3159/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Monika Langthaler, Freundinnen und Freun-
de haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Berger-Deponie und Umwelt-
strafrecht sowie Umwelthaftungsrecht, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
"1. Angesichts der Anzeigepflicht der Beamt/inn/en nach § 84 StPO und des vor-
liegenden Rechnungshofberichts in der Causa Berger-Deponie: Wurden straf-
rechtliche Untersuchungen gegen die handelnden Privatpersonen bzw. gegen
Amtsorgane eingeleitet und mit welchem Ergebnis endeten diese Verfahren,
insbesondere kam es zu einer strafrechtlichen Verurteilung der Altlastverursa-
cherin bzw. der nichteinschreitenden Beamt/inn/en?
2. Nachdem die Fischer-Deponie auf sehr ähnliche Weise zu einer Altlast mit ver-
heerenden Folgen (ökologischer und finanzieller Natur) geworden ist, über die
vor Jahren eingeleiteten Strafverfahren in den Zeitungen vielfach berichtet wur-
de, jedoch der endgültige Ausgang der Verfahren nicht ausreichend publik ge-
macht wurde: Welche Freiheits- oder Geldstrafen wurden für a) die illegale De-
ponierung in der Fischer-Deponie und b) das Nichteinschreiten oder rechtswid-
rige Tun der Behörden nach welcher Bestimmung des StGB rechtskräftig ver-
hängt?
3. Sowohl bei der Fischer-Deponie als auch bei der Berger-Deponie geht die
Wasserbeeinträchtigung teils auf verwaltungsbehördlich rechtswidriges, teils
auf erlaubtes Tun zurück, das geltende Umweltstrafrecht greift also aufgrund
seiner Verwaltungsakzessorietät jedenfalls zu kurz. Aber auch der/die Beam-
te/in, der/die das umweltschädigende Tun erlaubt, ist strafrechtlich nur schwer
zu greifen, da der Amtsmißbrauchstatbestand eine vorsätzliche Schadenszufü-
gung voraussetzt.
a) Wäre es daher nicht höchst an der Zeit, zumindest das Prinzip der Verwal-
tungsakzessorietät zu relativieren und im Sinne des Vorschlags von
Univ.-Prof. Wegscheider im Fall einer konkreten Gefahr für die Umwelt eine
autonome Beurteilung durch die Strafgerichte zu ermöglichen (siehe Journal
für Rechtspolitik 1994, Heft 1, S 59 f) sowie die Amtshaftung auf jene Fälle
auszudehnen, wo eine Schädigung der Umwelt fahrlässig in Kauf genom-
men wird (Erteilung einer Genehmigung trotz negativem SV-Gutachten)?
b) Aus welchen Gründen führten die Strafverfahren in den Causen Fischer-De-
ponie und Berger-Deponie allenfalls zu keiner Verurteilung, war insbesonde-
re eine Berufung auf erteilte Genehmigungen erfolgreich?
