4817/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
haben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend Behinderung der gerichtlichen
Aufklärung des Baukartells, gerichtet und folgende Fragen gestellt:
”1. Sind, wenn ja seit wann, die Strafsachen
Franz Graf 3 St 1172/97x, 3 St 947/97h
Manfred Fürnwein 3 St 3553/98w, 3 St 748/98w
Alexandra Graf 3 St 649/98m
Fritz Steinberger 3 St 779/98d
jeweils StA Korneuburg, berichtspflichtig gemäß § 8 StAG?
2. Gab es eine Weisung der OStA Wien an die StA Korneuburg mit dem Auftrag,
einen Antrag auf Enthaftung der Alexandra Graf einzubringen, der letztlich am
2. Juli 1998 zu ihrer Enthaftung führte, obwohl der Akt bereits beim OLG Wien
mit der Haftbeschwerde zur Entscheidung vorgelegen ist?
3. Gab es eine Weisung der OStA Wien an die StA Korneuburg mit dem Auftrag,
einen Antrag auf Enthaftung des Manfred Fürnwein einzubringen, der letztlich
am 22. Juli 1998 zu seiner Enthaftung führte, obwohl der Akt bereits beim OLG
Wien mit der Haftbeschwerde zur Entscheidung vorgelegen ist?
4. Ist es zu dieser Entscheidung des OLG Wien deshalb nicht mehr gekommen,
weil Manfred Fürnwein am 23. Juli 1998 die Haftbeschwerde zurückgezogen
hat?
5. Lagen zu diesem Zeitpunkt der Enthaftungsweisung gegen Manfred Fürnwein
rechtskräftige Anklagen vom 18. Juni 1998 und vom 15. Juli 1998 wegen Un -
treue, schweren Betruges und anderer Delikte mit einem Schaden von rund
19 Mio. Schillingen vor und war ein Termin für die fortgesetzte Hauptverhand -
lung in der ersten Augustwoche 1998 angesetzt?
6. Haben in den unter Punkt 1) genannten Strafverfahren Dienstbesprechungen
staatsanwaltschaftlicher Behörden verschiedener Instanzen, bzw. unter Mitwir -
kung von Vertretern des BMJ stattgefunden? Wenn ja, wann, mit welchen Teil -
nehmern und welchen Inhalten?
7. Wie lauten wörtlich die Protokolle dieser Dienstbesprechungen?
8. Trifft es zu, daß dem zuständigen U - Richter Dr. Manfred Hohenecker das
Strafverfahren gegen den Direktor der Raiffeisenbank Schwechat, Günther
Bayr unter anderem wegen angeblicher Befangenheit vom Präsidenten des
LG Korneuburg mit Beschluß vom 17. Juli 1998 abgenommen wurde?
9. Warum wurde dieser Beschluß nicht von den nach § 74 Abs. 1 StPO zuständi -
gen Präsidenten des LG Korneuburg selbst unterfertigt?
10. Lag ein Vertretungsfall vor?
11. Warum wurde dieses Strafverfahren nicht vom zuständigen Personalsenat des
LG, sondern vom Vizepräsidenten einem anderen U - Richter zugewiesen?
12. Entspricht der Bericht der Tageszeitung Wirtschaftsblatt vom 29. Juli 1998,
Seite A3, wonach der Verteidiger des Raiffeisenbank - Direktors Günther Bayr,
Dr. Johannes Reich - Rohrwig, Vorträge im “Verein zur juristischen Fortbildung
in Niederösterreich” (dessen Präsident Dr. Hartl ist und der den Vereinssitz am
Wohnort des Dr. Hartl in Langenzersdorf, Kellergasse 37 hat) gehalten hat,
den Tatsachen?
13. Gab es Interventionen von Funktionären der Raiffeisenorganisation, dem zu -
ständigen U - Richter das Strafverfahren abzunehmen?
14. Hat sich der zuständige U - Richter für befangen erklärt?
15. Hat SC Dr. Oberhammer bzw. Generalanwalt Dr. Mayerhofer an irgendwel -
chen Dienstbesprechungen in einem zu Punkt 1) genannten Strafverfahren
teilgenommen oder Weisungen erteilt, bzw. sonst auf diese Strafverfahren in
irgendeiner
Form Einfluß genommen?
16. Hat die neue Untersuchungsrichterin versucht, die Vertreterin von Privatbetei -
ligten widerrechtlich an der Akteneinsicht zu hindern?
17. Hat die Untersuchungsrichterin im Zuge ihrer rechtswidrigen Verweigerung der
Akteneinsicht Rücksprache mit dem Gerichtspräsidenten gehalten?
