3737/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3808/J - NR/1997 betreffend Forschungszentrum
Seibersdorf, die die Abgeordneten Dipl. - Vw. Dr. LUKESCH und Kollegen am 10. März 1998
an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Zur Einleitung der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage ist zunächst festzuhalten:
Im 1.Absatz wird die von Prof. Leberl abgehaltene Pressekonferenz vom 17. Februar 1998
angesprochen. In Zeile 5 wird erwähnt, "...der Umsatz gegenüber 1996 ...... auf 749 Mio. S
gestiegen." Es darf richtiggestellt werden, daß nicht der Umsatz, sondern die Erträge auf
761 Mio. S gesteigert werden konnten.
Im 4.Absatz, vorletzte und letzte Zeile steht "... ja sogar der Standort Seibersdorf selbst wurde
in Frage gestellt." Richtig ist vielmehr, daß der Standort Seibersdorf nie in Frage gestellt
wurde. Es wurde lediglich hinterfragt, welche Vor - und Nachteile der Standort Seibersdorf für
die einzelnen Geschäftsbereiche hat.
Absatz 5:
Am 6. Oktober 1997 wurde im Aufsichtsrat eine Grundsatzentscheidung (und nicht ein Kon -
zept) zu einer neuen Unternehmensstrategie beschlossen. Dieser Prozeß einer Strategieentwick -
lung wird derzeit intensiv diskutiert und wird Ende des 1. Halbjahres 1998 abgeschlossen
werden.
Absatz 8:
Eine sofortige Zusammenführung von ÖFZS und ÖFPZ Arsenal durch den Bundesminister für
Wissenschaft und Verkehr in seiner Eigenschaft als Vertreter des Mehrheitseigentümers Bund
wäre auf keinen Fall möglich. Da das ÖFZS nach dem GmbH - Gesetz organisiert ist, wäre für
eine solche Zusammenführung ein Beschluß der Gesellschafterversammlung des ÖFZS, die
aus Vertretern des Bundes und Vertretern der Industrie zusammengesetzt ist, unabdingbar.
Absatz 9:
Der Betriebsrat des ÖFZS hat gemäß § 108 des ArbVG ein Informations - und Mitwirkungs -
recht bei der Erstellung von Wirtschaftsplänen, er hat jedoch kein unmittelbares Mitwirkungs -
recht bei der Erstellung eines Unternehmenskonzeptes im Zusammenhang mit einer Zusam -
menführung von ÖFZS und ÖFPZ Arsenal. Der Betriebsrat ist jedoch zum gegebenen Zeit -
punkt, das heißt wenn ein entsprechender, diskussionsreifer Entwurf eines Unternehmens -
konzeptes bereits vorliegt, zu informieren und sind seine Vorschläge, Einwände, Ratschläge,
etc. selbstverständlich zu hören und zu diskutieren.
Absatz 10: Im Zusammenhang mit den Weltraumaktivitäten wird auf die Beantwortung von
Frage 22 verwiesen.
1. Warum ist Geschäftsführer Dr. Leberl zurückgetreten?
Herr Prof. Dr. Leberl ist gemäß § 16a GMBH - Gesetz zurückgetreten. Als Gründe für seinen
Rücktritt hat Prof. Leberl seinen Wunsch der Wiederaufnahme seiner wissenschaftlich - akade -
mischen Laufbahn genannt. Prof. Leberl strebt eine Gastprofessur in den USA an.
2. Wie sieht die Vertragsgestaltung mit Dr. Leberl hinsichtlich seiner Abfertigungsan -
sprüche aus?
Gemäß gesetzlicher Regelung gebührt dem Geschäftsführer des ÖFZ Seibersdorf eine Ab -
fertigung, die vom Datum des Eintritts an zu berechnen ist. Prof. Leberl erhält aufgrund seiner
kurzen
Dienstzeit keine Abfertigung.
3. Können Sie ausschließen, daß bei der Nachbesetzung die bisherigen Fehler in der
Personalpolitik ausgespart bleiben und es zu keiner Fehlbesetzung kommt?