4. Die Sicherung und Behebung der Fischer- und der Berger-Deponie kostet der
öffentlichen Hand und damit dem/der Steuerzahler/in Milliarden Schillinge. Wie
man hört, wird ein Regreß bei den Verursacher/inne/n mangels Zahlungsfähig-
keit ohne Erfolg sein. Eingedenk solcher Konstellationen sah der grüne Entwurf
für ein Umweltschädenhaftungs-Gesetz eine Pflichtversicherung für umwelterhebli-
che Betriebsanlagen vor, im Ministerialentwurf für ein Umwelthaftungsgesetz
war zumindest eine Deckungsvorsorge vorgeschrieben. Seit dem Vollbeitritt
zur EU scheint dieses Gesetzesvorhaben jedoch auf Eis gelegt zu sein. Wie
die erwähnten Einzelfälle zeigen, besteht jedoch nach wie vor ein akuter Hand-
lungsbedarf: Wie weit sind die Bemühungen des Justizressorts um ein Umwelt-
haftungsgesetz auf nationaler und EU-Ebene gediehen und umfassen sie eine
verpflichtende Deckungsvorsorge oder eine Pflichtversicherung für Umwelt-
schäden?“
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 und 3b:
Im Zusammenhang mit dem Betrieb der „Berger-Deponie“ war erstmals im Jahr
1988 ein Strafverfahren gegen unbekannte Täter wegen des Verdachts der Beein-
trächtigung der Umwelt nach den §§ 180 f. StGB anhängig. Die von der Staatsan-
waltschaft Wiener Neustadt dazu veranlaßten sicherheitsbehördlichen Erhebungen
kamen zum Ergebnis, daß der Betrieb der Deponie im Rahmen der rechtskräftigen
Bescheide der Gewerbe- und Wasserrechtsbehörde erfolge; die auflagengemäß
jährlich zu ziehenden Wasserproben hätten keine Beanstandung erbracht. Die An-
zeige wurde daher am 6.9.1988 gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt. Ein sodann
im Jahr 1991 gegen Helene B. eingeleitetes Strafverfahren wegen des Verdachts
der vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach § 180 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB
endete am 9.7.1992 ebenfalls mit einer Einstellung gemäß § 90 Abs. 1 StPO, weil
das dazu eingeholte Gutachten eine Gefährdung im Sinn des § 180 StGB verneinte.
Im Zuge der derzeit durchgeführten Räumung der „Berger-Deponie“ wurden zahlrei-
che Fässer aufgefunden, von denen zumindest teilweise eine Gefährdung der Ge-
wässer oder des Bodens ausgehen könnte. Aus diesem Grund erstattete die Be-
zirkshauptmannschaft Wiener Neustadt am 3.10.1997 Anzeige gegen die Deponie-
betreiberin Helene B.. Die zu dieser Anzeige in die Wege geleiteten
sicherheitsbehördlichen Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen.
Nach den aus Anlaß der Anfrage eingeholten Berichten der Staatsanwaltschaft Wie-
ner Neustadt und der Staatsanwaltschaft Wien waren gegen andere Personen, ins-
besondere Amtsorgane, im Zusammenhang mit der „Berger-Deponie11 keine Straf-
verfahren anhängig.
Zu2und3b:
Wegen des Betriebs der sogenannten „Fischer—Deponie“ war beim Kreisgericht Wie-
ner Neustadt gegen Dkfm. Josef F. und Ing. Hugo M. ein Strafverfahren anhängig,
das im zweiten Rechtsgang am 18.3.1991 in
erster Instanz mit Freispruch gemäß
§ 259 Z 3 StPO endete. Gegen diesen Freispruch erhob die Staatsanwaltschaft
Wiener Neustadt Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld. Das Oberlandesgericht
Wien gab dieser Berufung nach teilweiser Beweiswiederholung mit Urteil vom
29.6.1992 teilweise Folge: Ing. Hugo M. wurde wegen des Vergehens der versuch-
ten vorsätzlichen Beeinträchtigung der Umwelt nach den §§ 15,180 Abs. 1 Z 1
StGB unter der Annahme eines Tatzeitraums vom 22.10.1977 bis Februar 1979
schuldig erkannt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Mona-
ten verurteilt. Der Freispruch hinsichtlich Dkfm. Josef F. wurde bestätigt. Das Ober-
landesgericht Wien ging dabei davon aus, daß Ing. Hugo M. zwar bedingter Vorsatz
vorzuwerfen sei, daß jedoch nicht nachgewiesen werden könne, daß gerade die im
Tatzeitraum abgelagerten Fässer bereits zu einer Verunreinigung des Grundwas-
sers durch Austritt des darin befindlichen Destillationsrückstands geführt hätten. Bei
dieser Sachlage erfolgte daher ein Schuldspruch wegen des Versuchs der Straftat.
Dkfm. Josef F. hingegen konnte auch nach den Feststellungen des Oberlandesge-
richts Wien (bedingter) Vorsatz nicht nachgewiesen werden, sodaß in Ansehung sei-
ner Person die Strafbarkeit wegen Versuchs einer Vorsatztat ausschied. Mangels
Nachweises eines strafrechtlich relevanten Erfolgs im Tatzeitraum konnte er auch
für fahrlässiges Verhalten nicht haftbar gemacht werden.
