4173/AB XX.GP
Zahl: 64.650/173 - II/20/98 Wien, am l7. Juli 1998
An den
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Heinz FISCHER
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und
Freunde haben am 28.5.1998 unter der Nr.4507/J eine schriftliche
parlamentarische Anfrage betreffend ,,Sicherheitsbehörden und
Homosexuelle - Entproblematisierung eines schwierigen Verhältnisses”
gestellt, die folgenden Wortlaut hat:
1. Sind Ihnen die oben angeführten Problembereiche im Verhältnis
zwischen Sicherheitsbehörden/ - organen und homosexuell l(i)ebenden
Menschen bekannt ?
1.a. Wenn nein, warum nicht ?
1.b. Wenn ja, was haben Sie zu deren Lösung getan und welche
(konkreten) Ergebnisse hatten ihre Bemühungen bzw. was werden
Sie tun und welche Ergebnisse/Verbesserungen erwarten Sie
konkret?
2. Kennen Sie die o.a. Entscheidung des UVS - Wien
(UVS-02/26/61/95)?
2.a. Wenn nein, warum nicht ?
2.b. Wenn ja, welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen ?
2.c. Wurden dienstrechtliche Maßnahmen gegen den betreffenden Sicher -
heitswachebeamten ergriffen/eingeleitet und zu welchem Ergebnis
führten diese ?
3. Teilen Sie die Ansicht der Anfragenden, daß die Sicherheitsbehörden
bei der Vollziehung des § 209 StGB besonders sensibel und mit Be -
dacht darauf vorzugehen haben, daß sie hier eine Gesetzesbe -
stimmung vollziehen (müssen), die - wie die Europäische
Menschenrechtskommission im Fall Sutherland vs. UK am 1.7.1997
für eine entsprechende Bestimmung im englischen Recht
festgestellt
hat - die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt, und die
aufzuheben, das Europäische Parlament Österreich bereits zweimal
ausdrücklich aufgefordert hat ?
3.a. Wenn nein, warum nicht ?
4. Werden Sie auf eine entspannte und enteiferte (sicherheitsbehörd -
liche) Vollziehung des menschenrechtswidrigen § 209 StGB hinwir -
ken ?
4.a. Wenn nein, warum nicht ?
4.b. Wenn ja, wie ?
4.c. Werden Sie die Sicherheitsbehörden entsprechend anweisen ?
Wenn nein, warum nicht ?
5. Teilen Sie die Ansicht der Anfragenden, daß bei der (sicherheitsbe -
hördlichen) Vollziehung des § 209 StGB die erkennungsdienstliche
Behandlung geeignet ist, auf entsprechend (straf - ) verfolgte homo -
sexuell l(i)ebende Männer ganz besonders diskriminierend und be -
lastend zu wirken, zumal seit kurzem (bei allen Sexualdelikten)
auch (im Hinblick auf eine bessere Verfolgung von “Kinder -
schändern”) Speichelproben genommen werden, um genetische
Daten speichern zu können ?
5.a. Wenn nein, warum nicht ?
5.b. Wenn ja, werden Sie die Sicherheitsbehörden anweisen, auf Grund
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen des ihnen einge -
räumten Ermessens, von einer erkennungsdienstlichen Behandlung
von (ausschließlich) nach § 209 StGB Beschuldigten abzusehen ?
Wenn nein, warum nicht?
6. Sind Ihnen die oben angeführten Beispiele aus anderen Ländern
für anti - diskriminierende Strategien und Maßnahmen zur Verbes -
serung des Verhältnisses zwischen Polizei und homosexuell
l(i)ebenden Frauen und Männern bekannt?
6.a. Wenn nein, warum nicht?
7. Halten Sie diese Maßnahmen auch in Österreich grundsätzlich für
geeignet, das Verhältnis zwischen den Sicherheitsbehörden/ - organen
und homosexuell l(i)ebenden Menschen zu verbessern ?
7.a. Wenn nein, warum nicht ?
8. Werden Sie bzw. Ihr Ressort mit dem Rechtskomitee LAMBDA
zusammenarbeiten, um das - durch die anti - homosexuelle Straf -
gesetzgebung ohnehin belastete - Verhältnis zwischen homo -
sexuellen BürgerInnen und der Polizei zu verbessern ?
8.a. Wenn nein, warum nicht ?
8.b. Wenn ja, welche Schritte werden Sie wann konkret setzen
?
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Es ist nicht zu leugnen, daß das Verhältnis zwischen Sicherheitsexekutive
und Homosexuellen zum Teil von Vorurteilen geprägt ist. Ich bin aber der
Überzeugung, daß sich das Ausmaß im Rahmen der in der
Gesamtgesellschaft vorhandenen Vorurteile bewegt.
