4343/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Steibl, Dr. Brinek und Kollegen haben am

9. Juli1998 unter der Nr. 46981J an mich eine schriftliche parlamentarische

Anfrage betreffend Ergebnisse des Informellen EU - Arbeits -, Sozial - und

Frauenministerrates in Innsbruck gerichtet, deren Wortlaut in der Beilage

angeschlossen ist.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Die Diskussionen beim informellen Arbeits -, Sozial - und Frauenministerrat dienten

vor allem als Impuls für die Neugestaltung der beschäftigungspolitischen Leitlinien

1999, wobei die Fragen Gender Mainstreaming, partnerschaftliche Teilung der

Versorgungsarbeit, Segregation und Einkommen sowie Benchmarking Themen -

schwerpunkte darstellten. Sowohl das Europäische Parlament als auch die

Sozialpartner bekannten sich zu einer Stärkung des vierten Pfeilers der Nationalen

Aktionspläne für Beschäftigung bei gleichzeitiger Einführung eines Gender

Mainstreaming - Ansatzes in den anderen Pfeilern. Von den Mitgliedstaaten wurde

hervorgehoben, daß das gemeinsame Innsbrucker MinisterInnentreffen beschäft -

igungspolitisch eine bedeutende Brücke zwischen dem Gipfel in Cardiff und jenem in

Wien darstellt.

Aus der Diskussion ergaben sich folgende Zielsetzungen:

• Grundlegende Zielsetzung ist die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen,

wobei aus dem Blickwinkel der Chancengleichheit diese

Beschäftigungsverhältnisse sowohl sozial abgesichert als auch existenzsichernd

sein müssen.

• Im Sinne des Gender Mainstreaming-Ansatzes soll zu dem bereits bestehenden

vierten Pfeiler der Aspekt der Chancengleichheit in alle Schwerpunktbereiche der

Leitlinien 1999 integriert werden. Die Chancengleichheit von Behinderten sollte im

ersten Pfeiler der Leitlinien Eingang finden.

• Eine wesentliche Stärkung der Säule IV der Leitlinien der Beschäftigungspolitik

kombiniert mit speziellen Frauenförderprogrammen ist ebenso wie der Austausch

von best - practice Maßnahmen anzustreben.

• Die Verringerung der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern

und die Aufhebung der Segregation werden von den Mitgliedstaaten als wichtige

Ziele identifiziert.

• Steuersysteme und Leistungsansprüche sollten auf eventuell vorhandene

negative Anreizwirkungen für die Frauenerwerbsbeteiligung hin untersucht

werden.

• Die Methode des Benchmarking sollte ausgebaut und in Zukunft verstärkt

angewandt werden.

• Zur Formulierung politischer Ziele ist umfassendes und verläßliches Datenmaterial

erforderlich. Es sollen die Bemühungen verstärkt werden, bei allen öffentlichen

Statistiken eine nach Geschlechtern differenzierte Darstellung zu erreichen.

Zu Frage 2.

Die österreichische Bundesregierung hat mit dem Nationalen Aktionsplan für

Beschäftigung einen Plan für die Beschäftigungspolitik der nächsten fünf Jahre

vorgelegt.

Ein wesentliches Element des Nationalen Aktionsplans ist die Einbeziehung der

Chancengleichheit von Frauen und Männern in alle Maßnahmen. Damit hat

Österreich den Gender Mainstreaming-Ansatz bereits angewandt.

Ziel der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans ist es, das Niveau der Er -

werbsbeteiligung von Frauen kontinuierlich anzuheben. Ein wesentlicher

Ansatzpunkt für die Chancengleichheit von Frauen auf dem Arbeitsmarkt sind

Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

In diesem Zusammenhang werden folgende Maßnahmen gesetzt:

Eine wesentliche Voraussetzung, um zu gewährleisten, daß Frauen den gleichen

Zugang zu Beschäftigung haben können wie Männer und die ihnen ermöglicht,

Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, ist der flächendeckende Ausbau

von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Die Bundesregierung hat den Ländern als entsprechenden Impuls in den Jahren

1997/98 600 Millionen Schilling zum Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen

als Zweckzuschüsse gewährt. Damit konnten etwa 18.000 zusätzliche

kinderbetreuungsplätze geschaffen werden.