Im Zusammenhang mit dem Komplex „Mitterndorfer Senke“3 insbesondere auch we-
gen des Betriebs der "Fischer-Deponie“, führte die Staatsanwaltschaft Wiener Neu-
stadt Verfahren gegen damit befaßte Politiker und Bezirkshauptleute wegen Beteili-
gung an der Beeinträchtigung der Umwelt nach den §§ 12,180 f. StGB sowie des
Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. Ein straf-
rechtlich relevantes Fehlverhalten, insbesondere die Unterlassung rechtlich gebote-
ner Maßnahmen, konnte keinem der Angezeigten nachgewiesen werden, sodaß die
Strafverfahren in den Jahren 1990 und 1991 mit Zurücklegung der Anzeige oder
durch Einstellung endeten.
Eine weitere gegen Beamte der Wasserrechtsbehörde des Landes Niederösterreich
erstattete Strafanzeige des in der Strafsache gegen Ing. Hugo M. und Dkfm. Josef
F. tätig gewordenen Einzelrichters des Landesgerichts Wiener Neustadt insbeson-
dere wegen des Verdachts der Erlassung
rechtswidriger Bescheide bzw. deren nicht
rechtzeitigen Widerrufs wurde von der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft Wien
geprüft. Nach der Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen, durch die der Tatver-
dacht nicht erhärtet werden konnte, gab die Staatsanwaltschaft Wien am 8.1.1993
die Einstellungserklärung nach § 90 Abs. 1 StPO ab.
Zu 3a:
Mit Ausnahme des § 182 Abs. 1 StGB (Andere Gefährdungen des Tier- oder Pflan-
zenbestandes) sind alle ausdrücklich umweltstrafrechtlichen Bestimmungen des
StGB verwaltungsakzessorisch konzipiert. Das bedeutet, daß die dort beschriebe-
nen verunreinigenden, beeinträchtigenden oder gefährdenden Handlungen nur
dann tatbildlich sind, wenn sie entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördli-
chen Auftrag gesetzt werden. Die gerichtliche Strafbarkeit kommt daher nur dann in
Betracht, wenn die Verletzung bzw. Gefährdung des Rechtsgutes auf einem Verstoß
gegen eine Verwaltungsrechtsvorschrift (seit dem EU-Beitritt auch gegen unmittel-
bar anwendbares EU-Recht) oder gegen eine bestehende behördliche Bewilligung
beruht.
Die akzessorische Bindung des Umweltstrafrechts an das Verwaltungsrecht wird -
soweit überschaubar - im grundsätzlichen auch von der Lehre einhellig befürwortet
(so etwa Wegscheider, JRP 1994, 55; RdU 1997, 55; Helm, WBI 1989, 301; JBI
1991, 689; Schwaighofer, ÖJZ 1994, 226; Seiler, JBI 1989,758; Triffterer, ÖJZ 1991
(802; u.a.). Zum Teil wird jedoch Kritik an der „Verabsolutierung“ dieses Prinzips ge-
übt.
Die strenge Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts scheint mir jedoch -
anders als etwa bei umweltrelevanten Bestimmungen des Zivilrechts - aus mehre-
ren Gründen unverzichtbar. Um im Sinn der Rechtssicherheit unvertretbare Wider-
sprüche zwischen behördlichen Entscheidungen zu verhindern, soll ein Verhalten,
das nach den Verwaltungsgesetzen rechtmäßig und damit erlaubt ist, nicht gericht-
lich strafbar sein. Der einzelne muß sich darauf verlassen können, daß sein Han-
deln im Rahmen einer ihm erteilten Genehmigung und unter Beachtung der ein-
schlägigen Rechtsvorschriften nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führen
kann.
