4594/AB XX.GP
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
Wien
zur Zahl 4882/J—NRI1 998
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Strafanzeige gegen K.D. auf-
grund des Artikels vom 13.11.1997 in der Zeitschrift “Der 13.” gegen homosexuelle
Personen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
"1. Wie lautet die Begründung der Staatsanwaltschaft Linz, mit der im gegen-
ständlichen Fall die Zurücklegung der Strafanzeige gegen K.D. erfolgte?
2. Ist es allgemein gültige Meinung der Anklagebehörde, dass durch derartige Ar-
tikel der Tatbestand der Verhetzung nicht vorliegt?
3. Wann ist dann der Tatbestand des § 283 StGB (Verhetzung) nach Meinung
der Anklagebehörde erfüllt?
4. Denken Sie angesichts dieser Entscheidungspraxis der Anklagebehörde an ei-
ne Novellierung des § 283 StGB (Verhetzung), um den Schutz der Menschen-
rechte für soziale, ethnische, kulturelle und andere Minderheiten nicht vorliegt?
5. Wie lautet die Begründung der Anklagebehörde, dass durch den gegenständli-
chen Artikel ein Verstoss gegen das Verbotsgesetz nicht vorliegt?
6. Warum stellt für die Anklagebehörde die Aufforderung, mit allen Mitteln gegen
Lesben und Schwule vorzugehen (Bürgerwehren zu errichten, mit Ochsenzim-
mer zurechtweisen, ...), keine Aufforderung zu einer mit Strafe bedrohten
Handlung dar?
7. Der Richter des Landesgerichtes Linz im Verfahren 24EVr2236/97 vergleicht in
seiner Urteilsbegründung die
Homosexualität mit Verhalten in der Tierwelt
(5 14 f des Urteiles). Teilen Sie die Auffassung, dass dadurch die Gesinnung
der homosexuellen Antragsteller/innen verächtlicht gemacht wird?
8. Was wird von Ihrem Ministerium aufgrund dieser Entgleisung gegen den be-
troffenen Richter unternommen.
9. Werden Sie veranlassen, dass gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet
wird?
10. Werden Sie dafür sorgen, dass sich die Justizbehörden bei den lesbischen und
schwulen Antragsteller/innen für dieses Verhalten eines Richters entschuldi-
gen?"
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1 bis 3 und 5 bis 6:
Die Staatsanwaltschaft Linz führte in ihrem Bericht vom 10. Dezember 1997,
10 St 352/97h, mit dem sie der Oberstaatsanwaltschaft Linz über die Einstellung des
Strafverfahrens gegen K.D. Mitteilung machte, folgendes aus:
"Der Anzeiger... übermittelte Ablichtungen eines Teiles der Ausgabe Nr.11
vom 13.11.1997 des periodischen Druckwerkes ““Der 13.” mit Verlagsort in
Kleinzell, in welcher ein vom Angezeigten K. D. verfaßter Artikel erschien,
durch welchen nach Ansicht des Anzeigers die Tatbestände der §§ 283
StGB und 3 g VerbotsG verwirklicht sind.
In diesem Artikel wird eine Homosexuelle und Lesben ablehnende Haltung
vertreten. In diesem Zusammenhang kritisiert der Artikelverfasser, daß in
einem vom Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, redigierten “Neuen
Katechismus” angeführt ist: “Eine nicht geringe Zahl von Männern und
Frauen sind homosexuell veranlagt. Sie haben diese Veranlagung nicht
selbst gewählt; für die meisten von ihnen stellt sie eine Prüfung dar. Ihnen
ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend-
einer Weise zurückzusetzen.", wobei in dem Artikel in der Folge dargelegt
wird, daß die Homosexuellen nach Meinung des Verfassers nicht Opfer ei-
ner Veranlagung seien, sondern es sich dabei um von diesen zu steuernde
Neigungen handle.
Weiters wird in dem Artikel kritisiert, daß der Erzbischof von Wien, Chri-
stoph Schönborn, in einem ORF-Interview erklärt habe, er habe Homosexu-
ellen- und Lesbenmessen in einer Wiener Kirche nur deshalb untersagt, um
die Betroffenen nicht zu ghettoisieren; dies wird vom Artikelverfasser damit
kommentiert, daß , wenn es einen Mount Everest der Feigheit gäbe, der
Herr Erzbischof von Wien ihn mit dieser Aussage mühelos erstiegen hätte.
