4583/AB XX.GP
Die Abgeordneten Kiss, Platter und Kollegen haben am 16. September 1998 unter der
Nr. 4843/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend "die
Vorgangsweise der Behörde im Zusammenhang mit dem tragischen Amoklauf in Aspang”
gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
1. Wie lautete die Meldung des GPK Aspang, in der Zweifel all der Verläßlichkeit des
Siegfried S. bzw. seiner Mutter geäußert wurden, im Wortlaut?
2. Wieso wurde diese Meldung, wie sich aus einem im ORF ausgestrahlten Interview mit
dem Bezirkshauptmann von Neunkirchen ergibt, offenbar erst nach dem Amoklauf des
Siegfried S. bekannt?
3. Wieviele Anzeigen wurden am GPK Aspang gegen Siegfried S. wegen Gewalttätigkeit
und unbefugten Waffengebrauchs gemacht?
4. Wurden alle Anzeigen der Nachbarn auch tatsächlich aufgenommen, oder wurden die
Anzeiger nur vertröstet?
5. Wurden die Anzeigen an die Behörde weitergeleitet?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, warum haben diese Anzeigen nicht zu einem Waffenverbot geführt?
6. Wie kam es dann, daß die Behörde angeblich von Juli 1995 bis Ende Juli 1998 keine
Meldungen erhielt, obwohl jedenfalls sichergestellt erscheint, daß im Juli 1997 eine
Anzeige aufgenommen worden war?
7. Warum hat die Behörde nicht auch gegen die Mutter des Siegfried S. ein Waffenverbot
erlassen, als erkennbar wurde, daß diese ihrem Sohn offenbar Zugang zu den Waffen
ermöglicht, obwohl die für Siegfried S. ausgestellte Waffenbesitzkarte bereits entzogen
worden war und daher mangelnde Verläßlichkeit der Mutter vorlag?
8. Wie beurteilen Sie die Aussage der Behörde, daß auf Grund des Gesetzes keine rechtliche
Grundlage für ein Vorgehen gegen Siegfried S. bzw. gegen dessen Mutter bestanden hat,
insbesondere im Lichte der Bestimmungen über die Verläßlichkeit (Verwahrungspflicht)
und die Möglichkeiten eines vorläufigen Waffenverbots?
9. Wann wurde bei Frau S. die letzte regelmäßige Verläßlichkeitsprüfung durchgeführt?
10. Wie beurteilen Sie rückblickend diese Vorgangsweisen?
II. Welche Konsequenzen werden Sie daraus
ziehen?
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Von 1992 bis 1998 wurden vom Gendarmerieposten Aspang insgesamt drei Berichte
an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen erstattet, die sich auf die Verläßlichkeit des
Siegfried SCHABAUER, sowie seiner Mutter bezogen.
- Am 5. April 1992 wurde über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen im Zuge
eines von Siegfried SCHABAUFR gestellten Antrages auf Erteilung einer
Waffenbesitzkarte der Behörde berichtet, daß bis zu diesem Zeitpunkt gegen den
Betroffenen eine Anzeige wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 137 StGB
(Eingriff in fremdes Jagd - und Fischereirecht) an das Bezirksgericht Aspang und eine
Anzeige wegen eines Verkehrsunfalles mit tödlichem Ausgang an die Staatsanwaltschaft
Wiener Neustadt erstattet wurden. Abschließend wurde der Bericht noch mit folgendem
Vermerk ergänzt: ,,Nach ho. Ansicht dürfet die Verläßlichkeit gem. § 6 des
Waffengesetzes nicht gegeben sein. Der Besitz einer Waffe ist nicht
gegeben".
• Am 2. Juli 1995 erstattete der Gendarmerieposten Aspang gegen Siegfried
SCHABAUER wegen des Verdachtes von Übertretungen nach dem
Niederösterreichischen Polizeistrafgesetz und dem Pyrotechnikgesetz eine Anzeige an die
Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen. In dieser Anzeige wird ausgeführt:
“Verläßlichkeit: Durch das vorangeführte Verhalten des Siegfried SCHABAUER in
Alkoholisiertem Zustand scheint die Verläßlichkeit zum Besitz von Faustfeuerwaffen
und zum Besitz einer Waffenbesitzkarte nicht mehr gegeben. Weiters wurde er
bereits zweimal wegen schwerer Körperverletzung (Angriff auf Beamte) gerichtlich
verurteilt.
Berta SCHABAUER besitzt ebenfalls eine Waffenbesitzkarte. Da sie die
angeführten Aktivitäten ihres Sohnes Unterstützt, erscheint bei ihr ebenfalls die
Verläßlichkeit nicht gegeben."
