4128/AB XX.GP
An den
Herrn Präsidenten
des Nationalrates
Parlament
1017 Wien
Wien, am 10. Juli 1998
GZ 61 1000/40 - Präs.1/98
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Keppelmüller und Genossen haben am
12. Mai 1998 an mich eine schriftliche Anfrage mit der Nr. 4395/J betreffend “die
umweltpolitischen Auswirkungen des Vertrages von Amsterdam” gerichtet. Ich
beehre mich, diese wie folgt zu beantworten:
Eingangs möchte ich darauf hinweisen, daß Österreich in den Verhandlungen wäh -
rend der Regierungskonferenz eine der treibenden Kräfte im Zusammenhang mit der
verstärkten Berücksichtigung der Umwelt und der nachhaltigen Entwicklung in den
EU - bzw. EG - Vertrag war.
ad 1
Aus umweltpolitischer Sicht ist festzuhalten, daß zusammen mit den institutionellen
Zielen der Gemeinschaft der Vertrag jetzt alle vier Dimensionen der Nachhaltigkeit
(Ökonomie, Ökologie, Institutionen und Soziales) reflektiert, wie sie auch von der
Kommission für nachhaltige Entwicklung zum Ausdruck gebracht werden.
Die Aufnahme des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung in den Unionsvertrag be-
deutet eine wesentliche Aufwertung der Umweltpolitik und berücksichtigt auch die
Politiken der 2. und 3. Säule.
Darüber hinaus werden im Art. 2 die sozialen und ökonomischen Ziele mit dem
Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ergänzt. Die Schaffung eines neuen Art. 6 im
EG -Vertrag, dessen Regelungsgehalt (Integration in andere
Politikbereiche) mit dem
des aktuellen Art. 130r Abs. 2 Uabs. 2 EG - Vertrag übereinstimmt, ist besonders
erfreulich. Die politische Signalwirkung durch die Veränderung der systematischen
Stellung ist eindeutig positiv zu bewerten. Die Querschnittsklausel gebietet die
Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes insbesondere zur Förderung
einer nachhaltigen Entwicklung bei der Festlegung und Durchführung der in Art. 3
genannten Politiken und Maßnahmen.
Im Geiste des Amsterdamer Vertrages werden nach dem Gipfel von Cardiff unter der
österreichischen Präsidentschaft die ersten konkreten Schritte für eine Integration
von Nachhaltigkeit als ein übergeordnetes Ziel der Gemeinschaft eingeleitet. Die be-
troffenen Räte haben eigene Strategien zur Integration in ihren Bereichen zu erstel -
len. Die Räte Energie, Verkehr und Landwirtschaft wurden vom Europäischen Rat
aufgefordert, diesen Prozeß zu starten. In diesem Sinne werden die drei
letztgenannten Fachministerräte dem Europäischen Rat von Wien einen ersten
Bericht über die Integration von Umwelt und Nachhaltigkeit in ihren Bereichen
vorlegen.
Gemäß der Schlußakte zum Amsterdamer Vertrag betreffend Umweltverträglich -
keitsprüfungen sind diese dann durchzuführen, wenn Vorschläge mit erheblichen
potentiellen Auswirkungen für die Umwelt unterbreitet werden. Dieses Prinzip wird
auch in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Cardiff begrüßt.
ad 2 und 3
Im sogenannten ,,Review - Prozeß” ist es aus der Sicht Schwedens, Finnlands und
Österreichs essentiell, daß dieser nicht als eine 4 - jährige vorübergehende Befristung
zur Anpassung der Rechtsvorschriften der drei neuen Mitgliedstaaten gedacht war,
sondern vielmehr einen EU - weiten Überprüfungsprozeß in Gang setzen sollte, der
am Ende zu einer Anhebung der EU - Umweltstandards führt.
Der Überprüfungsprozeß hat in allen Bereichen eingesetzt bzw. ist in einigen schon
zufriedenstellend abgeschlossen. In den Bereichen, in denen dies kurzfristig nicht
möglich ist (Cadmium in Düngemitteln), wird die Verlängerung der Ausnah -
mebestimmungen und des Überprüfungsprozesses bis
zum Inkrafttreten entspre -
chender höherer Gemeinschaftsstandards für die neuen Mitgliedstaaten im Sekun-
därrecht vorgesehen.
Bezüglich der bisherigen Erfolge und Ergebnisse bzw. bezüglich der möglichen
Inanspruchnahme des Art. 100a Abs. 4 EG - Vertrag darf ich auf die Beilage
verweisen.
ad 4
Die Notifizierung strengerer nationaler Regelungen war schon bisher erforderlich
(Art. 100a Abs. 4 EG - Vertrag). In diesem Zusammenhang war lediglich unklar, ob
eine diesbezügliche Bestätigung durch die Kommission deklarativen oder
konstitutiven Charakter hat bzw. ob die Untätigkeit der Kommission als Zustimmung
zu werten ist. Mit dem neuen Art. 95 Abs. 6 wird nunmehr klargestellt, daß die Untä -
tigkeit der Kommission als Billigung der einzelstaatlichen Maßnahme zu werten ist.
Daraus läßt sich schließen, daß der Entscheidung der Kommission konstitutive Wir -
kung zukommt.