In der Folge wird der Leiter der Arbeitsgruppe Homosexualität und Katholi-
sche Kirche, Johannes Wahala, als “Magister der Homophille” bezeichnet;
weiters wird angeführt, daß der “Schwulen und Lesbenseelsorger Wahala”
mit seiner frommen Gemeinde schließlich in ein unterirdisches Gewölbe am
Donaukanal auswich, wo die Abwässer von Wien zusammenfließen: das sei
der passende
Ort für eine Homosexuellenwerbung im Fernsehen.
Weiters wird ausgeführt. daß Homosexuelle und Lesben in der Kirche, ins-
besondere den “Mystischen Leib Christi‘”, mit ihrer abartigen und sündigen
Leiblichkeit verunehren; sie gehörten geschlechtsspezifisch mit Peitsche
und Ochsenziemer zurechtgewiesen; weiteres seien die laufenden Provoka-
tionen durch das Perverse mit allen Mitteln des möglichen Widerstandes zu
beantworten.
Zuletzt wird an den Erzbischof von Wien appelliert, “den Degen zurückzu-
ziehen und das Untier in allen seinen apokalyptischen Erscheinungen mit
elegantem, aber treffsicherem geistigem Stoß zu erledigen”.
Zum angezeigten Verdacht nach § 283 StGB ist anzuführen, daß ein Tatbe-
stand im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht gegeben ist, weil Homosexuelle
und Lesben keine bestimmte, einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, ei-
ner Rasse, einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat zugehörige
Gruppe darstellen.
Wenn in dem Artikel unter anderem angeführt ist, Homosexuelle und Les-
ben “gehörten geschlechtsspezifisch mit Peitsche und Ochsenziemer zu-
rechtgewiesen”, so kann darin eine Aufforderung zu einer mit Strafe bedroh-
ten Handlung im Sinne des § 282 Abs. 1 StGB nicht erblickt werden, da
dies einerseits im Kontext mit dem sonstigen Inhalt des Artikels, insbeson-
dere zum oben angeführten, zuletzt angeführten Appell an den Erzbischof
von Wien, wohl nur im übertragenen Sinne verstanden werden kann, dieser
Passus andererseits bei anderen nicht unmittelbar den Entschluß zur Bege-
hung von Straftaten erwecken soll (Leukauf-Steininger, StGB3, RN 3 zu
§282).
Wenn nun, wie bereits eingangs zitiert, dem Erzbischof von Wien, Christoph
Schönborn, Feigheit vorgeworfen und Mag. Johannes Wahala als “Schwu-
len- und Lesbenseelsorger” tituliert wird, so handelt es sich dabei um die
Schwelle der Strafbarkeit noch nicht überschreitende Kritik, sodaß die Tat-
bestände der §§ 111 Abs. 1 (Zeihung einer verächtlichen Eigenschaft) bzw.
115 Abs. 1 (Beschimpfung, Verspottung), 117 Abs. 2, letzter Satz StGB
nicht gegeben sind.
Die Ansicht des Anzeigers, es läge auch der Verdacht eines Tatbestandes
nach dem Verbotsgesetz vor, bezieht sich offenbar auf jene Passage des
Artikels, in welchem angeführt wird, daß in St. Pölten an einem Sonntag die
“Warmen” zum Domplatz gezogen seien, um die Gläubigen, die aus dem
Dom traten, mit ihrem Anblick zu belästigen. Ähnliches habe in der Nazizeit
die Hitler-Jugend getan, wobei weiters angeführt wird, daß, wer Nazimetho-
den praktiziere, mit ebensolchen konfrontiert werden sollte.
Anhaltspunkte für das Vorliegen des Tatbestandes des § 3 g VerbotsG er-
geben sich nicht.
Es wurde daher das Verfahren gegen K. D. mit heutigem Tage gemäß § 90
StPO eingestellt.”
In ihrem weiteren Bericht vom 14. Jänner 1998 führte die Staatsanwaltschaft Linz
aus:
“Unter Bezugnahme auf den ha. Bericht vom 10.12.1997,10 St 352/97h,
von welchem eine Ausfertigung beigeschlossen ist, wird berichtet, daß we-
gen des im Vorbericht angeführten, von K. D. verfaßten Artikels im periodi-
schen Druckwerk “Der 13.”, Ausgabe Nr. 11 vom 13.11.1997, nunmehr
auch vom Österreichischen Lesben- und Schwulenforum sowie weiteren 52
Einschreitern Anzeige wegen §§ 106,107, 282, 283 StGB, § 3 g VerbotsG
erstattet
wurde.
Es ergeben sich aus dieser Anzeige keine über den bereits zu ha.
10 St 352/97h behandelten Sachverhalt hinausgehende Verdachtsmomen-
te, insbesondere nicht solche für das Vorliegen der von den Anzeigern
ebenfalls angeführten Tatbestände der §§ 105, 107 StGB.