Dennoch besteht noch immer eine sehr uneinheitliche Angebotssituation. Aus

diesem Grund hat sich die Bundesregierung entschlossen, für die Jahre

1999/2000 nochmals 600 Millionen Schilling zur Verfügung zu stellen.

Schwerpunkte bei der Bundesmittelvergabe sollen diesmal Betreuungseinrich -

tungen für Kinder unter 3 Jahren sowie Horte, Betriebskindergärten und

gemeindeübergreifende Kinderbetreuungsprojekte sein. Die Richtlinien gemäß

§ 22 Abs.1 Z.3 Finanzausgleichsgesetz 1997 werden derzeit im Auftrag der

Bundeskommission zur Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen

ausgearbeitet.

• Derzeit wird in meinem Auftrag in drei verschiedenen Regionen Oberösterreichs

ein Pilotprojekt zur Schaffung eines Angebots von auf den regionalen Bedarf

abgestimmten Kinderbetreuungseinrichtungen durchgeführt. In der Region 1, vier

an dem Projekt interessierten Gemeinden Oberösterreichs, wird gegenwärtig

unter Einbindung der bereits bestehenden Strukturen ein gemeindeüber -

greifendes Betreuungssystem konzipiert. Neben der Abstimmung auf den Bedarf

der Eltern sind selbstverständlich die Berücksichtigung pädagogisch wertvoller

Kinderbetreuungsansätze und das Angebot einer ganztägigen Betreuungsform für

Kinder im Alter von 1,5 bis 10 Jahren wesentliche Ziele dieses Projekts.

Die im Rahmen dieses Projekts konzipierten ergänzenden Einrichtungen sollen

ihren Betrieb bereits ab Herbst 1998 aufnehmen.

In der sensiblen Phase der Implementierung ist eine Begleitung der handelnden

Personen, vor allem hinsichtlich des Bedarfs der Eltern und der Kooperation

zwischen den schon bestehenden und den neu geschaffenen Betreuungsformen

besonders wichtig. Weiters soll die Kommunikation mit den politischen Ent -

scheidungsträgerlnnen intensiviert werden, da eine Übernahme des Projekts in

deren Kompetenz angestrebt ist. Ein schriftlicher Erfahrungsbericht soll es

darüber hinaus anderen interessierten Gemeinden erleichtern, das Modell

kennenzulernen, gegebenenfalls zu adaptieren und umzusetzen.

Angesichts des offensichtlichen Mangels an Kinderbetreuungseinrichtungen

kommt familienergänzenden Einrichtungen, wie z.B. Tageseltern, eine wachsende

Bedeutung zu.

Wenn auch die “geringfügig Beschäftigten” seit Jänner 1998 unfall -, kranken - und

pensionsversichert sind, ist ein Teil der Tageseltern im Graubereich zwischen

regulärem Dienstverhältnis und Nachbarschaftshilfe tätig. Selbst dort, wo

Tageseltern in Tageselternvereinen organisiert sind, gibt es eklatante

Unterschiede, was das Anstellungsverhältnis und die Aus - und Weiterbildung der

Tageseltern betrifft.

Das Projekt “Cinderella” ist ein transnationales Projekt, das von mir gemeinsam

mit dem österreichischen Arbeitsmarktservice im Rahmen der Gemeinschafts -

initiative Employment NQW gefördert wird.

Ziele dieses Projektes sind die Entwicklung eines neuen anerkannten Berufsbildes

Tagesmutter und entsprechender Curricula mit Durchlässigkeit zu verwandten

Berufen mittels gegenseitiger Anerkennung als Hilfe für Wiedereinsteigerinnen mit

Langzeitperspektive. Besonders innovativ an diesem Projekt ist die Erschließung

bzw. Strukturierung neuer Berufe für Wiedereinsteigerinnen, ein flexibles Ein-

gehen auf unregelmäßige Arbeitszeiten und die Aus- und Weiterbildung in

Modulen mit Überstiegsmöglichkeiten zu ähnlichen Berufen. Mit diesem ver -

stärkten Multiplikatoreneffekt wäre eine parallele Bekämpfung der Doppel -

problematik der Frauenarbeitslosigkeit und des Defizits an einer flexiblen

Kinderbetreuung sowohl im städtischen wie im ländlichen Bereich möglich.

