kindern (16 und 8 Jahre alt), wobei ein Partner

ein Einkommen von öS 10.000,-- und der zweite Partner ein Einkommen von

öS 25.000,-- hat, anstelle der bisher gewährten öS 44.700,-- an Familienbeihilfe und

Kinderabsetzbetrag nur mehr öS 2.400,-- an Transferleistungen im Jahr erhalten

würde. Würde nur eine Person in dieser Familie ein Einkommen von öS 35.000,--

erzielen, würde jegliche Transferleistung entfallen.

Auf diese Weise würden den Familien in ihrer Gesamtheit nach den Vorstellungen

des Liberalen Forums mehr als 10 Mrd. Schilling gegenüber dem Status quo

entzogen werden, was angesichts steigender finanzieller Belastungen für alle

Familien und der zunehmenden Familienarmut ein vollkommen falsches Signal wäre.