Für das einzelne Strafverfahren würde ein Wegfall der Akzessorietät bedeuten, daß
das Gericht bei der Prüfung der Sorgfaltswidrigkeit zusätzlich auch alle umweltbezo-
genen Fragen zu erörtern und zu klären hätte, die bereits Gegenstand des verwal—
tungsbehördlichen Genehmigungsverfahrens waren oder die ein denkbares, von der
verwaltungsrechtsordnung nicht erfaßtes Gefährdungspotential betreffen. Dies wür-
de eine Überforderung der Strafgerichte mit sich bringen und die schon jetzt häufig
sehr komplizierten, oft von umfangreichen Sachverständigengutachten geprägten
Umweltstrafverfahren noch weiter in die Länge ziehen.
Eine Relativierung der Verwaltungsakzessorietät wird vor allem für Fallkonstellatio-
nen gefordert, in denen sich Betreiber in ihrer Tätigkeit trotz drohender Gesund-
heitsgefahr auf die ihnen erteilten Genehmigungen stützen und sich damit abfinden,
daß Menschen durch ihre Tätigkeit gesundheitlich beeinträchtigt werden können.
Diese Personen sollten nach den angesprochenen Forderungen den Vertrauens-
schutz des Rechts nicht für sich reklamieren können. Eine solche Einschränkung
der Verwaltungsakzessorietät ist jedoch meines Erachtens nicht erforderlich, weil
dann, wenn Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit eines Menschen bzw.
einer größeren Zahl von Menschen durch Umweltverschmutzung konkret gefährdet
oder verletzt werden, ohnehin andere strafrechtliche Bestimmungen eingreifen, die
nicht Verwaltungsakzessorisch sind, nämlich die Körperverletzungsdelikte nach den
§§ 83 ff. und 88 StGB sowie die konkreten Gefährdungsdelikte nach den §§ 89,
176 f. StGB.
Probleme im Zusammenhang mit der verwaltungsakzessorietät könnten sich ledig-
lich in Bereichen ergeben, für die gar keine Verwaltungsvorschriften existieren. An-
gesichts der Regelungsdichte im Umweltverwaltungsrecht sind jedoch solche Lük-
ken nur mehr in Einzelfällen denkbar.
Ein Rückgriff auf generell-abstrakte Normen trotz bescheidkonformen Handelns ist
im übrigen dann strafrechtlich nicht ausgeschlossen, wenn ein solcher Verwaltungs-
akt auf falschen Angaben der Partei beruht oder etwa durch Bestechung zustande
gekommen ist.
Die ebenfalls angesprochene Frage der Amtshaftung fällt in die Zuständigkeit des
Herrn Bundeskanzlers. Im übrigen sei aber
darauf hingewiesen, daß bei Vorliegen
aller übrigen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs, also bei rechtswidri-
ger Verursachung eines ersatzfähigen Schadens in Vollziehung der Gesetze durch
ein Organ im Sinn des Amtshaftungsgesetzes, schon nach geltendem Amtshaf-
tungsrecht eine Haftung auch für bloß fahrlässiges Verhalten besteht.
Zu 4:
Der im Jahr 1993 vom Bundesministerium für Justiz erstellte Entwurf eines Umwelt-
haftungsgesetzes, der auch Bestimmungen für eine verpflichtende Deckungsvorsor-
ge enthielt, wurde der Bundesregierung nicht zur Beschlußfassung vorgelegt, weil
es im Hinblick auf die damals gerade angelaufenen Regelungsbestrebungen der
Europäischen Union auf diesem Bereich für zweckmäßiger erachtet wurde, das Er-
gebnis der Überlegungen auf Gemeinschaftsebene abzuwarten.
Die Arbeiten der Europäischen Union zu diesem Thema sind noch nicht abgeschlos-
sen. Im Rahmen eines vor kurzem durchgeführten Expertentreffens kündigte die
Kommission der Europäischen Gemeinschaften für das Frühjahr 1998 die Vorlage
eines Weißbuchs zur Umwelthaftung an. Ob darin die Frage einer verpflichtenden
Deckungsvorsorge und im besonderen einer Versicherungspflicht behandelt werden
wird, ist nicht gewiß, doch dürfte dies zu erwarten sein. Die Beratungen über das
Weißbuch könnten während der österreichischen EU-Präsidentschaft im zweiten
Halbjahr 1998 beginnen.