• Am 29. Juli 1998 erstatteten Nachbarn des Siegfried SCHABAUER persönlich am
Gendarmerieposten Aspang Anzeige, weil sie vermuteten, daß der Genannte am 22., 24.
und 25. Juli 1998 innerhalb des eingefriedeten Grundstückes Schüsse abgegeben habe.
Nach Darstellung des Sachverhaltes und der Vorwürfe der Anrainer wurde ausgeführt:
“Siegfried SCHABAUER wurde mit Bescheid der BH Neunkirchen vom 21. Juli
1995 aufgefordert, seine Waffenbesitzkarte den Behörden vorzulegen, da er als nicht
mehr verläßlich im Sinne des Waffengesetzes anzusehen war.
Weiters ist Siegfried SCHABAUER schon mehrmalig von der ho. Dienststelle
wegen Übertretung der StVO § 4 und 5
der BH Neunkirchen angezeigt worden.
Weiters ist bekannt, daß er zur Trunksucht neigt und in alkoholisiertem Zustand zu
Gewalttätigkeiten neigt, wobei er in diesem Zustand auch immer zu einer
Schußwaffe greift und damit im Garten herumschießt.
Seiner Mutter Berta SCHABAUER hat im Jahre 1993 die Ausstellung einer
Waffenbesitzkarte beantragt und diese auch für 2 Stück
Faustfeuerwaffen erhalten.
Nach ho. Ansicht ist Berta SCHABAUER ebenfalls im Sinne des Waffengesetzes als
nicht mehr verläßlich anzusehen, da sie mit der Handhabung der Waffen nicht."
Zu Frage 2:
Der Bericht vom 29. Juli 1998 langte am Folgetag bei der Bezirkshauptmannschaft
Neunkirchen ein, die unverzüglich ein Verfahren zur Erlassung eines Waffenverbotes gegen
Siegfried SCHABAUER und eines zur Entziehung der Waffenbesitzkarte gegen dessen
Mutter eingeleitet hat.
Zu Frage 3:
Der Gendarmerieposten Aspang erstattete gegen Siegfried SCHABAUER l992
unter CZ P 520/92 wegen des Verdachtes der Vergehen nach den §§ 84, 107 und 125 StGB
Anzeige an die Staatsanwaltschaft sowie 1995 unter GZ P 923/95 an die
Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen wegen Übertretungen des Niederösterreichischen
Polizeistrafgesetzes und des Pyrotechnikgesetzes in Zusammenhang mit dem Gebrauch von
Schußwaffen. Weiters wurde unter GZ P 915/98 auf Grund von Anzeigen seiner Nachbarn
ein Vorfallsbericht an die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen erstattet.
Darüber hinaus betrafen Anzeigen Übertretungen nach den §§ 4 Lind 5 StVO.
Frage 4, 5 und 6:
Konkrete Anzeigen der Nachbarn wurden vom Gendarmerieposten Aspang
aufgenommen und an die zuständige Waffenbehörde weitergeleitet.
Darüber hinausgehende Vorfälle im Zusammenhang mit angeblichen Schüssen auf
dem Grundstück der Familie SCHABAUER oder in dessen Nähe wurden dein
Gendarmerieposten Aspang zwar gemeldet, doch konnten Erhebungen den Verdacht nicht
bestätigen. Vielmehr wurden diese später - selbst von den Anrainern - auf während der
Jagdzeit abgegebene Schüsse anderer
zurückgeführt oder von Siegfried SCHABAUER mit
der Verwendung von Knallkörpern abgeklärt.
Nach der im Jahr 1995 erstatteten Anzeige gegen Siegfried SCHABAUER, die zum
Entzug der Waffenbesitzkarte geführt hatte, gingen bis zum 29. Juli 1998 keine konkreten
Anzeigen gegen Siegfried SCIABAUER ein.
Zu Frage 7:
Die Behörde realisierte erst aufgrund des Berichtes vom 29. Juli 1998 daß Berta
SCHABAUER ihrem Sohn Zugang zu den Waffen ermöglichte und daher auch ihre
Verläßlichkeit in Zweifel zu ziehen war.
Zu den Fragen 8, 10 und 11:
Der von der Behörde l992 vom Gendarmerieposten Aspang eingeholte Bericht zur
Verläßlichkeit des Siegfried SCHABAUER wies bereits Mitteilungen über
Verhaltensweisen des Betroffenen auf, die - insbesondere im Wissen um seinen später
deutlich gewordenen Charakter - als Hinweis auf eine nicht mit den rechtlich geschützten
Werten unserer Gesellschaft verbundene Einstellung gedeutet werden hätten können. Im
Lichte der im Waffengesetz beispielhaft genannten und nur sehr schwere Verfehlungen
betreffenden Fälle in denen vom Ausschluß der Verläßlichkeit ausgegangen werden kann, ist
die Behörde wohl deshalb von der Verläßlichkeit des Antragstellers ausgegangen, weil die
ihm damals vorgeworfenen Übertretungen qualitativ keinesfalls an die im Gesetz
aufgezählten genannten herankamen.
