5108/AB XX.GP
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 5445/J - NR/1998, betreffend europäische Schie—
nenliberalisierung, die die Abgeordneten Dr. Puttinger und Kollegen am 16.12.1998 an mich
gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Zu Frage 1:
Wettbewerb ist - wie in allen Wirtschaftssektoren auch bei allen Verkehrsträgern grundsätz-
lich sinnvoll und notwendig. Aufgabe der Verkehrspolitik ist es, dabei die Rahmenbedingungen
so zu gestalten, daß faire Wettbewerbsbedingungen sowohl zwischen den Verkehrsträgern -
insbesondere zwischen Straße und Schiene - als auch innerhalb des Schienenverkehrssektors
geschaffen werden und damit der Schienenverkehr in seiner Funktion langfristig gestärkt wird.
Wegen der europäischen Dimension des Verkehrsmarktes ist es erforderlich, die Rahmenbedin -
gungen und Schritte der Reform auf EU - Ebene zu harmonisieren. Erste Schritte wurden gesetzt,
und weitere stehen bevor.
Zu Frage 2:
Schon aufgrund der bestehenden rechtlichen Vorschriften ist eine unabhängige Schiedsstelle für
diese Aufgaben vorgesehen und eingesetzt worden. Darüberhinaus wird in meinem Ressort an
einer Weiterentwicklung zur Einrichtung eines Schienenverkehrs - Regulators gearbeitet; ein
Gesetzesentwurf
hierfür soll im Frühjahr in Begutachtung geschickt werden.
Zu Frage 3:
Dieser Kontrollinstanz sollen Eingriffsrechte in allen Fällen von Diskriminierungen beim
Zugang zum Schienenverkehr und die Marktbeobachtung obliegen.
Zu Frage 4:
Die österreichische EU - Präsidentschaft war gerade am Verkehrssektor von umfangreichen
Initiativen geprägt.
a) Ein verkehrspolitisches Schwerpunktthema war die Liberalisierung der Verkehrsmärkte
mit begleitenden Maßnahmen zur sozialen und technischen Harmonisierung unter Beach -
tung umweltpolitischer Aspekte, wobei das Hauptaugenmerk auf den Schienenverkehr
gerichtet wurde. Die Mitgliedstaaten konnten dahingehend sensibilisiert werden, daß
notwendige Liberalisierungsschritte ohne technische und soziale Harmonisierung nicht
zielführend wären, jedoch eine grundsätzliche Öffnung des Schienenverkehrsmarktes
unumgänglich ist.
b) Im konkreten wurde die Arbeit am sogenannten “Schienen - Infrastrukturpaket”, das die
EU - Kommission im Oktober 1998 vorgelegt hat, forciert, welches weitere Schritte zur
Harmonisierung des Zugangs im Schienenverkehr enthält.
Zu Frage 5:
Die Vorschläge zum Bahnverkehr im Schienen - Infrastrukturpaket werden auch von Frankreich
und Belgien dem Grundsatz nach nicht abgelehnt. Inhaltliche Diskrepanzen konnten in der dem
österreichischen Vorsitz für dieses Thema zur Verfügung gestandenen Zeitspanne strukturiert
und aufbereitet und beim Verkehrsministerrat am 1.12.1998 diskutiert werden, sodaß die Basis
für eine zügige Weiterarbeit geschaffen ist.
Zu Frage 6:
Die Schieneninfrastrukturfinanzierungs GesmbH soll ihrem gesetzlichen Auftrag gemäß
grundsätzlich Finanzierungsaufgaben erfüllen. Die Vergabe von Fahrplantrassen durch Gesell -
schaften, die nicht mit dem Fahrwegbetreiber ident sind, führt zu enormen Schnittstellen -
problemen
und hohem Personaleinsatz und ist daher ineffizient.
Zu Frage 7:
Die Markteintrittsbedingungen im Wege einer eisenbahnrechtlichen Konzession für Schienen -
verkehrsleistungen sind im Vorjahr gesetzlich neu geregelt worden. Damit wurde der Markt -
zutritt ermöglicht. Für den grenzüberschreitenden Verkehr sind im EU - Raum überdies bereits
Lizenzierungsverfahren auf Basis europäischer Vorschriften obligatorisch vorgeschrieben.
Marktteilnehmern stehen die für Privatbahnen gesetzlich vorgesehenen Unterstützungen zur
Verfügung.
Zu Frage 8:
Vorweg muß hiezu festgehalten werden, daß die intensivere grenzüberschreitende Zusammen -
arbeit von den Eisenbahnunternehmen selbst ausgehen muß, um den Erfordernissen der europäi -
schen Märkte gerecht zu werden. Dies umso mehr, als nur so dem Konkurrenzdruck der Straße
wirksam begegnet werden kann.
