3314/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3398/J—NR/1997 betreffend die Unsicherheit bei

der Reaktorsicherheitsforschung, die die Abgeordneten Dr. POVYSIL und Kollegen am

10. Dezember 1997 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

1. Ist Ihrem Ressort bekannt, wann die IAEO das genannte Reaktorsicherheitsprojekt

ausgeschrieben hat?

Die Ausschreibung ist nicht von der IAEA erfolgt.

Laut Auskunft des Direktors des Nudear Saferty Institutes V.G. Asmolov wird das einzige

internationale Projekt dieser Größenordnung im Auftrag der OECD/NEA von der Russischen

Föderation gemeinsam mit 16 OECD Ländern seit 1994 durchgeführt. Dieses Projekt wird mit

dem Akronym RASPLAV bezeichnet. Es ist das erste OECD Projekt, das gemeinsam mit

einem Nicht-OECD-Land verwirklicht wird.

Die Teilnehmer aus verschiedenen Ländern sind die folgenden Institutionen:

Belgium;AVN, Tractobel

Canada;AECL

Czech;Rep. NRI Rez

Finland;IVO/VTT/STUK

France;CEA IPSN

Germany;GRS/FZK

Hungary;KFKI AERI

Italy;ENEA/ANPA (ENEL was in phase 1)

Japan;NUPEC/JAERI

Korea;KINS/KAERI

Netherlands;ECN

Sweden;SKI

Switzerland;PSI

United Kingdom;HSE

United States;USNRC

Russia;RRC KI, Ministry Science, GAN, Minatom.

Kosten sind für das noch laufende Projekt: Phase 17/94 - 6/97;Kosten $6.9m

Projekt: Phase 2 7/97 - 6/00;Kosten $5.0m

Die Angaben von Herrn Direktor V.G. Asmolov, Nuclear Safety Institute bezogen sieh auf die

Phase 1 des Projektes.

2. Ist Ihrem Ressort bekannt, ob das ÖFZS sich an dieser Ausschreibung beteiligt hat?

Eine Ausschreibung der RASPLAV Projektleistungen durch die OECD/NEA erfolgte laut

A.MilIer (OECD) nicht. Die Vereinbarung wurde zwischen den angeführten Organisationen

der OECD Länder und dem RRC Kurtehatov Institut geschlossen, wobei der russische Partner

etwa 50% der Kosten übernimmt. Über die Finanzierungsstruktur des Projekts konnten keine

Informationen erhalten werden.

Eine Teilnahme an RASPLAV wurde seitens des ÖFZS erwogen, kam aber in der Folge nicht

zustande.

Das ÖFZS hat nur geringe Resourcen für Projekte der Reaktorsicherheitsforschung und wählt

daher seine Beteiligungen an internationalen Projekten (OECD, EURATOM, EU, IAEA) nach

der direkten Bedeutung für Österreich und der Möglichkeit der Finanzierung dieser Projekte

durch Drittmittel aus.

3. Ist Ihrem Ressort bekannt, warum nicht das ÖFZS oder ein anderes renommiertes

westliches Forschungsinstitut, sondern das Institut für Reaktorsicherheit am Moskau-

er Kurtschatow-Institut den Zuschlag über 6,5 Mio. US-Dollar Forschungsgelder er-

hielt?

Aus der Beteiligung der Länder und deren F&E Einrichtungen wird deutlich, daß es sich um

ein großangelegtes, internationales Projekt handelt. Die Aufgaben des RRC „Kurtehatov In-

stitute" umfassen insbesondere die Versuchsdurchführung in der sog. RASPLAV-Anlage. Eine

Kurzbeschreibung des Projektvorhabens und des aktuellen Standes der Arbeiten ist dem an-

geschlossenen Informationsblatt der NEA zu entnehmen (Beilage). Die aufwendigen Kern-

schmelzversuche erfordern kapitalaufwendige Einrichtungen, wie sie nur großen mit diesen

Themen befaßten Instituten zur Verfügung stehen. Vergleichbare Einrichtungen existieren etwa

in Cadarache, Frankreich, oder Los Alamos National Laboratory, USA. Bei dem Zuschlag sind

die Versuchskosten resultierend aus den gegenüber dem Westen sehr reduzierten Arbeitskosten

und Anlagekosten zum Tragen gekommen.

