4187/AB XX.GP
7277/1 - Pr 1/1998
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Wien
zur Zahl 4471/J - NR/1998
Die Abgeordneten zum Nationalrat Heinzl, Mag. Maier und Genossen haben an
mich eine schriftliche Anfrage, betreffend politische Feststellungen in einer Urteils -
begründung des Oberlandesgerichtes Wien, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
“1. Sind Sie der Meinung, daß im Rahmen eines personalisierten Wahlkampfes al -
le Aussagen in irgendeinem Medium, welches der Partei des Spitzenkandida -
ten nahesteht, grundsätzlich ohne weitere Würdigung dem Spitzenkandidaten
zuzurechnen sind?
2. Teilen Sie die Meinung des Gerichtes, daß alle österreichische Parteien nach
dem Führerprinzip aufgebaut sind?
3. Halten Sie es ebenfalls für ein österreichisches Spezifikum, daß kurz vor der
Wahl der Gegner überraschend angepatzt wird?
4. Haben Sie Hinweise, daß das Gericht einen internationalen Vergleich von
Wahlkämpfen vorgenommen bzw. welche Literatur es für seine Aussagen her -
angezogen hat?
5. Finden Sie, daß bei politischen Wertungen durch das Gericht als Maßfigur
eher der “flüchtige Betrachter” oder der “politisch Interessierte” herangezogen
werden soll?
6. Ist es üblich, daß das Gericht für politische Wertungen Wählerstromanalysen
heranzieht?
Woher hat sie diese?
7. Was halten Sie davon, daß Beweiswürdigungen unter Negation von Tatsachen
aufgrund empirischer Erfahrungen vorgenommen werden?
8. Sind sie ebenfalls wie die Anfragesteller der Meinung, daß der Tenor dieses
Urteils die Politik generell herabwürdigt?”
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 bis 8:
Ich bitte um Verständnis dafür, daß es nicht meine Aufgabe als Justizminister sein
kann, mich mit den Einzelheiten einer Beweiswürdigung in einer gerichtlichen
Rechtsmittelentscheidung auseinanderzusetzen. Die gerichtliche Beweiswürdigung
gehört zum Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit, bei der ich auch jeden äu -
ßeren Anschein eines Eingriffs zu vermeiden habe. Ich sehe mich daher nicht in der
Lage, die Beweiswürdigung der in Rede stehenden Entscheidung des Oberlandes -
gerichtes Wien gleichsam zu kommentieren und zu den in den Fragen enthaltenen
allgemeinen politischen Wertungen Stellung zu nehmen, zumal sich diese meines
Erachtens zumindest in der dargestellten Verallgemeinerung auch nicht aus der Ent -
scheidungsbegründung ableiten lassen. Die Einschätzung, daß der Tenor des Ur -
teils die Politik generell herabwürdigt, vermag ich nicht zu teilen.
23. Juli 1998