490/AB
Die Abgeordneten zum Nationalrat Pollet-Kammerlander, Freundinnen und Freunde haben am
24. April 1996 unter NR 465/J eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend die
bilaterale österreichische Entwicklungshilfe an mich gerichtet, die folgenden Wortlaut hat:
" l) Aus den Bundesvoranschlägen 1996 und 1997 geht nicht hervor, wie die Gelder auf die
Entwicklungsinstitute, die Betreuungsorganisationen und die Entsendeorganisationen verteilt
werden sollen. Welche Aufteilung / Umschichtung ist vorgesehen (bitte um eine genaue
Aufstellung)?
2) Ihren Aussagen gemäß soll die Entwicklungspolitik im Bezug auf die
Schwerpunktländer unverändert bleiben. Wie teilen sich die Bundesvoranschläge 1996 und
l997 auf die Schwerpunktländer auf?
3) Wieviel Prozent der budgetierten Entwicklungshilfe sollen 1996/97 für
Armutsbekämpfung ausgegeben werden?
4) Wieviel Prozent der budgetierten Entwicklungshilfe sind für Projekte im Bereich
Women in Development vorgesehen?
5) Das DAC der OECD kritisiet.te im März d. J. die österreichische Entwicklungspolitik
wegen des unüblich hohen Anteils an Exportkrediten, Flüchtlingshilfe und indirekten
Studienplatzkosten, die als Entwicklungshilfeleistungen in der Statistik ausgewiesen werden
und die 55% am Gesamtvolumen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeits-
leistungen betragen. Ist daran gedacht, die Meldepraxis zu ändern?
6) Nach welchen entwicklungspolitischen Kriterien werden Exportkredite (gebundene
österreichische Kreditfinanzierungen) vergeben (Kreditbedingungen, Laufzeit, Zinsen, wie weit
sind sie an die Lieferung österreichischer Waren gebunden)?
7) Eine engagierte Entwicklungspolitik erfordert vor allem ein Umdenken in den
Industrieländern, daher ist eine entsprechende Bildungs- und Informationsarbeit unabdingbar.
Besonders den NGO's kommt diese Informations- Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit
aufgrund von persönlichen Kontakten, den in den Entwicklungsländern gemachten
Erfahrungen und der Verankerung in der österreichischen Bevölkerung zu. In den BVA
1996/l997 sind je 57,025 Mio. S für Entwicklungsinstitute vorgesehen; der Erfolg l995 weist
jedoch über 95 Mio. S auf. Wie erklären Sie diesen vergleichsweise niedrigen Ansatz in der
entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit?
8) Die Budget-Ansätze für Internationale Finanzinstitutionen (BVA-Ansatz l/54052)
betragen für 1996 2.997,251 Mio. S und für l997 1.354,610 Mio. S. Inwiefern wird der
Gestaltungsspielraum in den internationalen Institutionen entsprechend genützt bzw. dem
Parlament und der Öffentlichkeit transparent gemacht?
9) Auf der Konferenz für Entwicklung und Umwelt in Rio de Janeiro hat die
österreichische Bundesregierung eine eigene nationale Initiative beschlossen. Diese Initiative
sieht vor, mit 1993 beginnend bis 1995 Entwicklungsprojekte in einem Gesamtvolumen von
200 Mio. S für Projekte zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung aus Mitteln der
Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Stehen die in VA-Ansatz angeführten
36,588 Mio. zur Erhaltung des Regenwaldes mit dieser Initiative in Zusammenhang?''
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Bei den VA-Posten 766 1/900 Entwicklungsinstitute, 7662/900 Betreuungsorganisationen und
780 1/900 Entsendeorganisationen des VA-Ansatzes 1/20506 des Teilheftes bei Kapitel 20
handelt es sich um Sammelposten, welche die jeweiligen künftigen Leistungen beziehungsweise
bestehenden vertraglichen Verpflichtungen akkumuliert wiedergeben. Die im Teilheft
angeführten Beträge beruhen auf bereits vorliegenden Projektanträgen und werden erst zum
Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse bindend. Da sich aufgrund der Projektbearbeitung noch
Verändet.ungen ergeben können, kann derzeit noch keine genaue Aufstellung bezüglich der
Aufteilung der Gelder aufEntwicklungsinstitute, Betreuungs- und Entsendeorganisationen
gegeben werden. Gegenüber den wichtigen Trägern könnte daher vorläufig nur ein Volumen
vom Budget 1995 minus 15 % zugesagt werden.
Die Zahlen für 1995 betrugen: Entsendeorganisation (nur ÖED) öS 37 Mio.; Information und
Bildung öS 60 Mio. (z.B. ÖIE 18 Mio., ÖFSE 11 Mio., VIDC 11 Mio.), Stipendien
(+ Betreuung) öS 87 Mio.)
Zu Frage 2:
Die derzeitige Projektplanung enthält für die Jahre 1996 und 1997 Leistungen in einer
Größenordnung von 40 bis 80 Millionen Schilling jährlich für jedes Schwerpunktland.
Zu Frage 3:
Die Armutsbekämpfung ist in der Entwicklungszusammenarbeit eine Querschnittsmaterie, die
überall miteingeplant wird. Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit nimmt vor allem
Bedacht auf die ärmsten Entwicklungsländer in ihrer Gesamtstruktur sowie auf die ärmsten
Gebiete und Bevölkerungsgruppen in anderen Entwicklungsländern. Nach Schätzungen wird
etwa die Hälfte der bilateralen EZA-Mittel über nichtstaatliche Organisationen ausgegeben
werden, die die Armutsbekämpfung in den Vordergrund ihrer Aktivitäten stellen.