Die Besetzung der Geschäftsführerposition im ÖFZS erfolgte aufgrund einer ordnungsgemä -
ßen, gesetzeskonform durchgeführten Ausschreibung, die mit einem professionellen Auswahl -
verfahren zwischen ausgezeichneten Bewerbern abgeschlossen werden konnte. Es darf daher
ausdrücklich festgehalten werden, daß weder Prof. Leberl eine Fehlbesetzung war, noch Fehler
bei der Besetzung anderer vakanter Positionen im ÖFZS gemacht wurden.
4. Nach welchen Qualifikationskriterien werden Sie die neue Leitungsperson suchen?
Die Geschäftsführerposition wird gemäß den gesetzlichen Vorgaben neuerlich ausgeschrieben
werden. Die Bewerbungskriterien werden in etwa die gleichen sein, wie bei der Ausschreibung
im August 1995.
5. Wann wird die Neubestellung des Leiters erfolgen?
Die Bestellung eines neuen Geschäftsführers für das ÖFZS wird nach Abschluß des Ausschrei -
bungsverfahrens bzw. aufgrund des Auswahlverfahrens mit den einzelnen Bewerbern erfolgen.
6. Planen Sie die Bestellung eines interimistischen Leiters?
7. Wenn ja, an welche Person denken Sie?
In der 67. außerordentlichen Generalversammlung vom 16. März 1998 wurde ein interimisti -
scher Leiter für das ÖFZS bestellt. Dabei handelt es sich um das bisherige Aufsichtsratsmit -
glied Kommerzialrat Dipl. Ing. Ernst Tutschek.
8. Führt der Rücktritt des Geschäftsführers Dr. Leberl zu einer Änderung des neuen
Unternehmenskonzeptes?
Nein. Hiefür gibt es keinen Grund. Der Entwurf des Unternehmenskonzeptes wurde im Auf -
sichtsrat diskutiert. Herr Dipl.Ing. Tutschek hat diesen Entwurf in den Aufsichtsratssitzungen
mitbefürwortet.
9. Wie hat sich die Unternehmenskultur unter Dr. Leberl verändert?
Die Unternehmenskultur als solche mit all ihren positiven Elementen ist im wesentlichen un -
verändert geblieben. Positive Veränderungen im Sinne von mehr Marktorientierung, mehr
Leistungsorientierung, ein höheres Kostenbewußtsein, noch mehr Eigeninitiative, etc. haben
stattgefunden. Der guten Ordnung halber ist jedoch anzumerken, daß Veränderungsprozesse,
insbesondere wenn sie unter wirtschaftlichem Druck erfolgen, nie ganz reibungslos vor sich
gehen können.
Das ÖFZS hatte aus zwingenden Gründen außergewöhnlich viele Änderungen in personeller
und organisatorischer Hinsicht zu verkraften. Im Bewußtsein dessen wird jetzt, soweit das in
einer Zeit des stetigen und immer schnelleren Wandels überhaupt möglich ist, eine Phase der
Konsoldierung einsetzen.
10. Sehen Sie durch seinen Rücktritt für das ÖFZS eine unmittelbare Gefahr?
Bedingt durch die nahtlose Bestellung eines interimistischen Geschäftsführers wird die Konti -
nuität in der Geschäftsführung gewahrt und es besteht daher keine Gefahr.
11. Worin liegen die künftigen Schwerpunkte von Seibersdorf als größte außeruniversi -
täre Forschungseinrichtung?
Das Leistungsangebot des ÖFZS ist traditionellerweise breit gefächert. Es kann jedoch in drei
wesentliche Kategorien unterteilt werden:
-
angewandte Forschung mit ihren Ergebnissen mit internationalen
Veröffentlichungen
- experimentelle Entwicklung für Betriebe und die öffentliche Verwaltung
- Infrastrukturangebote mit dem Labor - und Schulungsbetrieb (Messungen, Prüfungen, etc.)