18. Ist beim LG Korneuburg eine Einstweilige Verfügung mit dem Ziel, 30 Millionen
aus dem Vermögen der in Liquidation befindlichen Firma SBG zu sichern, ein -
gebracht worden?
19. Wer hat diesen Antrag abgewiesen?
20. Was können Sie - bei Achtung der Unabhängigkeit der Gerichte - insbesonde -
re im Hinblick auf die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft unternehmen, um der
Behinderung der Verfolgung des Baukartells entgegenzutreten?”
Ich beantworte diese Fragen wie folgt:
Zu 1:
Gemäß § 8 Abs. 1 des Staatsanwaltschaftsgesetzes haben die Staatsanwaltschaf -
ten über Strafsachen, die von besonderem öffentlichen Interesse sind, von sich aus
unter Mitteilung der etwa schon getroffenen Verfügungen zu berichten und in die -
sem Bericht zum beabsichtigten weiteren Vorgehen Stellung zu nehmen.
Dieser Bestimmung entsprechend hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg am
3. März 1998 über die Strafsache gegen Franz Graf und die Verhängung der Unter -
suchungshaft berichtet. Am 7. April 1998 hat das Bundesministerium für Justiz den
Auftrag erteilt, über den Verfahrensstand und die Verdachtslage zu berichten.
Über das Strafverfahren gegen Ing. Manfred Fürnwein hat die Staatsanwaltschaft
Korneuburg am 8. Mai 1998 über Auftrag der Oberstaatsanwaltschaft Wien berich -
tet.
In der Strafsache gegen Alexandra Graf legte die Staatsanwaltschaft Korneuburg
mit Bericht vom 17. Juni 1998 von sich aus eine Ausfertigung der eingebrachten An -
klageschrift vor.
In der Strafsache gegen Fritz Steinberger hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg
von sich aus keinen Bericht vorgelegt; es
wurde auch kein Berichtsauftrag erteilt.
Zu 2:
In der Strafsache gegen Alexandra Graf stellte die Oberstaatsanwaltschaft Wien im
Rahmen des beim Oberlandesgericht Wien anhängig gewesenen Einspruchs - und
Beschwerdeverfahrens fest, daß es an dem zur Aufrechterhaltung der Untersu -
chungshaft erforderlichen dringenden Tatverdacht mangelte. Sie erteilte daher am
29. Juni 1998 der Staatsanwaltschaft Korneuburg die Weisung, sofort die Enthaf -
tung der Beschuldigten Alexandra Graf zu beantragen.
Das Oberlandesgericht Wien hat der Haftbeschwerde und dem Anklageeinspruch
Folge gegeben. Am 4. Dezember 1998 hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg beim
Untersuchungsrichter die Einstellungserklärung gemäß § 109 Abs. 1 StPO abgege -
ben, weil die Beweislage für einen Schuldnachweis nicht ausreichend war.
Zu 3 bis 5:
in der Strafsache gegen Manfred Fürnwein gelangte die Oberstaatsanwaltschaft
Wien bei Prüfung der Aktenlage aus Anlaß einer vom Oberlandesgericht Wien be -
handelten Haftbeschwerde zur Erkenntnis, daß die vom Erstgericht angenommenen
Haftgründe nicht vorgelegen sind. Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr konnte
wegen Fristablaufes des § 194 Abs. 1 StPO nicht mehr herangezogen werden. Den
Haftgrund der Tatbegehungsgefahr erachtete die Oberstaatsanwaltschaft Wien des -
wegen für nicht hinreichend indiziert, weil sich der bisher unbescholtene Angeklagte
aus der Firma zurückgezogen hatte und bei objektiver Betrachtung nicht anzuneh -
men war, er werde die ihm vorgeworfenen Taten wiederholen. Die Oberstaatsan -
waltschaft Wien hat daher am 22. Juli 1998 die Staatsanwaltschaft Korneuburg an -
gewiesen, die Enthaftung zu beantragen. Daraufhin zog Ing. Manfred Fürnwein sei -
ne Haftbeschwerde zurück. Zum Zeitpunkt der Weisungserteilung war die Anklage -
schrift vom 18. Juni 1998 - sie umfaßt einen Untreueschaden von 15 Millionen S -
bereits rechtskräftig. Die Nachtragsanklage mit einem Untreueschaden von
4 Millionen S war noch nicht rechtskräftig.
Für den August 1998 war in dieser Strafsache keine Hauptverhandlung anberaumt.
Zu 6 und 7:
In der Strafsache gegen Franz Graf hat am 15. April 1998 eine Dienstbesprechung
stattgefunden. Über diese Dienstbesprechung wurde folgende Niederschrift aufge -
nommen:
Niederschrift
gemäß § 29 Abs. 2 StAG
über die Dienstbesprechung vom 15. April 1998
betreffend die Strafsache gegen Franz GRAF wegen §§ 146,147,148 StGB u.a.Del.