Die Aufgabe von staatlicher Seite ist es, die notwendigen rechtlichen und organisatorischen
Rahmenbedingungen zu schaffen. Über die bereits erwähnten europäisch harmonisierten
Rahmenbedingungen für einen Wettbewerb auf der Schiene hinaus sei hier insbesondere auf die
internationale Koordination des Ausbaues der Eisenbahnstrecken und die Bemühungen auf dem
Gebiet technischer Standards und Normen hingewiesen.
Zu Frage 9:
Zu dieser Frage teilen mir die ÖBB mit, daß für die Kompatibilität der EDV - Anlagen unter
dem Dach des Internationalen Eisenbahnverbandes (UIC) im Projekt “HERMES” bereits vor
Jahren ein genormtes Sendungsverfahren festgelegt wurde.
Zu Frage 10:
Dazu teilen mir die ÖBB mit, daß das Zugbegleit - und Triebfahrzeugpersonal derzeit an den
nationalen Grenzen gewechselt wird. Im Rahmen von Sondervereinbarungen - mit DB - AG
(Deutsche Bahn AG), FS (Italienische Staatsbahnen), GySEV (Raab - Oedenburg - Ebenfurter
Eisenbahn), ZSR (Eisenbahnen der Slowakischen Republik) - ist aber schon derzeit ein grenz -
überschreitender Einsatz geregelt. Gegenwärtig erfolgen Verhandlungen mit der DB - AG über
eine
weitere Ausdehnung des grenzüberschreitenden Personaleinsatzes.
Zu Frage 11:
Wie mir die ÖBB mitteilen, werden derzeit ICE - Triebwagen auf österreichischen Strecken von
ÖBB - Triebfahrzeugführern geführt. Es wurden 26 ÖBB - Triebfahrzeugführer ausgebildet. Was
die gesetzlichen Rahmenbedingungen anlangt, wurden im Eisenbahnrecht und werden in der
neuen Triebfahrzeugführerverordnung Regelungen verankert, um künftig ausländische Be -
fugnisse zur Führung und Bedienung von Triebfahrzeugen anerkennen zu können.
Zu den Fragen 12 und 13:
Das Konzept der “Trans - European - Freight Freeways” ist eine europäische Initiative, die darauf
zielt, über den derzeitigen Rechtsrahmen hinaus freiwillige erweiterte Zugangsrechte auf
bestimmten Achsen einzuräumen. Die Mitgliedstaaten stellen die Rahmenbedingungen zur
Verfügung - was bereits erfolgt ist -, die Durchführung obliegt den jeweiligen Eisenbahn -
unternehmen.
Das “Nord - Süd - Freeway - Pilotprojekt”, an dem neben Norwegen, Schweden, Dänemark,
Finnland, Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und Italien auch Österreich beteiligt ist,
enthält zwei Korridore durch Österreich. Seit 19.1.1999 verkehrt in der Relation Troisdorf (D) -
Passau - Wels der erste Freewayzug auf dem österreichischen Schienennetz. Sehr günstige
Benutzungsentgelte und eine zentrale Anlaufstelle für die Trassenbeantragung (sog.”One Stop -
Shop”) sind ein wesentlicher Anreiz für das Pilotprojekt Freeway - Korridore.
Zu den Fragen 14, 15 und 16:
Der europaweite Schienenverkehr ist historisch gewachsen und durch Unterschiede bei der
Spurweite, einer Vielzahl verschiedener Systeme zur Betriebssteuerung, Zugsicherung bzw.
Zugbeeinflussung sowie durch unterschiedliche Strom - und Funksysteme gekennzeichnet. Erste
Ansätze zu einer Harmonisierung wurden auf dem Gebiet des Hochgeschwindigkeitsverkehrs
mit der “Interoperabilitätsrichtlinie” begonnen. Maßnahmen im Bereich des konventionellen
Bahnverkehrs sind in Vorbereitung Leider hat die EU - Kommission trotz mehrfacher Ankündi -
gung bis heute keinen entsprechenden Vorschlag präsentieren können. Beim schon sehr weit
entwickelten Projekt “European Train Control System”, das ein einheitliches europäisches
Zugsteuerungs - und Zugsicherungssystem zum Ziel hat, kann wahrscheinlich von einem Erstein -
satz
eines derartigen grenzüberschreitenden Systems im Jahr 2000/2001
ausgegangen werden.
Grundvoraussetzung für die Umsetzung der Ziele von ETCS ist die europaweit einheitliche
technische Spezifikation der Systeme (z.B. für die Datenübertragung zwischen Zentrale und
Zug), der Abschluß der Standardisierungsarbeit z.B. in den CEN - bzw. CENELEC - Gremien
zur Erarbeitung der EN - Normen sowie die Entwicklung, Prüfung und Zulassung der Produkte
nach diesen Normungsgrundsätzen.
Österreich ist als EU - Mitgliedstaat und gerade bei seiner geographischen Lage selbstver -
ständlich in all diese laufenden Bemühungen zur technischen Harmonisierung aktiv eingebun -
den, weil nur Standards und Normen auf europäischer Ebene erfolgversprechend sein können.