12. Das Land Niederösterreich ist daran interessiert, Gesellschafteranteile vom Bund zu
übernehmen und sich damit am ÖFZS zu beteiligen; sind Sie bereit, den Kreis der
Gesellschafter in diesem Sinne zu erweitern?
Ja, eine solche Beteiligung wird vom Mehrheitseigentümer Bund begrüßt und hätte aus Sicht
des ho. Ressorts sowohl für den Bund als auch für das Land Niederösterreich Vorteile. Herr
Landeshauptmann Dr. Pröll wurde von mir über die Gesellschafterstruktur des ÖFZS infor -
miert. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr erwartet, daß das Land Nieder -
österreich in Analogie zum Bund auch eine angemessene finanzielle Unterstützung in Form
eines jährlichen Betriebskostenzuschusses leistet.
13. Wie stehen Sie zu den Regionalisierungsbestrebungen in Seibersdorf; vor allem in
westlichen Bundesländern Standorte zu errichten?
Grundsätzlich sehr positiv. Das ÖFZS hat bereits einen Standort in Dornbirn errichtet, der als
Transfereinrichtung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fungiert. Weitere Standortentwick -
lungen werden in Linz, Klagenfurt, Innsbruck und Salzburg geplant. Die Planung für eine
Standorterrichtung in Linz, die in Zusammenarbeit mit der Technologiemarketing Gesellschaft
Oberösterreich erfolgt, ist derzeit am weitesten fortgeschritten.
14. Glauben Sie, daß Seibersdorf ohne Einbindung in einen internationalen Verbund
alleine die notwendigen Forschungs - und Entwicklungsleistungen für die Wirtschaft
und für die internationale Beteiligung an Forschungsverbänden und - institutionen
leisten kann?
Das ÖFZ Seibersdorf ist seit seiner Gründung in einem internationalen Forschungsverbund
eingebunden, der sukzessive erweitert wurde. Zweifellos kann und soll dieses Netzwerk durch
den
Ausbau bestehender und die Gründung neuer strategischer Partnerschaften
und Allianzen
noch dichter werden. Die EU - Zugehörigkeit Österreichs und die Entwicklung des Binnenmark -
tes werden hiezu viele gute Gelegenheiten bieten.
15. Wie werden Sie sicherstellen, daß das ÖFZS künftig im Spannungsfeld zwischen
öffentlichen Aufgaben (z.B. Umweltforschung, Klimaforschung, Vorfeldforschung,
etc.) und kommerziellen Anforderungen sowie Bilanzanforderungen bestehen kann?
Die primäre Verantwortung für das Bestehen des ÖFZ Seibersdorf in diesem Spannungsfeld
obliegt der Geschäftsführung. Aufgabe des Mehrheitseigentümers Bund ist es, die erforderli -
chen Rahmenbedingungen hiefür im Einvernehmen mit der Gesellschafterversammlung zu
schaffen.
16. Wird von Ihnen weiterhin an einer Zusammenlegung, bzw. gesellschaftlichen Ver -
flechtung zwischen dem ÖFZS und dem Österreichischen Forschungs und Prüfzen -
trum Arsenal festgehalten?
17. Wenn ja, welche zeitlichen und organisatorischen Planungen gibt es dazu?
Ja. Es gibt bisher keinen Grund von der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages (BGBl. INr.
15/1997) abzugehen. Gemäß BGBl. INr. 15/1997 wurde ein Lenkungsausschuß, dem die Ge -
schäftsführer beider Institutionen angehören, eingesetzt. Dieser Lenkungsausschuß hat die
Aufgabe, bis 30. Juni 1998 ein Unternehmenskonzept vorzulegen, in dem die Varianten der
wirtschaftlichen und rechtlichen Selbständigkeit und die Auswirkungen der Zusammenfüh -
rung, insbesondere deren wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit darzulegen sind. Zur Erfüllung die -
ses Auftrages wurde vom Lenkungsausschuß ein Strategieteam, bestehend aus Mitarbeitern
beider Institutionen, eingesetzt, das potentielle Synergien identifizieren, bzw. in Ergänzung zu
den Synergien die nicht synergetischen Geschäftsfelder und eventuelle Querschnittsfunktionen
darstellen soll, was in weiterer Folge als Grundlage für die Erarbeitung einer gemeinsamen
Kompetenzstruktur
dienen wird.
