3436/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3485/J - NR/1997, betreffend Errichtung des

Semmeringtunnels, die die Abgeordneten Kurzbauer und Kollegen am 22. Dezember 1997 an

mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten;

1. Von ÖBB - Generaldirektor Helmut Draxler wird die wirtschaftliche Rentabilität

des Semmeringtunnels für die ÖBB stark in Zweifel gezogen.

Ergeben sieh nicht auch für Sie, Herr Bundesminister, immer mehr Zweifel an der

Sinnhaftigkeit dieses Projektes? Wie erklären Sie, weiter daran festhalten zu

wollen?

Antwort:

Wie mir von den ÖBB mitgeteilt wurde, haben sich weder die ÖBB noch Generaldirektor Dr.

Draxler je gegen den Bau des Semmeringbasistunnels ausgesprochen oder ihn auch nur in Frage

gestellt.

Die diesbezügliche Darstellung in einem Interview von Generaldirektor Dr. Draxler mit der

Kronen Zeitung kann daher nur auf einem Mißverständnis des Redakteurs beruhen, was auch

die Tatsache beweist, daß Dr. Draxler sich in demselben Artikel für den Ausbau der

Pontebbana - Achse ausspricht, auf der der Semmeringbasistunnel einen wichtigen Abschnitt

darstellen würde.

Die ÖBB haben diesbezüglich auch sofort eine Gegendarstellung (Presseinformation vom 15.

Dezember 1997) veröffentlicht.

2.-4. Ist Ihnen bekannt, daß sich mit den ÖBB der Hauptbenutzer der geplanten Schie-

nennetze gegen die Realisierung dieses Projektes ausgesprochen hat?

Draxler meinte, der Semmeringtunnel rechnet sich nicht und nannte auch konkrete

Zahlen. Im Falle eines Baues des Semmeringtunnels stünden Einsparungen in Höhe

von 150 bis 200 Millionen Ausgaben in Form von Benützungsgebühren in Höhe von

400 Millionen Schilling gegenüber. Unter dem Strich ein Minus von 250 bis 200

Millionen Schilling.

Für die ÖBB damit ein absolutes Defizitgeschäft.

Wie sehen Sie diese Rechnung? Ist Draxler aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht

völlig recht zu geben?

Aufgrund der hohen Kosten, die für die Bahn auf dem Semmering anlaufen wür-

den, kündigte Draxler eine massive Preiserhöhung an. Dadurch käme es aber - wie

Draxler einräumte - zu einer Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße.

Gerade das kann aber nicht Sinn und Zweck des Semmeringtunnels sein!

Wie sehen Sie das, Herr Bundesminister?

Antwort

Es ist mir nicht bekannt, daß sich die ÖBB gegen die Realisierung dieses Projektes ausgespro-

chen haben. Die ÖBB treten klar für den Bau des Semmeringbasistunnels ein, da die historische

Ghega - Strecke den Anforderungen des modernen Personen - und Güterverkehrs nicht mehr

gewachsen ist. Bekannt ist mir jedoch, daß seitens einzelner Repräsentanten der ÖBB die

Begrenzung des von den ÖBB zu entrichtenden Benützungsentgeltes verlangt wird. Die künfti-

ge Höhe des Benützungsentgeltes kann jedoch aus heutiger Sicht nicht mit Sicherheit prognosti-

ziert werden.

5. Draxler räumte nicht dem Neubau, sondern vielmehr dem zügigen Ausbau der

bestehenden Schienennetze und dem öffentlichen Güter- und Nahverkehr absolu-

ten Vorrang ein. Die Praxis untermauert diese Aussage: Wien erstickt im Lkw-

Verkehr und braucht dringend einen neuen Güterbahnhof. Fast 50 Prozent des

Personenverkehrs spielen sich im Großraum Wien ab. Und viele Pendler aus den

Bundesländern müssen mit veraltetem Wagenmaterial in überfüllten Zügen der

ÖBB Vorliebe nehmen. Für moderne Doppelstockwaggons fehlt das Geld.

Ist nicht auch für Sie, Herr Bundesminister, der Semmeringtunnel ein viel zu

wenig praxisorientiertes Projekt, welches an den Bedürfnissen der Menschen

vorbeigeht?

