3398/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Haigermoser, Dr. Ofner und Kollegen haben am 12.

Dezember 1997 unter der Nr. 3465/J an mich eine schriftliche Anfrage betreffend Kriegs-

verbrechen zum Opfer gefallene österreichische Angehörige der seinerzeitigen Deutschen

Wehrmacht gerichtet, welche folgenden Wortlaut hat:

„1.Was werden Sie unternehmen, um in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden

in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Norwegen und Dänemark abzuklären

a) wieviele Österreicher unter den Opfern der beschriebenen Kriegsverbrechen waren,

b) wie deren Namen lauten und

c) wo sie begraben liegen?

2. Werden Sie mit den entsprechenden britischen Behörden in Kontakt treten, um zumin-

dest eine Stellungnahme zu den geschilderten Vorgängen - zur Weiterleitung an die

Hinterbliebenen - zu erlangen?

3. Wenn ja, bis wann werden Sie dies tun?

4. Wenn nein, warum werden Sie solche Schritte nicht in die Wege leiten?

Ich beehre mich, diese Anfrage wie folgt zu beantworten:

Zu Frage 1:

Aufgrund der diesbezüglichen Meldung im „Spiegel“ vom 8. Dezember 1997, die sich auf

einen Artikel in der norwegischen Zeitschrift „Morgenblatt“ beruft, wurden die Österrei-

chischen Botschaften in Bonn, Oslo, Kopenhagen und London angewiesen, über Reak-

tionen zu berichten.

Übereinstimmenden Mitteilungen aus London und Kopenhagen zufolge wären Nachfor-

schungen über bei den Minenräumungsaktionen eingesetzte und eventuell dabei ums Le-

ben gekommene Soldaten der Deutschen Wehrmacht im Wege der in Deutschland be-

findlichen Kriegsarchive und Kriegsgräberverbände möglich. Dabei könnte auch die vor-

handene umfangreiche wissenschaftliche Literatur zur Aufarbeitung dieser schon lange

bekannten Ereignisse herangezogen werden.

Da den erhaltenen Auskünften zufolge die Einheiten der deutschen Wehrmacht nach der

bedingungslosen Kapitulation unter deutscher Kommandogewalt belassen wurden

(Einkleidung, ärztliche Versorgung und Verpflegung einer derart grossen Anzahl von

Menschen wäre der britischen Besatzungsmacht nicht möglich gewesen) und diese Ein-

heiten auch weiterhin an die Kommandostelle Nord des Oberkommandos der Wehrmacht

(zumindest bis Oktober 1945) berichteten, müssten allfällige Aufzeichnungen über die An-

zahl von mit der Minenräumung beauftragten Einheiten (Pioniere) in deutschen Kriegsar-

chiven aufliegen. Diese Stellen müsste auch in der Lage sein, über Anzahl der einge-

setzten, aus Österreich stammenden Soldaten, deren Namen, Todesfälle und allfällige

Begräbnisorte Auskunft geben zu können. Eine weitere Auskunftsquelle wäre der Deut-

sche Kriegsgräberverband. In Großbritannien lägen keine detaillierten Aufzeichnungen

über bei den Minenräumarbeiten zu Tode gekommene Soldaten der ehemaligen deut-

schen Wehrmacht auf.

Das Bundesministerium für Inneres wie auch der Suchdienst des Österreichischen Roten

Kreuzes können dokumentierte Anfragen von Hinterbliebenen zwecks Klärung des

Schicksals österreichischer Wehrmachtsangehöriger an diese Stellen weiterleiten.

Zu den Fragen 2 bis 4:

Kontakte zum britischen Verteidigungsministerium sowie Informationen des Direktors des

dänischen Royal Arsenal Museums ergaben nachfolgende Darstellung:

Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 4. Mai 1945

(Westfront und Dänemark) wurden die etwa 207.000. Mann umfassenden deutschen

Truppen in Dänemark unter alliierte Verwaltung gestellt. Die etwa 300.000 - 350.000

Mann starken deutschen Truppen in Norwegen schlossen sich unter ihrem Oberbefehls-

haber General Böhme am 8. Mai der Kapitulation an.

Gemäß Kapitulationsurkunde hatten die in alliierten Gewahrsam gekommenen deutschen

Truppen selbst für die Entfernung aller „beweglichen Waffen“ zu sorgen, worunter auch

die seitens der Wehrmacht verlegten Minen fielen.

In Dänemark waren etwa 1,4 Millionen Minen am Land und zur See zu entfernen, in Nor-

wegen eine ähnliche Anzahl. Der Räumungsbefehl hiefür wurde von den britischen Mili-

tärbehörden gegeben, wobei die Räumungsmethode den deutschen Einheiten überlassen

wurde.

Im Rahmen der Minenräumung zu Lande waren in Dänemark 179 Tote und 165 Schwer-

verwundete unter den 2500 Pionieren zu beklagen (10.5.-1.9.45).

Die bei den Räumungen ums Leben gekommenen Soldaten sind nach Meinung des däni-

schen Militärhistorikers vermutlich Teil der ca. 5.000 in Dänemark bestatteten Wehr-

machtsangehörigen.

Nach britischer Auffassung handelte es sich wegen der bedingungslosen Kapitulation des

Deutschen Reiches nicht um Kriegsgefangene im Sinne der Genfer Konvention, sondern -

da sie unter „quasi-eigenem“ Kommando belassen wurden - um ,,Surrendered Enemy

Personnel“ (SEP). Dadurch erhielten sie keine Bezahlung für ihre Arbeit, hatten keinen sie

vertretenden Sprecher, ihr persönlicher Besitz konnte ohne Bestätigung eingezogen wer-

den (Definition der SEP im „Report of the ICRC on its activities during the Second Word

War, September 1, 1939-June 30,1947; Band 1, Genf Mai1948, Seiten 539-541). Wegen

der mit diesem Status verbundenen ungleichbehandlungen von Kriegsgefangenen und

SEP wurde das IKRK im September 1946 auch im Außenministerium in London vorstellig

und ersuchte, die SEP nicht vollständig von den Rechten der Konvention fernzuhalten. In

seiner Reaktion hierauf teilte das Außenministerium am 20.2.1947 u.a. mit, daß die SEP

vom humanitären Standpunkt nicht diskriminiert würden.