(Schwechater BauGmbH.)
Beginn: 14.00 Uhr
Anwesend für das BMJ:
SL GA Dr. Mayerhofer
LStA Dr. Pürstl
OStA Dr. Jirovsky
Für die OStA Wien:
LOStA Hofrat Dr. Schindler
Für die StA Wien:
LStA Hofrat Dr. Korsche
StA Dr. Müller
Für die StA Korneuburg:
LStA Hofrat Dr. Hofer
StA Dr. Köhl
Nach Begrüßung durch Mayerhofer berichtet Köhl über den Stand der gegenständlichen Strafsache,
die im wesentlichen Bieterabsprachen bei folgenden Projekten betrifft:
- Flughafen Schwechat
- Kanalisation in Schwechat
- Bau der S 7 (Schnellbahn Schwechat - Mannswörth).
Köhl teilt mit, daß das Verfahren in diesem Umfang enderledigungsreif sei. Die - nur gegen Franz
GRAF eingeleitete - Voruntersuchung sei bereits geschlossen worden, er habe schon den Entwurf ei -
ner Anklageschrift fertiggestellt. Im Rahmen dieser Erhebungen seien auch Hinweise auf Malversatio -
nen beim Bau der Wiener U - Bahn hervorgekommen. Diesbezüglich beabsichtige er, die Ausschei -
dung und Abtretung dieser Fakten an das LGSt Wien gemäß § 58 StPO zu beantragen.
Müller gibt bekannt, daß die BPD Wien, Wirtschaftspolizei, seit 29. Oktober 1997 im Auftrag der StA
Wien Erhebungen gegen unbekannte Täter wegen Malversationen beim Bau der Wiener U - Bahn führt
(AZ 27 UT 140.427/97).
Mayerhofer nimmt Bezug auf die APA - Aussendung vom 6. - 9. April zu diesem Strafverfahren, über-
gibt Exemplare an die OStA Wien, die StA Wien und die StA Korneuburg und regt an, im Zuge der
Erhebungen Anfragen an das Kontrollamt der Stadt Wien über den Stand der do. Ermittlungen und an
den Magistrat der Stadt Wien in Zusammenhang mit der Suspendierung zweier Magistratsbeamter zu
richten.
Pürstl übergibt die vom Abgeordneten Dr. PILZ übermittelten Unterlagen an die StA Wien bzw. die
StA Korneuburg.
Nach Erörterung der Sach - und Rechtslage wird übereinstimmend festgehalten:
1. Die von der StA Korneuburg in Aussicht genommene Endantragstellung (Einbringung
einer Anklageschrift gegen Franz GRAF, Antrag auf Ausscheidung und Abtretung
weiterer Fakten an das LGSt Wien) wird im Laufe der nächsten Tage
durchgeführt werden;
2. die StA Wien wird schon jetzt an die BPD Wien, Wirtschaftspolizei, Erhebungsaufträge auf der Ba -
sis der heute ausgefogten Unterlagen erteilen;
3. der ho. Berichtsauftrag vom 7. April 1998 (JMZ 36.919/2-IV 2/98) ist nunmehr gegenstandslos ge -
worden; die StA Korneuburg wird die eingebrachte Anklageschrift gegen Franz GRAF vorlegen,
die StA Wien wird immer wieder Zwischenberichte über den Fortgang des Verfahrens 27 UT
140.427/97 erstatten.
Ende: 14.40 Uhr
Weitere Dienstbesprechungen haben in den genannten Strafsachen nicht stattge -
funden.
Zu 8:
Der Präsident des Landesgerichtes Korneuburg hat am 17. Juli 1998 als Rechtspre -
chungsorgan den Beschluß gefaßt, daß Untersuchungsrichter Dr. Manfred Hohe -
necker in der Strafsache gegen Günter Bayr u.a. als befangen anzusehen ist und
daß diese Strafsache daher von der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Ver -
treterin zu bearbeiten ist.
Zu 9 und 10:
Der Präsident des Landesgerichtes Korneuburg hat in der von ihm gemäß § 31
Abs. 2 des Gerichtsorganisationsgesetzes erlassenen Geschäftseinteilung für Ju -
stizverwaltungssachen die Bearbeitung von Ablehnungsanträgen dem Vizepräsi -
denten des Landesgerichtes Korneuburg übertragen. Dementsprechend wurde der
zitierte Beschluß vom Vizepräsidenten des Landesgerichtes Korneuburg gefaßt und
unterschrieben.