Um der Problematik des Wiedereinstieges in das Erwerbsleben nach einer

Unterbrechung anläßlich der Geburt eines Kindes wirksamer begegnen zu

können, ist die verbesserte Information über die arbeitsrechtlichen und

sozialrechtlichen Ansprüche von KarenzurlauberInnen mit der Zielrichtung des

Wiedereintritts in das Berufsleben unerläßlich.

Die Erstellung von Informationsmaterial für KarenzurlauberInnen und Wieder -

einsteigerlnnen ist daher auch im nationalen Aktionsplan für Beschäftigung als

Maßnahme der Unterstützung des Wiedereinstiegs in das Erwerbsleben vor -

gesehen.

Mit Entschließung des Nationalrates vom 16. April 1998 wurde ich ersucht,

KarenzurlauberInnen im besonderen und darüber hinaus die gesamte Öffent -

lichkeit in adäquater Form über die Möglichkeiten der Gestaltung der Karenzzeit

sowie die verschiedenden Unterstützungsangebote anläßlich des Wiedereintritts

ins Erwerbsleben in enger Kooperation mit dem Hauptverband der Sozialver -

sicherungsträger und dem Arbeitsmarktservice effizienter und zielgruppen -

spezifischer zu informieren und den Betroffenen die notwendigen Informationen

bereits in der Entscheidungsphase über die karenz- und Wiedereintrittsgestaltung

zugänglich zu machen.

Aus diesen Gründen sind zwei lnformationsbroschüren in Vorbereitung, die vor

allem auf die Gestaltung der Karenzzeit und Planung der Wiedereinstiegsmög -

lichkeiten und die Erhaltung eines bestehenden Dienstverhältnisses durch

rechtzeitige Information und darauf aufbauendes Handeln der Karenzur -

lauberInnen ausgerichtet sind.

Eine Broschüre richtet sich an Frauen und Männer vor Antritt der Karenzzeit und

wird insbesondere umfassende Informationen über die Möglichkeiten der

Karenzgestaltung und Teilzeitarbeit während der Karenz, die zugrundeliegenden

arbeitsrechtlichen Ansprüche, Fristen etc. sowie die sozialversicherungs -

rechtlichen Ansprüche beinhalten.

Die zweite Broschüre wird über Bestimmungen betreffend den Wiedereinstieg in

das Erwerbsleben informieren. Dazu gehören die arbeitsrechtlichen Bestim -

mungen, was die Rückkehr in ein Beschäftigungsverhältnis - bzw. dessen

Beendigung - betrifft, die Förderinstrumentarien des Arbeitsmarktservice,

sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, z.B. auf (Sonder-)Notstandshilfe,

ebenso wie z.B. die Anspruchsvoraussetzungen für die Erlangung einer

Kinderbetreuungsbeihilfe.

Zu Frage 3:

Die Arbeits-, Sozial- und FrauenministerInnen haben beim gemeinsamen Informellen

Treffen in Innsbruck die Verringerung der Einkommensunterschiede und die Auf -

hebung der Segregation des Arbeitsmarktes als wichtiges Ziel definiert.

In diesem Sinne sind die Mitgliedstaaten in Innsbruck übereingekommen, in Zukunft

die Bemühungen zu verstärken, der horizontalen und vertikalen geschlechts -

spezifischen Segregation des Arbeitsmarktes entgegenzuwirken und dies in den

Nationalen Aktionsplänen für Beschäftigung zum Ausdruck zu bringen. Hinsichtlich

der Einkommensdifferenzen zwischen Männern und Frauen werden sich die

Mitgliedstaaten und die Sozialpartner in Zukunft verstärkt darum bemühen, die

Auswirkungen von rechtlichen, kollektivvertraglichen und anderen Maßnahmen auf

die Einkommensverläufe von Frauen ebenso wie von Männern zu überprüfen und

entsprechende Schritte in der Lohnpolitik zu setzen, die stärker auf eine Reduktion

der Einkommensunterschiede abzielen. Das Ziel der Reduktion der Einkommens -

unterschiede sollte in die Leitlinien der Beschäftigungspolitik 1999 Eingang finden.