Auf Grund der Mitteilung des Gendarmeriepostens im Jahre 1995 wurde Siegfried
SCHABAUER die Waffenbesitzkarte wegen mangelnder Verläßlichkeit entzogen. Für die
Behörde ergab sich somit aus dem Bericht der Gendarmerie, daß das Verhalten zwar Grund
dafür gab, ihm die waffenrechtliche Verläßlichkeit abzusprechen, doch noch nicht genügend
Anhaltspunkte für die Erlassung eines Waffenverbot es.
Grundsätzlich kann somit davon ausgegangen werden, daß die Behörde - soweit ein
Bericht vorlag - Maßnahmen gegen Siegfried SCHABAUER ergriffen hat, auch wenn im
Wissen um sein späteres Verhalten deutlich wird, daß sie von den gesetzlich eingeräumten
Möglichkeiten in weiterem Umfang Gebrauch machen hätte sollen.
Hiebei sollten allerdings die Schwierigkeiten der Grenzziehung zwischen dem
Entziehungstatbestand und den Voraussetzungen zur Erlassung eines Waffenverbotes nicht
außer Acht gelassen werden. Welche Unterscheidungen der Gesetzgeber hier den Behörden
aufgetragen hat, wird etwa aus der Begründung eines Erkenntnisses des
Verfassungsgerichtshofes deutlich, der dazu ausführt “Gegenüber dem
Entziehungstatbestand setzt der strengere
Verbotstatbestand eine qualifizierte
Verwendungswidrigkeit der Waffen, nämlich Mißbrauch voraus. Demgegenüber ist der
Entzug der waffenrechtlichen Urkunde schon vom Mangel der Verläßlichkeit abhängig.
Diese wiederum ist nicht gegeben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß Waffen
mißbräuchlich oder leichtfertig verwendet werden. Insofern ist das Waffenverbot an
strengere Anforderungen in bezug auf den Sachverhalt geknüpft." - VwGH 9.5.1978, Zl.
2895/76.
Mitteilungen über Tatsachen, die die Verläßlichkeit von Berta SCHABAUER
nachhaltig in Zweifel zogen, gingen der Behörde, wie bereits oben dargestellt, erst Ende Juli
1998 zu, die schließlich auch zur Einleitung eines Verfahrens Anlaß gaben.
Die Möglichkeit eines Waffenverbotes gemäß § 13 WaffG besteht erst seit 1. Juli
1997; es tritt von gesetzeswegen nur dann ein, wenn Schußwaffen durch Organe des
öffentlichen Sicherheitsdienstes - wegen Gefahr im Verzug — sichergestellt werden. Das
heißt, daß Umstände vorliegen müssen, die bei Unterlassung der Sicherstellung Gefährdung
von Leben, Gesundheit oder Freiheit unmittelbar befürchten lassen. Wie sich aus den
Anzeigen der Anrainer ergab, lagen die maßgeblichen Vorfälle bereits mehrere Tage zurück.
Die Annahme der Gendarmeriebeamten, daß daher keine Gefahr im Verzug vorliege,
erscheint demzufolge zumindest nachvollziehbar. Wieder wird im nachhinein deutlich, daß
das voll Siegfried SCHABAUER ausgehende Gefahrenpotential unrichtig eingeschätzt
wurde.
Die Vorgangsweise der Waffenbehörde und der Beamten machen zwei Aspekte
deutlich: Einerseits bedarf es einer verstärkten Sensibilisierung im Hinblick auf die
Gewaltbereitschaft von Waffenbesitzern und andererseits müssen die Handlungsanleitungen
auf gesetzlicher Ebene deutlicher gefaßt werden. Zum ersten Punkt wurde mit der 2. WaffV
bereits ein wichtiger Schritt in Richtung erhöhter Aufmerksamkeit für gewaltgeneigte
Verhaltensweisen gesetzt. Zur Schaffung eindeutigerer Normen auf diesem Gebiet ist der
Gesetzgeber ebenso aufgerufen wie zu einer deutlichen Verringerung des privaten
Schußwaffenbesitzes.
Zur Frage 9:
Die waffenrechtliche Verläßlichkeit von Berta SCIABAUER wurde zuletzt 1997 überprüft.
Der dazu ergangene Bericht des Gendarmeriepostens Aspang vom 10. September 1997
attestierte unter anderem auch, daß die Waffen sorgfältig verwahrt waren.