Es wurde daher das Verfahren gegen K. D. aus den im bereits mehrfach zi-
tierten ha. Vorbericht vom 10.12.1997 angeführten Gründen gemäß § 90
StPO eingestellt.”
Zu 4:
Die wiedergegebenen Rechtsausführungen der Angeklagebehörde, insbesondere
zu § 283 StGB, entsprechen der geltenden Rechtslage, sodaß eine allfällige Kritik
an diesen Ausführungen nicht berechtigt wäre.
Was die Frage nach einer Novellierung des § 283 StGB im gegebenen Zusammen-
hang anlangt, erinnere ich daran, daß das Bundesministerium für Justiz im Rahmen
seiner Zuständigkeit bereits mehrmals initiativ geworden ist, die wohl vorgelagerte
Problematik des § 209 StGB einer umfassenden Diskussion zuzuführen. Die Frage
des unterschiedlichen Schutzalters im Sexualstrafrecht wurde auch in die Erörterun-
gen der von mir eingesetzten Arbeitsgruppe zur Reform des Sexualstrafrechts ein-
bezogen. Seit 1. Oktober 1998 ist eine Neufassung des § 72 Abs. 2 StGB in Kraft,
die bewirkt, daß auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im materiellen
Strafrecht und im Strafprozeßrecht gleich einem Angehörigenverhältnis behandelt
werden.
Die Frage, welche legistischen Maßnahmen am geeignetsten erscheinen, jeder Art
von Diskriminierung entgegenzuwirken, ist derzeit Gegenstand von Beratungen ei-
nes gemischten (dh. aus Vertretern betroffener Ministerien und verschiedener
nichtstaatlicher Organisationen zusammengesetzten) Arbeitskreises, der im Rah-
men des Menschenrechtsjahres 1998 ins Leben gerufen wurde und sich mit der
Frage der Ausarbeitung eines Antidiskriminierungsgesetzes befaßt. Ich sehe den
Ergebnissen dieses Arbeitskreises, der vom Bundesministerium für Justiz gefördert
wird, und dem in weiterer Folge notwendigen Dialog mit allen Betroffenen darüber,
ob und inwieweit eine Änderung des § 283 StGB sinnvoll erscheint, mit Interesse
entgegen. Dabei muß freilich im Auge behalten werden, daß eine allfällige Auswei-
tung des Tatbestandes des § 283 StGB auf bestimmte weitere Bevölkerungsgrup-
pen für sich allein kaum geeignet sein kann, diese Gruppen vor Diskriminierungen
oder beleidigenden Äußerungen zu
schützen.
Zu 7:
Ich habe bereits in der Öffentlichkeit und in den Antworten auf verschiedene mir zu-
gekommene Schreiben darauf hingewiesen, daß ich für die in Rede stehende Argu-
mentation in der schriftlichen Ausfertigung des im Verfahren 24 EVr 2326/97 des
Landesgerichtes Linz ergangenen Urteils kein Verständnis aufbringen kann.
Zu 8 und 9:
Das Bundesministerium für Justiz hat veranlaßt, daß das Oberlandesgericht Linz als
Disziplinargericht für Richter von Amts wegen prüft; ob der Richter, der das in Rede
stehende Urteil verfaßt hat, gegen die im § 57 Abs. 3 des Richterdienstgesetzes
normierten Pflichten verstoßen hat. Der Beschluß auf Einleitung eines Disziplinar-
verfahrens fällt in die Zuständigkeit des Disziplinargerichtes.
Zu 10:
Wie in den Medien bereits berichtet wurde, hat sich der betreffende Richter mittler-
weile mit dem Ausdruck des Bedauerns entschuldigt. Er erklärte, daß er durch das
in die Urteilsbegründung aufgenommene Zitat des Sexualwissenschaftlers Ernest
Borneman keinesfalls eine bestimmte Menschengruppe mit Tieren gleichsetzen ha-
be wollen; eine derartige Herabsetzung sei ihm fern gelegen.
Der betreffende Richter hat im übrigen am 18. September 1998 einen Beschluß ge-
faßt, wonach die schriftliche Ausfertigung des in Rede stehenden Urteils “dem am
13. Juli 1998 verkündeten Urteil dahingehend angeglichen” wird, daß das kritisierte
Zitat, das in der mündlichen Urteilsbegründung nicht enthalten war, “ersatzlos zu
entfallen hat”. Dieser Beschluß wird unter Hinweis auf eine Entscheidung des Ober-
sten Gerichtshofes damit begründet, daß ein mit dem mündlich verkündeten Urteil
nicht übereinstimmendes schriftliches Urteil berichtigt werden kann.