Antwort:

Der Ausbau des bestehenden Schienennetzes und der Bau des Semmering - Basistunnels wider -

sprechen einander in keiner Weise. Die Notwendigkeit eines neuen Güterterminals in Wien ist

gleichfalls unbestritten. Seitens des Bundes wurde hiezu auch "grünes Licht" gegeben. Offen

sind derzeit einige Grundstücksablösen für den geplanten Güterterminal Inzersdorf, wo sich die

ÖBB teilweise weit überhöhten Ablösewünschen gegenüber stehen. Die Verhandlungen zwi-

schen den ÖBB, der Stadt Wien und den Grundeigentümern gehen jedoch weiter.

Die Aussage, wonach "für moderne Doppelstockwaggons das Geld fehlt“, ist für mich nicht

nachvollziehbar, da im Raume Wien/südliches Niederösterreich bereits Doppelstockzüge im

Einsatz sind und weitere vor der Inbetriebnahme stehen, wofür auch seitens des Landes Nieder-

österreich und des Landes Wien Kostenbeiträge geleistet wurden. Darüberhinaus unterstützt der

Bund im Rahmen des Vertrages über gemeinwirtschaftliche Leistungen mit den Österreichi-

schen Bundesbahnen Qualitätsverbesserungen im Personennahverkehr der ÖBB durch finan-

zielle Leistungen, die unter anderem die Beschaffung von Doppelstockwaggons ermöglichen.

Im übrigen erlaube ich mir festzustellen, daß seitens des Bundes derzeit rund 12 Mrd öS

jährlich für den Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs zur Verfügung gestellt werden

(Ökobonus, Verlagerungsbonus, FLAF - Mittel und Zuschüsse an die Verkehrsverbünde), von

den Kommunen rund 5 Mrd öS und von den Ländern nur knapp 2 Mrd öS pro Jahr hinzukom-

men.

Darüberhinaus kommt der größte Teil der fast ausschließlich aus Bundesmitteln finanzierten

Infrastrukturausbauten direkt (durch spätere Nutzung durch Nahverkehrszüge) oder indirekt

(durch Entlastung von Nahverkehrsstrecken vom Fern - und Güterverkehr) auch dem Personen-

nahverkehr zugute.

6. Es ist noch nicht abzusehen, wann das Naturschutzverfahren des Landes Nieder-

österreich abgeschlossen wird.

Glauben Sie, Herr Bundesminister, daß diese Tatsache Auswirkungen auf die Fi-

nanzierung haben wird?

Antwort:

Das vom Landtag beschlossene niederösterreichische Naturschutzgesetz könnte die Umsetzung

vieler Infrastrukturprojekte und auch des Projektes Semmering - Basistunnel baulich und zeitlich

wesentlich beeinflussen und kann daher auch Auswirkungen auf die Finanzierung haben.

7. Gibt es Untersuchungen über die Möglichkeit alternativer Projekte, wie zum

Beispiel die Sanierung der Bergstrecke über den Semmering?

Antwort:

Die Möglichkeit eines Ausbaus der Bergstrecke wurde wiederholt untersucht, wobei sich

folgende Varianten herauskristallisierten:

* Ein Ausbau ohne Änderung der Trassierung würde Kosten in Höhe von ca. 3,2 Mrd öS

verursachen.

* Ein Ausbau mit Beseitigung aller Bögen mit Radien unter 250 Meter wurde den Bau

mehrerer Tunnel und neuer Brücken erfordern und Gesamtkosten zwischen 4 und 5

Mrd öS verursachen.

* Ein Ausbau nach Hochleistungsstrecken - Richtlinien mit kleinsten Bogenradien von 450

Metern würde Gesamtkosten zwischen 7 und 8 Mrd öS verursachen.

Alle drei genannten Szenarien hätten gravierende Nachteile: Alle Baumaßnahmen müßten bei

laufendem Betrieb durchgeführt werden, die Nachteile einer steigungsreichen Strecke blieben

bestehen, die Anhebung der Streckengeschwindigkeit wäre nur in bescheidenem Ausmaß

möglich, die Eingriffe in das Landschaftsbild wären durch die erforderlichen Baumaßnahmen

gravierend und voraussichtlich auch nicht durchsetzbar.

8. Ergibt sich für Sie eine neue Situation durch die neuesten Prognosen, vor allem jener

der Planungsgemeinschaft Ost aus dem Jahr 1996, über die Entwicklung des Güter -

verkehrs auf der Süd - Bahn-Strecke?

Antwort:

Alle Prognosen der letzten Zeit über die Entwicklung des Güterverkehrs auf der Südbahn zeigen

eine Aufwärtsentwicklung. Vor diesem Hintergrund, jedoch auch aufgrund der vielfältigen

betrieblichen, ökologischen und volkswirtschafilichen Vorteile des Semmeringtunnels, ergibt

sich keine neue Situation.