18. Da dem Vernehmen nach für unternehmensexterne Beratung unter der Ära Leberl
viel Geld ausgegeben wurde: können Sie diese Aufwendungen beziffern?
19. Welche Personen wurden unter Dr. Leberl “zur Unterstützung der Geschäftsstelle”
angestellt und in welcher Relation stehen deren Gehälter zu anderen vergleichbaren
in Seibersdorf?
Diese Fragen wären an die Geschäftsführung zu richten.
20. Ist das ÖFZS im Rahmen der Technologiekonzepte der Bundesregierung als Kom -
petenzzentrum vorgesehen?
In seiner Gesamtheit ist das ÖFZ Seibersdorf nicht als Kompetenzzentrum vorgesehen. Das
ÖFZS wird jedoch am Aufbau und Ausbau solcher Kompetenzzentren mitwirken, bzw. wird
den Aufbau solcher Kompetenzzentren mit seinem Know - how unterstützen. Das Leichtme -
tallkompetenzzentrum Ranshofen, das seit geraumer Zeit besteht, ist dafür ein Beispiel.
21. Wenn ja, in welchem Bereich?
Das ÖFZ Seibersdorf führt derzeit mit Partnern aus der Industrie über folgende mögliche
Kompetenzzentren Gespräche:
- Advanced Machine Vision
- Safety und Security
- Telemedizin und Rehabilitationstechnik
- Fortgeschrittene Multimediaanwendungen für den Bürger
- Intelligente Wassertechnologien
-
Leichtmetall - Hochleistungswerkstoffe (siehe hiezu auch Antwort auf Frage 20).
22. Im Zusammenhang mit dem ÖFZS als Auftragnehmer von ESA - Aktivitäten: Wie
werden Sie sicherstellen, daß österreichisches Know - how im Zusammenhang mit
den Weltraumaktivitäten nicht verloren geht, sondern zur Sicherstellung eines be -
friedigenden “return of investment” der österreichischen Beiträge bei der ESA diese
nicht in anderen internationalen Kooperationen eingesetzt werden?
Das österreichische Know - how im Zusammenhang mit Weltraum - bzw. ESA - Aktivitäten
wird in Zukunft nicht nur nicht verloren gehen, sondern ausgebaut werden. Seit kurzem ist
das Forschungszentrum z.B. als einzige österreichische Gesellschaft bei der ESA für EMV
akkreditiert und unterhält gute und langfristige Geschäftsbeziehungen zur ESA. Das ÖFZ
Seibersdorf ist zweifellos ein wichtiger Auftragnehmer der ESA, die volumenmäßige Bedeu -
tung ist jedoch zu relativieren.
Im Zeitraum von 1975 - 1997 konnte das Forschungszentrum Seibersdorf mit 30 Mio. öS
etwa 10% des Auftragsvolumens aller österreichischen Forschungsinstitute erhalten. Mit
knapp 10 Mio. öS allein im Jahr 1997 wird allerdings die Dynamik des ESA -”Geschäftes”
aufgezeigt. Anderseits hat die Industrie im oben genannten Zeitraum 2,4 Milliarden öS, die
Forschungsinstitute 293 Mio. öS und die Universitäten 75 Mio. öS an Aufträgen erhalten.
Daraus muß geschlossen werden, daß das ÖFZ Seibersdorf mit einem Anteil von etwa 1% am
“Gesamtauftragskuchen” (ca. 2,8 Milliarden öS) wohl kaum nennenswert zur Sicherstellung
eines befriedigenden Return of Investment beitragen kann.