4. Ist Ihr Ressort über Fragestellungen, Methoden und Zweck des IAEO-Projektes infor-

miert?

Die Fragestellung, die Methoden und der Zweck des Projektes dienen der detaillierten Klärung

des Verhaltens von unterschiedlichen Druckwasser-Kernreaktortypen bei schweren Unfällen,

welche die Auslegungsgrenzen überschreiten und zu Reaktorkernschmelzen mit möglichem

Versagen des Sicherheitseinschlusses führen.

5. Welchen Nutzen hat dieses Projekt für EURATOM-Mitglieder wie z.B. Österreich?

Die Reaktorsicherheitsmargen unterschiedlicher Druckwasserreaktoren werden detailliert erho-

ben. Die sicherheitstechnisch wichtige Frage nach dem Schmelzverfahren des Reaktorkerns

und dem Freisetzungsverhalten bei solchen Ereignissen wird geklärt. Diese Klärung ist nicht

nur für EURATOM Mitglieder von großer Wichtigkeit, weil z.Z. 300 solcher Anlagen weltweit

betrieben werden. Das Projekt stellt keine Duplikation von Wissen, sondern eine grundlegende

Erweiterung des bisherigen Wissenstandes dar.

6. Ist dieses Projekt prinzipiell geeignet, die Reaktorsicherheit in den Nachfolgestaaten

der ehemaligen Sowjetunion zu erhöhen?

Die Ergebnisse des Projektes bilden eine wesentliche Grundlage zur aktuellen Bewertung des

Sicherheitstatus, des Störfallverhaltens und der Störfallkonsequenzen von Kernkraftwerken,

auch für Österreich. Die Ergebnisse sind ein Teil der Informationen, die zur Legitimierung von

Nachbesserungsforderungen dienen können. Sie haben auch sicherheitstechnische Bedeutung

für sogenannte Schwellenländer, die sich mit der Absicht tragen Leistungsreaktoren zu kaufen,

so zum Beispiel die Türkei, Marokko, Brasilien, China, da die wesentlichen Ergebnisse des

Programmes öffentlich zugänglich sind.

7. Ist durch die Vergabe des Forschungsauftrages an ein Institut, das sich primär mit

virtuellen Computersimulationen von Reaktorunfällen befaßt und dafür 65 Mio US-

Dollar lukriert, eine Verbesserung der tatsächlichen Reaktorsicherheit in diesen

Staaten und damit die Vermeidung von Folgewirkungen á la Tschernobyl wirklich

gewährleistet?

Aus der Fragestellung, bzw. dem Ziel des RASPLAV Projektes ergibt sich, daß umfangreiche

Versuche den Berechnungen gegenübergestellt werden sollen. Sie können das tatsächlich auf-

tretende Ausmaß der Reaktorkemsehmelze nicht simulieren, wohl aber die prinzipiellen Ver-

haltensweisen.

Es ist notwendig, daß die Computer-Simulationsmethoden an den Versuchen verifiziert und die

Simulationsfähigkeit, der Simulationsumfang, sowie die erfaßten Phänome weitestmöglich

ausgetestet werden. Daraus ergibt sich eine Erhöhung der Reaktorsicherheit.

8. Werden Sie als auch für die Atomforschung zuständiger Bundesminister die IAEO

darauf aufmerksam machen, daß Österreich als zahlendes IAEO-Mitglied gesteigerten

Wert auf seriöse Reaktorsicherheitsforschung legt?

Die österreichischen Vertreter in allen internationalen und bilateralen Gremien sind durch die

entsendenden Ministerien angewiesen, im Interesse Österreichs zu wirken und unterstützen

daher die Reaktorsicherheitsforschung.

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr ist zur Zeit mit dem ÖFZS über eine

Studie im Gespräch, die sich mit dem Thema "Reaktorsicherheitsforschung und Bevölkerungs-

schutz aus österreichischer Sicht" befassen soll.