4500/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4819/J - NR/1998 betreffend ein Urteil des Ober -

landesgerichts Wien vom 4. Mai 1998 zu 18 Bs 384/97, betreffend das “Dokumentations -

zentrum des österreichischen Widerstandes" (DÖW), die die Abgeordneten Mag. Johann Stadler

und Kollegen am l7. Juli 1998 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

 

Es trifft nicht zu, dass das OLG Wien in seinem Urteil vom 4. Mai 1998, 18 Bs 384/97, die in

der Einleitung der Anfrage getroffenen Feststellungen getroffen hat Es gibt somit kein Gerichts -

urteil, das festgestellt hat, dass das "Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstan -

des" (richtig "Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes") eine "kommunisti -

sche Tarnorganisation" und dass deren Leiter Dr. Wolfgang NEUGEBAUER ein "Denunziant"

sei.

 

 

Richtig ist vielmehr, dass das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit dem genannten

Urteil den Autor eines sich mit dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes

und dessen Leiter befassenden Medienberichtes wegen einer in diesem Bericht enthaltenen

Feststellung wegen Vergehens der üblen Nachrede zu einer Geldstrafe verurteilt hat. Bereits im

Ersturteil hätte das Landesgericht für Strafsachen Wien festgestellt, dass es sich bei der

Bezeichnung des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes als "kommunis -

tische Tarnorganisation" um ein Werturteil handle, wie es bei Politikern auch in einer Weise,

die als verletzend, schockierend oder irritierend empfunden werden möge, straflos bleibt. Eine

analoge Feststellung hat das Oberlandesgericht Wien im Berufungsurteil hinsichtlich der

Bezeichnung des Privatklägers Dr. Wolfgang NEUGEBAUER als "Denunziant" getroffen.

Die Gerichte sind damit einer mit der einschlägigen österreichischen Rechtstradition brechenden

Judikatur gefolgt, die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen -

rechte entwickelt worden ist. Dieser hatte in mehreren Verfahren - unter anderem auch jenem, in

dem ein österreichischer Politiker als "Trottel" bezeichnet worden war - zum Ausdruck

gebracht hat, dass “die Grenzen akzeptabler Kritik in Bezug auf einen Politiker, der in seiner

öffentlichen Funktion handelt, weiter zu ziehen seien, als in Bezug auf eine Privatperson. Die

Anforderungen an den Schutz des guten Rufes eines Politikers müssten gegenüber den Interessen

an einer offenen Diskussion politischer Fragen abgewogen werden, Ausnahmen von der Freiheit

der Meinungsäußerung seien daher eng auszulegen"

Eine Bestätigung des Werturteils durch die Gerichte kann daraus ebenso wenig abgeleitet

werden, wie eine Beurteilung des Wahrheitsgehaltes.

 

Im Übrigen beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

 

1.  Hat Ihr Ministerium, haben nachgeordnete Ihrem Ministerium unterstehende Stellen

     bzw. Schulen jemals mit dem ,,Dokumentationszentrum des österreichischen Wider -

     standes” zusammengearbeitet? -

     Wenn ja, wann, wie oft, von welchen Abteilungen und in welchen Angelegenheiten?

 

Antwort:

Seitens meines Ressorts und seitens der österreichischen Schulen wurde und wird zu Themen der

Zeitgeschichte Österreichs mit dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes

zusammengearbeitet. Die Auswahl der Ansprechpartner steht den Lehrerinnen und Lehrern im

Rahmen ihrer Lehr - und Methodenfreiheit frei. Wie in allen Teilbereichen des

Geschichteunterrichts und der politischen Bildung in der Schule ist selbstverständlich jeder

Einsatz von Informationen oder Materialien sowie Personen aus dem genannten Archiv danach

zu prüfen, ob eine umfassende, zu selbständigem Urteil anleitende Beschäftigung mit den

angesprochenen Themenfeldern unterstützt wird. Wenn eine den Unterricht belastende Einseitig -

keit in der Vermittlung zu befürchten ist, hat der Einsatz zu unterbleiben.

 

2.  Wird Ihr Ministerium bzw. werden nachgeordnete Ihrem Ministerium unterstehende

     Stellen sowie Schulen weiterhin mit dem "Dokumentationszentrum des österreichischen

     Widerstandes” (laut Gerichtsurteil “kommunistische Tarnorganisation”) und dessen

     Leiter Dr. Wolfgang Neugebauer (laut Gerichtsurteil “Denunziant”) zusammen -

     arbeiten? -

     Wenn ja, warum?

Antwort:

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes ist ein international anerkanntes

wissenschaftliches Institut, das im Rahmen des Zeitgeschichteunterrichts und auf der Basis der

Ausführungen zur Frage 1 mit österreichischen Schulen kooperiert. Dadurch werden den

Schulen wichtige Informationen zur Verfügung gestellt bzw. Kontakte vermittelt, um diesen

Themenbereich entsprechend bearbeiten zu können. Diese Zusammenarbeit wird den Schulen

weiterhin offen stehen.

 

 

3.   Sind Sie bereit, den zwischen Ihnen, Ihren Amtsvorgängern und (laut Gerichtsurteil

      "Denunziant”) Dr. Wolfgang Neugebauer stattgefundenen Schriftverkehr dem

      Nationalrat vorzulegen? -

      Wenn nein, warum nicht?

 

Antwort:

Ich sehe keine Veranlassung, meinen persönlichen Schriftverkehr oder den meiner

Amtsvorgänger dieser Anfrage beizulegen. Dies schon deshalb, weil für meine bisherige

Amtszeit festgehalten werden kann, dass es sich lediglich um ein Schreiben zur Präsentation des

Vereins zu meinem Amtsantritt, um drei Dankschreiben für die erhaltenen Förderungen sowie

für die Schließung des Rassensaals im Naturhistorischen Museum, ein Unterstützungsschreiben

für den Sohn eines KZ - Opfers sowie um die persönliche Darstellung der Sichtweise im

Zusammenhang mit dem angesprochenen Gerichtsurteil handelt.

 

4.   Welchen Gesamtbetrag hat das "Dokumentationszentrum des österreichischen “Wider -

      standes” (laut Gerichtsurteil eine “kommunistische Tarnorganisation”) über die letzten

      15 Jahre als Förderung aus Ihrem Ressort erhalten?

 

Antwort:

Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes wurde aus dem Kapitel 12

zwischen 1983 und 1997 mit ca. 3,9 Mio. S gefördert.