Zu 11:
Gemäß § 33 Abs. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes hat jede vom Personalsenat
beschlossene Geschäftsverteilung auch Regelungen für die Vertretung der einzel -
nen Gerichtsabteilungen zu enthalten. Der Präsident des Landesgerichtes Korneu -
burg hat in seiner zitierten Entscheidung lediglich festgestellt, daß die in Rede ste -
hende Strafsache von der nach der - vom Personalsenat beschlossenen - Ge -
schäftsverteilung zur Vertretung des Dr. Manfred Hohenecker berufenen Untersu -
chungsrichterin zu bearbeiten ist.
Zu 12:
Rechtsanwalt Dr. Johannes Reich - Rohrwig hat auf Einladung des “Vereins für juri -
stische Fortbildung in
Niederösterreich” - so wie auch andere Experten (vor allem
Universitätsprofessoren, Richter und Rechtsanwälte) - zuletzt im Frühjahr 1995 ei -
nen (entgeltlichen) Vortrag über ein Thema aus dem Gesellschaftsrecht gehalten;
Rechtsanwalt Dr. Reich - Rohrwig ist weder Funktionär noch Mitglied des genannten
Vereins. Dr. Hart ist nicht Präsident dieses Vereins, sondern dessen Sekretär.
Zu13
Es gab keinerlei Interventionen von Funktionären der Raiffeisenorganisation, dem
nach der Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Korneuburg primär zuständig
gewesenen Untersuchungsrichter das Strafverfahren abzunehmen.
Zu14:
Untersuchungsrichter Dr. Manfred Hohenecker hat in seiner Stellungnahme zum
Ablehnungsantrag erklärt, sich nicht befangen zu fühlen.
Zu15:
Wie aus der Antwort zu den Fragen 6 und 7 hervorgeht, hat in den in Rede stehen -
den Strafsachen nur eine Dienstbesprechung stattgefunden, an der der zuständige
Sektionsleiter im Bundesministerium für Justiz Generalanwalt Dr. Mayerhofer teilge -
nommen hat. Sektionschef Dr. Oberhammer war nicht Teilnehmer dieser Dienstbe -
sprechung.
Zu 16 und 17:
Nach dem mir vorliegenden Bericht des Präsidenten des Landesgerichtes Korneu -
burg hat die Untersuchungsrichterin weder versucht, die Privatbeteiligte oder deren
Vertreterin an der Akteneinsicht zu hindern, noch hat sie in der Frage der Verweige -
rung von Akteneinsicht mit dem Präsidenten des Landesgerichtes Korneuburg
Rücksprache gehalten.
Zu 18 und 19:
In der Strafsache gegen Franz Graf hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg beim
Landesgericht Korneuburg mehrere Anträge auf Erlassung Einstweiliger Verfügun -
gen gemäß § 207a Finanzstrafgesetz eingebracht:
a) Mit Beschluß vom 17. Juni 1998 hat die Ratskammer des Landesgerichtes Kor -
neuburg einen derartigen Antrag aus formellen Gründen abgewiesen.
b) Mit Beschluß vom 7. August 1998 wurde ein neuerlicher Antrag von der Ratskam -
mer ebenfalls aus
formellen Gründen abgewiesen.
c) Auf Grund einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Korneuburg gegen den Be -
schluß vom 7. August 1998 hat das Oberlandesgericht Wien die beantragte
Einstweilige Verfügung am 27. August 1998 erlassen.
d) Infolge Konkurseröffnung über das Vermögen der gemäß § 28 des Finanzstrafge -
setzes haftungspflichtigen SBG - Schwechater Bau - GmbH hat die Ratskammer
des Landesgerichtes Korneuburg am 22. September 1998 die vom Oberlandes -
gericht Wien erlassene Einstweilige Verfügung abgeändert.
e) Am 1. Oktober 1998 hat die Ratskammer des Landesgerichtes Korneuburg neu -
erlich eine Einstweilige Verfügung erlassen; im Rechtsmittelweg hat das Oberlan -
desgericht Wien am 19. Oktober 1998 diese Einstweilige Verfügung aufgehoben
und dem Erstgericht die neuerliche Beschlußfassung aufgetragen.
f) Mit Beschluß der Vorsitzenden des zuständigen Schöffensenates des Landesge -
richtes Korneuburg vom 23. Oktober 1998 wurde die unter c) erwähnte Einstweili -
ge Verfügung aufgehoben.
Zu20:
Der Fortgang der in Rede stehenden Strafverfahren wird im Rahmen der Dienst -
und Fachaufsicht überwacht. Prozeßrechtswidrige Behinderungen des Fortgangs
dieser Strafverfahren sind nicht eingetreten.