Der im wesentlichen friktionsfreie Umgang - bedauerliche Einzelfälle wie
der in der Frage 2 Angesprochene werden damit nicht in Abrede gestellt -
zeigt sich unter anderem darin, daß Beschwerdefälle extrem selten sind.
Dennoch wird in etlichen Bereichen am Abbau vorhandener Barrieren
gearbeitet. Beispielsweise versuchen Beamte des Sicherheitsbüros der
Bundespolizeidirektion Wien im Zuge ihrer regelmäßigen
Streifentätigkeiten in Lokalen, die vorwiegend von Homosexuellen
frequentiert werden, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. In den
Bereichen der Bundespolizeidirektionen Linz und Salzburg bestehen
darüberhinaus Kontakte zum Verein “Homosexuelle Initiative (HOSI)”.
Weiters wurden in diesem Zusammenhang Kontakt - bzw.
Vertrauenskriminalbeamte namhaft gemacht, die als Ansprechpartner für
Anliegen Homosexueller fungieren.
Zu Frage 2:
Die Bundespolizeidirektion Wien nahm die zitierte Entscheidung des UVS
Wien zum Anlaß, im Rahmen von Aus - und Weiterbildungsmaßnahmen die
Beamten für die Thematik zu sensibilisieren.
Im konkreten Anlaßfall wurde vom Dienstvorgesetzten mit dem
einschreitenden Beamten ein klärendes und belehrendes Gespräch
geführt. Darüberhinausgehende disziplinarrechtliche Maßnahmen wurden
nicht ergriffen.
Zu den Fragen 3 und 4:
Sensibilität für die Besonderheiten einer Situation ist meiner Ansicht nach
bei jedem sicherheitsbehördlichen Einschreiten geboten. Dies gilt
selbstverständlich auch für sicherheitspolizeiliches Tätigwerden im
Zusammenhang mit der Vollziehung des § 209 StGB.
Daß die genannte Norm aber - solange sie in Geltung steht - zu
vollziehen und dabei insbesondere § 5 der Richtlinien - Verordnung zu
beachten ist, bedarf keiner näheren Erläuterung.
Zu der angeregten Anweisung an die Sicherheitsbehörden, in den in Rede
stehenden Fällen “entspannt und enteifert” vorzugehen, möchte ich
bemerken, daß meiner Ansicht nach eine (schriftliche) Weisung kaum
geeignet ist, die Einstellungen von Menschen zu verändern. Ein
“entspannter” Umgang läßt sich viel eher durch die - in Beantwortung der
Frage 1 beispielhaft dargestellten - “vertrauensbildenden Maßnahmen”
und im Rahmen der Ausbildung der Exekutivbeamten erreichen.
Zu Frage 5:
Eine generelle Anweisung im verlangten Sinne widerspräche den Vorgaben
des § 65 SPG. Dieser macht ein Absehen von einer
erkennungsdienstlichen Behandlung ausdrücklich von einer für den
(konkreten) Betroffenen erstellten Prognose abhängig.
Andererseits werden Mundhöhlenabstriche nicht (generell) “bei allen
Sexualdelikten” vorgenommen, sondern nur dann, wenn im Einzelfall
tatsächlich die Voraussetzungen des § 65 SPG für eine
erkennungsdienstliche Behandlung gegeben sind.
Zu den Fragen 6 und 7:
Beispiele aus anderen Ländern für anti - diskriminierende Strategien und
Maßnahmen zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Polizei und
Homosexuellen sind durchaus bekannt. Nicht bekannt sind jedoch
Ergebnisse längerfristiger wissenschaftlicher Evaluationen dieser
Strategien und Maßnahmen.
Zum Teil sind derartige Maßnahmen (vgl. etwa die zu Frage 1 angeführten
Kontaktbeamten) auch bereits getroffen worden.
Zu Frage 8:
Kontakte zwischen meinem Ressort und dem Rechtskomitee LAMBDA gab
es bereits. So nahmen etwa im vorigen Jahr Vertreter der
Bundespolizeidirektion Wien an einer Veranstaltung der Stadt Wien zum
Thema “HIV - Prävention bei homosexuellen Männern in Wien zwischen
Emanzipation und staatlicher Kontrolle” teil. Im Rahmen dieser
Veranstaltung entwickelte sich eine fruchtbare Diskussion
zwischen einem
Mitglied des angeführten Komitees und den anwesenden Vertretern der
Bundespolizeidirektion.
Sollte das genannte Komitee konkrete Vorschläge für eine weitere
Verbesserung des Verhältnisses zwischen Sicherheitsexekutive und
Homosexuellen haben, wird sich mein Ressort mit diesen
selbstverständlich gewissenhaft auseinandersetzen. Auch mir ist daran
gelegen, Vorurteile abzubauen und das gegenseitige Verständnis zu
fördern.