3970/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen haben am 15. April 1998

unter der Nr. 4276/J - NR/1998 an mich eine schriftliche Anfrage gerichtet, welche den

folgenden Wortlaut hat:

1. Wieso hat die Bundesregierung das PfP - SOFA erst Monate nach der Unterzeichnung

dem Nationalrat zugeleitet?

2. Halten Sie es für angemessen, daß Beamte einer Bundesdienststelle bereits mit der

literarischen Aufarbeitung von Abkommen beginnen, noch bevor diese dem Parlament

zugeleitet werden, sodaß es für Abgeordnete des Nationalrates zweckmäßiger

erscheinen muß, sich mit Publikationen von Beamten Ihres Ressorts

auseinanderzusetzen als mit - im Zeitpunkt der Vorlage bereits monatealten -

Regierungsvorlagen?

3. Warum wurde in der Überschrift der beiden Erklärungen jeweils einleitend eine andere

Formulierung gewählt, nämlich einmal “Erklärung Österreichs anläßlich der Ratifikation

des PfP - SOFAs” und einmal “Erklärung Österreichs betreffend die Interpretation des

PfP - SOFAs"?

4. Sind mit dieser unterschiedlichen Textierung unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden

bzw. beabsichtigt?

5. Haben Sie eine Erklärung dafür, wieso Botschafter Türk meint, es handle sich bei der

Erklärung um eine “bei der Vertragsunterzeichnung übergebene Information” (also um

einen Text, dessen Absicht es ist, eine bestehende Rechtslage festzuhalten, diese aber

nicht zu verändern), wo doch der Sinn eines Vorbehaltes bzw. einer interpretativen

Erklärung ist, rechtsgestaltend zu wirken, nämlich einzelne Vertragsbestimmungen zu

ändern bzw. eine von mehreren zulässigen Textinterpretationen als allein verbindlich

zu erklären [vgl. etwa Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg), Handbuch des Völkerrechts,

RZz312 f]?

6. Würde es - rechtlich gesehen - einen Unterschied machen, wenn der Punkt 3 der

Erklärung betreffend die Interpretation des PfP - SOFAs weggelassen worden wäre?

a) Wenn ja, welchen?

b) Wenn nein, welchen Sinn macht es, in Erklärungen redundante Formulierungen

aufzunehmen?

7. Wenn es sich bei der “Erklärung Österreichs betreffend die Interpretation des PfP -

SOFAs” tatsächlich um eine bloße Information handelt (worauf sowohl die Überschrift

als auch die Publikationen von Botschafter Türk hindeuten), führt dies dann nicht dazu,

daß zwar der rechtliche Gehalt des PfP - SOFAs unverändert bleibt, gleichzeitig aber der

Anwendungsbereich der österreichischen Neutralität weiter eingeschränkt wird (wie

dies offensichtlich auch Botschafter Türk meint)?

8. Lag genau das in Ihrer Absicht?

9. Dient somit die kunstvolle Formulierung der Erklärung in Wahrheit dazu, Ihren

Koalitionspartner und die österreichische Öffentlichkeit hinters Licht zu führen?

Ich beehre mich die Anfrage wie folgt zu beantworten:

Zu Frage 1:

Die Dauer der Erstellung der Regierungsvorlage ergab sich aus dem Erfordernis einer

gründlichen interministeriellen Abstimmung sowie aus der Zweckmäßigkeit vorbereitender

Konsultationen mit Vertragspartnern zur Absicherung der Akzeptanz der beabsichtigten

österreichischen Erklärungen.

Zu Frage 2:

Private Meinungsäußerungen österreichischer Beamter sind nicht Gegenstand der

Vollziehung des Bundes. Auf Seite 9 seines Werkes “Österreich im Spannungsfeld von

Neutralität und kollektiver Sicherheit” (Wien, 1997) bringt Botschafter Türk zum Ausdruck,

daß die Publikation nur seine persönliche Auffassung wiedergibt: “Die vorliegende

Abhandlung enthält persönliche Auffassungen des Autors.”

Zu den Fragen 3 und 4:

Es wurden für beide Erklärungen unterschiedliche Bezeichnungen gewählt, um den

voneinander abweichenden Charakter zu unterstreichen. Die erste Erklärung ist

völkerrechtlich als Vorbehalt zu qualifizieren, da sie die Rechtswirkungen des Art. VII

NATO - SOFA für Österreich abändert. Die zweite Erklärung ist als interpretative Erklärung

zu Art. II NATO - SOFA konzipiert. Art. II verpflichtet auch ohne Erklärung die nach

Österreich entsandten Truppen und Zivilpersonen zur Beachtung des in Österreich

geltenden Rechts. Die Erklärung stellt gegenüber den Vertragspartnern unmißverständlich

klar, daß sich die Verpflichtung des Art. II jedenfalls auch auf das geltende

Neutralitätsrecht bezieht. Falls die Erklärung von anderen Vertragsparteien als Vorbehalt

gesehen werden sollte, kommen auch im Falle eines Widerspruchs die betreffenden

Bestimmungen im Ausmaß des Vorbehaltes nicht zur Anwendung.

Zu den Fragen 5 und 7:

Österreich beabsichtigt, die beiden Erklärungen anläßlich der Ratifikation abzugeben. Um

die Vertragspartner vorab von den beabsichtigten Erklärungen in Kenntnis zu setzen,

wurden sie bereits anläßlich der Unterzeichnung zwecks Information der Vertragspartner

übergeben und von der NATO in einer offiziellen Mitteilung des Depositars veröffentlicht.

Der Begriff “bei der Vertragsunterzeichnung übergebene Information" ist daher vor diesem

Hintergrund zu sehen. Erst mit der Abgabe der Erklärungen anläßlich der Ratifikation

werden diese ihre völkerrechtliche Wirkung entfalten, d.h. in jedem Fall ab dem Zeitpunkt,

an dem das PfP - SOFA für Österreich in Kraft tritt.

Zur Frage 6:

Zu Beantwortung dieser Frage darf auf die Ausführungen auf den Seiten 2 und 3 des

Berichts des Außenpolitischen Ausschusses in 1170 der Beilagen zu den

Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP verwiesen werden.

Zu den Fragen 8 und 9:

Nein.