Zu Frage 4:
Die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Sichtweisen und die bewußte Einbeziehung von
Frauen in die Programm- und Projektgestaltung sind ein inhaltlicher Schwerpunkt der
österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Die Ergebnisse der Weltfrauenkonferenz (95),
die Aktivitäten der Expertengruppe Frauen und Entwicklung des Entwicklungsausschusses der
OECD und die Entschließung des EU-Ministerrats vom 20. Dezember 1995 über die
Gleichstellung der Geschlechter in der Entwicklungszusammenarbeit geben wichtige Hinweise
für die Umsetzung von Frauenanliegen und geschlechtsspezifischen Aspekten in der
österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Ein prozentmäßiger Anteil für Projekte im
Bereich Women in Development am Anteil der budgetierten Entwicklungshilfe ist derzeit nicht
vorgesehen. Das gegenwärtige Programm für Entwicklungszusammenarbeit weist in vielen
Bereichen eine geschlechtsspezifische Sichtweise auf, verstärkte Maßnahmen in diese Richtung
sind in Aussicht genommen.
Zu Frage 5:
Die bisherige österreichische Meldepraxis gegenüber dem Entwicklungsausschuss der OECD
wird gegenwärtig einer Prüfung unterzogen. Hinsichtlich der Flüchtlingshilfe kann schon jetzt
gesagt werden, daß es zu Veränderungen kommen wird, da wegen der neuen Situation in
Bosnien in jedem Fall geringere Ausgaben für Flüchtlinge zu melden sind. Hinsichtlich der
Exportkredite haben Verhandlungen mit der OECD über eine neue Meldepraxis begonnen.
Zu Frage 6:
Exportkredite, eingeräumt zugunsten von Entwicklungsländern, können, wenn sie im Rahmen
des österreichischen Ausfuhrförderungsverfahrens refinanziert und zinsengestützt werden, ein
Schenkungselement ereichen, welches sie als Entwicklungszusammenarbeitsleistung
anrechenbar macht. Eine bindende Vereinbarung der öffentlichen Exportförderungsinstitute der
Industrieländer verlangt, daß solche Kredite einem Aid-Quality-Assessment untet-worfen
werden, mit welchem untersucht wird, ob die Kredite mit den entwicklungspolitischen
Kriterien des DACs übereinstimmen. Gegenständliche Prüfung wird vom Bundesministerium
für auswärtige Angelegenheiten in Zusammenarbeit mit der Oesterreichischen Kontrollbank
AG durchgeführt und bildet die Basis für die Beurteilung eines Antrages im österreichischen
Exportfinanzierungskomitee.
Im Hinblick auf die Bindung der Kredite an österreichische Lieferungen und Leistungen ist
anzumerken, daß diese Form der Finanzhilfe grundsätzlich als vollständig gebunden gilt, was
allerdings den Zukauf von lokalen Lieferungen und Leistungen im begrenzten Ausmaß nicht
ausschließt.
Die Konditionen der Kredite sind unterschiedlich. Das Schenkungselement liegt in der Regel
bei einer Größenordnung um 50%. Details zu den einzelnen Krediten (Schenkungselement,
Bindung, Land, Sektor etc.) werden vierteljährlich von der OECD im Quarterly Report on
Individual Aid Commitments veröffentlicht.
Zu Frage 7:
1995 wurden 107,7 Mio S für Projekte der entwicklungspolitischen Informations-, Bildungs-
und Öffentlichkeitsarbeit (einschließlich Dokumentations- und Studienarbeit sowie allgemeine
Programmentwicklung) ausgegeben. Davon waren ca. 70 Mio S unmittelbar für die
Informations-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit 1995 bestimmt, was ca. 7% des Budgets der
bilateralen Technischen Hilfe und auch sonst im internationalen Vergleich einen guten
Prozentsatz ausmacht. Aus der o.a. Summe von 107,7 Mio S wurden zudem Nachzahlungen
für 1994 sowie die ersten Raten für Projekte 1996 in diesem Bereich geleistet. Für 1996
werden insgesamt ca. 65 Mio S für Projekte der entwicklungspolitischen Informations,-
Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung stehen.
Zu Frage 8:
Der Beitritt Österreichs zur EU hatte zur Folge, daß Österreich auch Mitglied der
Europäischen Investitionsbank (EIB) wurde und l995 und l996 Beitragsleistungen von
1,976 Mrd. S bzw. 2,088 Mrd. S an diese Bank geleistet wurden bzw. werden. Diese
Beitragsleistungen sind der Grund für die außergewöhnlich hohen Budgetansätze für
internationale Finanzinstitutionen in den Jahren 1995 und 1996. Das Jahr 1997 wird im
Hinblick auf diese Budgetansätze wieder ein durchschnittliches Jahr, wobei sich die
entsprechende Budgetbelastung aus geplanten bzw. voraussichtlichen Schatzscheineinlösungen
der verschiedenen Entwicklungsbanken ergibt.
In bezug aufBeitragsleistungen an internationale Finanzinstitutionen gibt es nur anläßlich von
Wiederauffüllungs- und Kapitalerhöhungsverhandlungen Gestaltungsmöglichkeiten, die
entsprechend genützt werden und über die das Parlament bei der jeweiligen parlamentarischen
Behandlung der für diese Beitragsleistungen notwendigen Bundesgesetze entscheidet.
Zu Frage 9:
Die im VA-Ansatz 1/20506 angeführten 36,588 Mio. S entsprechen den noch ausstehenden,
bereits vertraglich abgeschlossenen Projekten im Rahmen der Nationalinitiative.