Darüber hinaus hat die Diskussion beim gemeinsamen Informellen Treffen gezeigt,

daß es ein gemeinsames Ziel der Mitgliedstaaten und der Kommission ist, im

Einkommensbereich eine Verbesserung der Datensituation zu erreichen.

Zu Frage 4:

Auf europäischer Ebene wurde mit der Elternurlaubsrichtlinie bereits ein erster

Schritt hinsichtlich verstärkter Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und

Kinderbetreuung bzw. - pflege gesetzt. In der Richtlinie ist ein Individualanspruch des

Vaters auf Elternurlaub vorgesehen. Ziel ist es, die Inanspruchnahme des Eltern -

urlaubes durch Väter zu erhöhen. Es wäre wünschenswert, daß die zur Umsetzung

dieser Richtlinie in Österreich notwendigen rechtlichen Änderungen ehestmöglich

durchgeführt werden.

Im Rahmen des Informellen Treffens der MinisterInnen in Innsbruck wurde das

Thema der partnerschaftlichen Teilung der Versorgungsarbeit intensiv diskutiert. In

einer erwerbsarbeitszentrierten Gesellschaft ist der Zugang zu bezahlter Arbeit ein

entscheidender Faktor für die Gleichstellung von Frauen. Daher müssen Hinder -

nisse, die diesem Zugang entgegenstehen, beseitigt werden. Zu diesen Hinder -

nissen zählt die Tatsache, daß meist Frauen die Verantwortung für die Vereinbarkeit

von Beruf und Familie sowie die unbezahlte Hausarbeit und Versorgungsarbeit

tragen. Bereits jetzt ist in den Leitlinien der Beschäftigungspolitik die Förderung der

leichteren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer als Ziel

festgelegt.

In Innsbruck wurde die Forderung der Frauenministerinnen nach ,,leistbaren, gut

zugänglichen und qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen", wie sie

im Mai in Belfast formuliert wurde, von den Arbeits- und SozialministerInnen

unterstützt. Eine solche Formulierung soll in die Leitlinien der Beschäftigungspolitik

1999 Eingang finden.

Auch die Frage der Teilzeitarbeit wurde bei dem gemeinsamen Informellen Treffen in

Innsbruck thematisiert. Von den Mitgliedstaaten wurde anerkannt, daß Teilzeitarbeit

unter anderem auch in Hinblick auf die leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Familie

für Frauen und Männer von Bedeutung ist. Allerdings blieben dabei auch die Risiken

nicht unerwähnt. So wurde zwar auf europäischer Ebene mit der Teilzeitrichtlinie

bereits beabsichtigt, die “Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten” zu beseitigen

und “die Entwicklung von Teilzeitarbeit auf freiwilliger Basis” zu fördern. Trotzdem

haben die Mitgliedstaaten anerkannt, daß die Möglichkeiten eines Wechsels

zwischen Teil - und Vollerwerbstätigkeit und der Rechte zur Gestaltung der Arbeits -

zeit für ArbeitnehmerInnen mit Betreuungspflichten verstärkt auszubauen sind.

Zu Frage 5:

Im Ministerrat wurde bereits am 23. Juli 1998 ein Bericht über die Ergebnisse des

gemeinsamen Informellen Treffens der Arbeits -, Sozial - und FrauenministerInnen

vorgelegt. Es ist vorgesehen, die schriftliche Zusammenfassung der Ergebnisse

beim Rat “Arbeit und Soziales” am 5. Oktober 1998 nochmals zu präsentieren.

Weiters habe ich veranlaßt, daß der Bericht an den Ministerrat den Abgeord -

neten zum Nationalrat und zum Bundesrat sowie den Gleichbehandlungsbe -

auftragten und den Frauenbeauftragten der Länder samt den Schlußfolge -

rungen und eine Kurzfassung der Studie “Chancengleichheit und Beschäfti -

gung in der Europäischen Union” von Prof. Jill Rubery übermittelt wird.