5040/AB XX.GP

 

zur Zahl 5317/J - NR/1998

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Haigermoser, Böhacker und Kollegen haben an

mich eine schriftliche Anfrage, betreffend “Ladendiebstahl im österreichischen Han -

del”, gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Der sogenannte Ladendiebstahl lässt sich dadurch charakterisieren, dass der Täter

Waren in der Regel geringen Werts (meist) unter Ausnützung einer Selbstbedie -

nungseinrichtung (d.h. der damit verbundenen Gewahrsamslockerung) stiehlt oder

allenfalls betrügerisch beiseite schafft. Um dieses Delikt “in den Griff zu bekommen”,

wird im Sinne der Prävention zunächst darauf besonderes Augenmerk zu legen

sein, dass dieser Bereich der Wirtschaft möglichst “kriminalitätsfeindlich" gestaltet

wird sowie weniger Anreiz und Gelegenheit zur Begehung von Straftaten bietet.

 

Was die Repression betrifft, so ist bekannt, dass das Erwachsenenstrafrecht derzeit

nur zwei Möglichkeiten kennt, auf strafbares Verhalten zu reagieren: Entweder

kommt es zur Durchführung eines “traditionellen” Strafverfahrens (oft in Form eines

Mandatsverfahrens, also der Erlassung einer Strafverfügung) oder - auf der Grund -

lage des materiellen Strafbefreiungsgrundes der mangelnden Strafwürdigkeit der

Tat (§ 42 StGB) - zu einem aussergerichtlichen Tatausgleich, der im übrigen seit

1. Jänner 1999 flächendeckend in Österreich bei allen Delikten mit einer Strafdro -

hung bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe angewendet werden kann. Beide Reaktions -

formen erweisen sich bei einem Großteil der Ladendiebstahlsfälle aus unterschiedli -

chen Gründen jedoch nicht als optimal, der außergerichtliche Tatausgleich auch we -

gen des damit verbundenen Aufwands als wenig geeignet.

Am 12. Jänner 1999 hat die Bundesregierung den auf Grund des Begutachtungs -

verfahrens und nach Gesprächen u.a. mit der Wirtschaftskammer überarbeiteten

Entwurf einer Strafprozessnovelle 1999 (der sog. “Diversion”) als Regierungsvorlage

beschlossen, die in den nächsten Wochen im Parlament beraten werden und mit 1.

Jänner 2000 in Kraft treten soll.

 

Die Diversion soll die staatlichen Reaktionsmöglichkeiten auf strafbares Verhalten

um die Zahlung eines Geldbetrages, die Erbringung gemeinnütziger Leistungen, die

Absolvierung einer Probezeit - allenfalls in Verbindung mit der Übernahme von

Pflichten, die in einem herkömmlichen Strafverfahren als Weisung erteilt werden

könnten - erweitern; der aussergerichtliche Tatausgleich wird auf eine dauerhafte

gesetzliche Grundlage gestellt.

 

Gerade für das Delikt des Ladendiebstahls sollte sich die Zahlung eines Geldbetra -

ges (“‚Geldbußen” - System) in der Regel als geeignete Reaktion erweisen, sofern

nicht wegen einer einschlägigen Vorbelastung entweder eingriffsintensivere Diversi -

onsmaßnahmen oder ein förmliches Strafverfahren geboten sind. Eine solche “Geld -

buße" sollte auf verfahrensökonomische Weise die gebotene strafrechtliche Reakti -

on verdeutlichen und zugleich zur Vereinheitlichung einer bisher vielfach unter -

schiedlichen Sanktionspraxis beitragen können. Durch den Wegfall der Strafverfü -

gung und der nur im Fall einer Verurteilung möglichen bedingten Nachsicht der

Geldstrafe, von der derzeit in durchschnittlich rund 40 % der Fälle Gebrauch ge -

macht wird, wird es in diesem Bereich insgesamt zu einer maßvollen, aber spürba -

ren Verschärfung der staatlichen Reaktion kommen.

 

Da Schadensgutmachung eine zentrale Voraussetzung für diversionelle Erledigun -

gen bildet, kann zudem sichergestellt werden, dass der Verdächtige neben dem zu

überweisenden Geldbetrag auch eine allenfalls noch nicht geleistete Schadensgut -

machung nachholt (was im Rahmen des herkömmlichen Strafverfahrens in der Re -

gel nicht geschieht), indem er zu Recht bestehende zivilrechtliche Ansprüche des

Geschädigten - auch jene, welche erst durch die Anzeige entstanden sind - befrie -

digt. Je nach Lage des Einzelfalles werden dabei - ausser bei ganz niedrigem Wert

der Sache - Bearbeitungskosten des geschädigten Unternehmens von rund 500 bis

1000 S als angemessen anzusehen sein.

 

Gegenüber dem bestehenden Mandatsverfahren (Strafverfügung) hat das "Geldbu -

ßen” - System den weiteren Vorteil, dass das Verfahren erst beendet wird, wenn der

Verdächtige in Kenntnis der damit verbundenen Konsequenzen mit einer aktiven

Handlung, nämlich der Zahlung des Geldbetrages (und allfälliger Schadensgutma-

chung), sein Einverständnis zur Diversionsmaßnahme erklärt. Unterlässt er dies -

aus welchen Gründen immer -, so kommt es zum förmlichen Strafverfahren.

 

Durch die vorgesehene Registrierung der diversionellen Erledigung in dem sowohl

der Staatsanwaltschaft als auch dem Gericht zugänglichen, automationsunterstützt

geführten justizinternen Namensregister sind Staatsanwaltschaft und Gericht bei je -

dem Verdächtigen darüber informiert, falls ein früheres diversionelles Vorgehen  -

womöglich in einem ähnlich gelagerten Fall - den Verdächtigen nicht davon abge -

halten haben sollte, eine Straftat zu begehen. Dieser Umstand wird eine weitere di -

versionelle Erledigung in der Regel ausschließen.