3334/AB XX.GP

 

Beantwortung

der Anfrage der Abgeordneten Reinhart Gaugg und Kollegen

betreffend Arbeiterkammer-Pflichtmitgliedschaft

in der Europäischen Union,

Nr. 3383/3)

Zur beiliegenden Anfrage führe ich folgendes aus:

Zu Frage1:

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in mehreren Entscheidungen - allerdings zu Kam-

mern der freien Berufe - außer Streit gestellt, daß die Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer als

solche mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (z.B. EuGH vom 22. September 1983,

Rs 271/82; EuGH vom 19. Jänner 1988, Rs 292/86). Dies wird auch in der Einleitung zur ge-

genständlichen Anfrage von den Fragestellern festgehalten.

Es wäre daher umgekehrt zu fragen - und argumentativ zu untermauern - warum die Pflicht-

mitgliedschaft nicht mit den Grundsätzen der EU vereinbar sein sollte.

Grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Arbeiterkammer-Organisation nicht diskriminierend ist,

da sie sowohl in -  als auch ausländische Arbeitnehmer erfaßt. Arbeitnehmer, die nur kurzfristig

nach Österreich entsandt werden und daher im Arbeits -  und Sozialrecht ihres Landes verblei -

ben, sind nicht kammerzugehörig. Die Kammerzugehörigkeit stellt auch keine Hürde für die

Aufnahme einer Beschäftigung dar, da mit ihr keine weiteren Voraussetzungen verbunden sind.

Zu Frage?

Hier verweise ich auf die Antwort zu Frage 1.

Die EuGH - Entscheidung vom 4. Juli 1991, Rs C-213190, die sich mit der luxemburgischen

Angestelltenkammer befaßt, releviert die Frage der Pflichtmitgliedschaft nicht.

Zu Frage 3:

Es ist das Wesen einer supranationalen Gemeinschaft, eigene Organe und Strukturen zu ent -

wickeln, die nicht 1:1 die jeweiligen nationalen Verhältnisse widerspiegeln.

Arbeitnehmerinteressenvertretung findet auf EU-Ebene vor allem im Wirtschafts - und Sozi -

alausschuß (WSA) und im Rahmen des Sozialen Dialogs statt. Im WSA sind die Arbeiter -

kammern repräsentiert; der Soziale Dialog wird auf Arbeitnehmerseite vom Europäischen Ge-

werkschaftsbund (EGB) wahrgenommen. Mitglieder des EGB sind die jeweiligen nationalen

Gewerkschaften. Aufgrund der engen Zusammenarbeit zwischen den Arbeiterkammern und

dem Österreichischen Gewerkschaftsbund sind daher auch die Arbeiterkammern mittelbar in

den sozialen Dialog eingebunden.

Zu Frage 4:

Die Regelung der Umlagepflicht im Arbeiterkammergesetz 1992 darf als bekannt vorausgesetzt

werden.

Die in der Fragestellung zum Ausdruck kommende Überzeugung, daß mit der gesetzlichen

Interessenvertretung jedenfalls eine „Mehrbelastung“ verbunden ist, ist nicht nachvollziehbar;

Der Umlage stehen vielfältige Leistungen gegenüber - von der arbeitnehmerorientierten Mit -

Wirkung an der Verwaltung und an der Gesetzgebung bis zum Rechtsschutz -, die insgesamt

auf die Stellung der Arbeitnehmer eine positive Auswirkung haben.

Zu Frage 5:

Wettbewerbsnachteile für den einzelnen Arbeitnehmer sind nicht ersichtlich. Soweit damit

Wettbewerbsnachteile für die Volkswirtschaft insgesamt angesprochen sind, wird auf die Be-

antwortung der Frage 6 verwiesen.

Zu Frage 6:

Die in der Fragestellung aufgestellte Behauptung, es käme zu Verschiebungen auf den Ar -

beitsmärkten in der geschilderten Art und Weise, ist nicht nachvollziehbar. Negative Zusam -

menhänge zwischen dem Bestehen von Systemen der Pflichtmitgliedschaft zu Arbeitnehmer -

vertretungen und der Attraktivität eines Landes für mobile Arbeitskräfte sind weder empirisch

noch modelitheoretisch belegbar. Die Arbeitsmigration wird vielmehr durch deutliche Unter -

schiede in der Höhe des erzielbaren Einkommens und durch das Vorhandensein einer entspre -

chenden, bereits etablierten Gemeinschaft von Immigranten beeinflußt.

Will man auf seriöse Art und Weise Kausalzusammenhänge zwischen der Entwicklung auf dem

Arbeitsmarkt und der Struktur der Arbeitnehmervertretung in einem Land herstellen - soweit

dies im Hinblick auf die vielen sonstigen den Arbeitsmarkt beeinflussenden Faktoren überhaupt

möglich ist - so wird man jedenfalls den Standortfaktor „Sozialer Friede“ an vorderster Stelle

mitzurechnen haben. Daß dieser unstreitig als Wettbewerbsvorteil anerkannte Standortfaktor

durch die Organisation und Struktur der Interessenvertretung der Arbeitnehmer aufbetriebli -

cher und überbetrieblicher Ebene entscheidend geprägt wird, ist allgemein anerkannt. Ich bin

daher überzeugt, daß Länder mit sozialem Frieden und vernünftig organisierter Austragung

von Interessenkonflikten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern attraktiver sind als andere

Länder mit sozialen Konflikten. Daß Österreich zu den ersteren gehört und daß dazu u.a. die

gegebene Organisation der Arbeitnehmerinteressenvertretung in Form der Arbeiterkammern

beiträgt, steht außer Zweifel.

Ergänzend ist anzumerken, daß nicht nur die Bedeutung dieses Systems für den sozialen Frie -

den als Standortvorteil Österreichs allgemein anerkannt ist, sondern vielfach sogar als Beispiel

für die Entwicklung sozialpartnerschaftlicher Strukturen in Europa gesehen wird.