3227/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Ing. Nußbaumer, Mag. Stadler und Kollegen
haben am 21. Oktober 1997 unter der Nr. 31491J an mich eine schriftliche par-
lamentarische Anfrage betreffend Verschiebung des Beginns der dritten Stufe
der Wirtschafts- und Währungsunion gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
„1. Stellt Ihrer Auffassung nach eine allfällige Verschiebung des Beginns der
dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion eine politische Option
für die österreichische Bundesregierung dar?
Wenn nein, warum nicht?
2. Teilen Sie die Auffassung von Bundesbankpräsident Tietmeyer, daß „im
Falle einer Verschiebung der Währungsunion weder die Wirtschaft aus
den Fugen geraten noch der Himmel über Europa einstürzen würde“?
Wenn nein, aus welchen konkreten Gründen nicht?
3. Wie beurteilen Sie den Vorschlag von Sachsens Ministerpräsident Bie-
denkopf einer fünfjährigen Testphase“ in der es innerhalb der EU zwar
feste Wechselkurse, aber noch keinen Euro geben soll, um in dieser Zeit
die nachhaltige Erfüllung und Einhaltung der Konvergenzkriterien durch
die Mitgliedstaaten zu prüfen und dadurch die Unsicherheiten und Risiken
einer überhasteten Euro-Einführung
zu minimieren?
4. Teilen Sie die im Maastricht-Urteil vertretene Auffassung des deutschen
Bundesverfassungsgerichts, daß der Zeitpunkt für den Eintritt in die dritte
Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (spätestens 1999) „eher als
Zielvorgabe, denn als rechtlich durchsetzbares Datum“ zu qualifizieren
ist?
Wenn nein, warum nicht?
5. Besteht Ihrer Auffassung nach die Möglichkeit einer Verschiebung des
Beginns der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, ohne den
EGV zu verletzen?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?
6. Teilen Sie die Auffassung von Premierminister Juncker, wonach „der
Wortlaut des Vertrages es erlaubt, bis Ende dieses Jahres einen anderen
Termin festzulegen als den 1. Jänner 1999“?
Wenn nein, warum nicht?
7. Wie ist Ihrer Auffassung nach Art. 109j Abs. 4 Satz 1 EGV auszulegen?“
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Für eine Verschiebung der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion
gibt es nur fünf Monate vor der Entscheidung über die teilnehmenden Mitglied-
staaten der EU keine objektiven Grundlagen. Ich halte es für politisch und öko-
nomisch unverantwortlich, die österreichischen Unternehmen, die Haushalte
und die Verwaltung, die sich bereits intensiv auf den Eintritt in die dritte Stufe
per 1999 vorbereiten, durch unbegründetes Zaudern zu verunsichern und damit
die Eintrittsvoraussetzungen Österreichs zu verschlechtern.
Zu Frage 2:
Mein Verständnis von Politik ist nicht, daß ich den Status quo konservieren
möchte, sondern daß ich Rahmenbedingungen für mehr Wohlstand und mehr
Beschäftigung in diesem Land schaffe.
Dazu brauchen wir offensive Konzepte,
wozu ich auch die Einführung der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungs-
union zähle.
Zu Frage 3:
Die Überwachung der konvergenzkriterien wird auch jetzt schon ständig von
den zuständigen Gremien der Union durchgeführt. Dieses Verfahren wurde erst
in diesem Sommer weiter verfeinert. So liegen schon jetzt für die
Mitgliedstaaten detaillierte Programme bis zum Jahr 2000 vor.
Zu Frage 4:
Das deutsche Bundesverfassungsgericht betont in seinem Maastricht-Urteil das
tatsächliche Vorliegen der Konvergenz im Sinne des Art. 1 09j Abs. 1 EGV als
Voraussetzung für den Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion und geht
von einer strikten Interpretation der einschlägigen Bestimmungen des EGV
(insbesondere Art. 109j Abs. 1 und 2) in Verbindung mit Art. 6 des Protokolls
über die Konvergenzkriterien aus mit dem Ziel, eine Aufweichung der Stabil-
tätskriterien ohne neuerliche Zustimmung des Deutschen Bundestages - das
heißt ohne Vertragsänderung - zu vermeiden.
Wenngleich das deutsche Bundesverfassungsgericht den Zeitpunkt für den
Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion in diesem Zu-
sammenhang eher als Zielvorgabe denn als rechtlich durchsetzbares Datum
bezeichnet hat, ist davon auszugehen, daß der Termin 1. Jänner 1999 zwi-
schen den Vertragsparteien im EG-Vertrag vertraglich vereinbart wurde und die
Mitgliedstaaten europarechtlich das ernsthafte Bemühen schulden, dieses ver-
traglich genannte Datum zu erreichen.
Zu Frage 5:
Art. 109j Abs. 4 EGV sieht vor, daß für den Fall, daß der Zeitpunkt für den
Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion bis spätestens
Ende 1997 nicht festgelegt worden ist, die dritte Stufe der Wirtschafts— und
Währungsunion jedenfalls am 1. Jänner 1999 beginnt.
Ziel dieser Norm war es, einen bestimmten Terminplan zum Eintritt in die dritte
Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion zu verankern. Es ist daher davon
auszugehen, daß der Rat nicht frei ist, den Eintritt in die dritte Stufe gänzlich -
und sei es durch Unterlassung entsprechender Beschlüsse - „abzusagen“.
Wäre dies gewünscht gewesen, hätte es hiefür einer Vertragsänderung bedurft.
Zu den Fragen 6 und 7:
Der EGV sieht in Art. 109j Abs. 3 für den Beginn der dritten Stufe der Wirt-
schafts- und Währungsunion vor, daß der Rat in der Zusammensetzung der
Staats- und Regierungschefs bis 31. Dezember1996 feststellt, ob die Mehrheit
der Mitgliedstaaten die Voraussetzungen hiezu erfüllt, ob der Eintritt in die dritte
Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion zweckmäßig ist, und wenn ja, zu
welchem Zeitpunkt die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion be-
ginnt. Der Europäische Rat in der Zusammensetzung der Staats- und Regie-
rungschefs hat hiezu in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 1996 (Nr.96!
736/EG, Abl. 335/96 festgestellt, daß die Voraussetzungen für die Einführung
der einheitlichen Währung zu diesem Zeitpunkt nicht von einer Mehrheit der
Mitgliedstaaten erfüllt werden. Daher werde die Gemeinschaft 1997 nicht in die
dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion eintreten und das Verfahren
nach Art. 109j Abs. 4 EGV zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Jahr 1998 ange-
wandt werden.
Vor dem Hintergrund des Wortlautes dieser Entscheidung sowie des Art. 109j
Abs. 4 EGV ist davon auszugehen, daß die dritte Stufe der Wirtschafts- und
Währungsunion nach geltendem EGV nicht später als am 1. Jänner 1999
beginnt.