Bisherige Erfolge und Ergebnisse des Review - Prozesses
Benzolgehalt in Benzin:
Betreffend den Benzolgehalt in Benzin konnte Österreich bereits im Juni 1997 den
ersten Erfolg im Rahmen des Review - Prozesses erzielen. Der entsprechende
Grenzwert (derzeit EU - weit 5%) wird in der Treibstoffqualitätsrichtlinie unter das der -
zeitige österreichische Niveau (3%) abgesenkt (ab 2000 EU - weit 1%). Dies
entspricht dem Grenzwert, den Österreich bei Notifizierung der neuen Kraftstoffver-
ordnung vorgeschlagen hatte. In der genannten Richtlinie wird die Übergangsfrist für
Österreich um ein Jahr verlängert, so daß Österreich seinen Standard (3%) auch
während des einen Jahres bis zum Inkrafttreten der geänderten Richtlinie am
1. Jänner 2000 beibehalten kann.
• Schwefelgehalt in Heizöl:
Bezüglich des Schwefelgehaltes in Heizöl einigten sich die Umweltminister am
16. Juni 1998 auf einen gemeinsamen Standpunkt. Der höhere österreichische Stan -
dard, nämlich maximaler Schwefelgehalt von 0,1 % in Gasöl (= Heizöl extra leicht)
wird ab 2008 EU - Standard. Bis dahin kann die strengere nationale Bestimmung bei -
behalten werden.
• Quecksilbergehalt in Batterien
Die Kommission hat sich einerseits für eine Anhebung des review - relevanten
Grenzwertes für Quecksilber in Alkali - Mangan - Batterien auf das höhere schwedische
und österreichische Niveau im Ausschußverfahren noch vor der Sommerpause und
andererseits für eine Gesamtänderung der
Richtlinie auf Ratsebene entschieden.
• Cadmiumgehalt in Düngemitteln
Inzwischen wurde ein Vorschlag von der Kommission verabschiedet, der eine Ver -
längerung der Ausnahmebestimmung für weitere 3 Jahre ab dem 1. Jänner 1999
und eine Verlängerung des Review in Form weiterer Studien im Hinblick auf eine EU -
weite Lösung vorsieht. Österreich hat der Kommission bereits seine Vorstellungen
von den Anforderungen an diese Studien mitgeteilt, insbesondere im Hinblick auf
einen EU - weiten Grenzwert.
• Einstufung von gefährlichen Stoffen
Der Fortschritt bei der Neueinstufung von insgesamt 50 Stoffen ist zufriedenstellend.
Es kann daher mit dem erfolgreichen Abschluß der Neueinstufung innerhalb der vier
Jahre Übergangsfrist gerechnet werden.
• Stoffverbote
Die Stoffe Cadmium, PCP und zinnorganische Verbindungen unterliegen in Öster -
reich strengeren Beschränkungen bzw. Verboten. Österreich tritt für eine EU - weite
Lösung ein, da sämtliche Verbote nachvollziehbar sind und bekannte Alternativen
bestehen. Die Schädlichkeit von Cadmium und PCP ist hinlänglich bekannt. In die -
sem Zusammenhang hat Österreich entsprechende Studien vorgelegt. Es ist davon
auszugehen, daß die Kommission im Ausschußverfahren befriedigende Lösungen
für Österreich vor Ablauf der Frist herbeiführen wird.
• Pflanzenschutzmittel:
Das österreichische (schwedische und finnische) System betreffend Einstufung,
Verpackung und Kennzeichnung von Pflanzenschutzmitteln wird durch die Eingliede -
rung der Pflanzenschutzmittel in das System (den Geltungsbereich) der neuen Zube -
reitungsrichtlinie mit fünf Jahren Übergangsfrist übernommen. Während dieser fünf -
jährigen Übergangsfrist dürfen Finnland, Schweden und Österreich ihr System bei-
behalten.
Zur Abweichung von Harmonisierungsmaßnahmen auf Grundlage des Art. 100a EG -
Vertrag:
Erst als letzte Alternative würde Österreich den Art. l00a Abs. 4 (“nationaler Allein -
gang”) in Anspruch nehmen.
Zu den Änderungen dieser Bestimmung durch den Amsterdamer Vertrag (Art. 95
EG - Vertrag idF des Vertrages von Amsterdam) ist anzumerken, daß Art. 100a EG -
Vertrag durch den Amsterdamer Vertrag (Art. 95) klargestellt und verbessert worden
ist.
So wird die Kommission - die in ihren Vorschlägen nach Abs.1 in den Bereichen
Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen
Schutzniveau ausgeht - verpflichtet, dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche
Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen zu berücksichtigen. Im Rahmen ihrer
Befugnisse haben das Europäische Parlament und der Rat dieses Ziel ebenfalls an -
zustreben.
Der neue Absatz 7 schlägt eine Brücke zwischen der Notwendigkeit von
Ausnahmeregelungen und dem integrationspolitischen Erfordernis eines
funktionierenden Binnenmarktes. Wird einem Mitgliedstaat eine Ausnahme von einer
Harmonisierungsmaßnahme gewährt, so hat die Kommission unverzüglich zu prüfen,
ob eine Anpassung dieser Maßnahme vorzuschlagen ist. Für Österreich als
umweltfortschrittliches Land liegt darin die Chance, auch in Zukunft durch
einzelstaatliche höhere Standards eine Verbesserung der EU - Umweltpolitik zu
erreichen und somit auch umweltpolitisch weniger fortschrittliche Länder auf ein
entsprechend hohes Niveau zu bringen.
Eine weitere Hilfestellung in diesem Zusammenhang wird die verstärkte
Einflußnahmemöglichkeit des traditionell umweltfreundlichen Europäischen
Parlaments im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens bei - auf Art. 130s (Art. 175
EG - Vertrag idF des Vertrages von Amsterdam) basierenden - Vorschlägen sein.