543/AB

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Maria Fekter und Kollegen haben an mich ei­ne schriftliche Anfrage, betreffend Pannen bei Telefonüberwachungen, gerichtet und folgende Fragen gestellt:

1.Fall "Wanker":

1.       Wann wurde in diesem Fall die Telefonüberwachung angeordnet?

 

2.       Auf Grund welchen konkreten Tatverdachtes wurde dieser Beschluß gefaßt?

 

3.       Für welchen Zeitraum wurde die Telefonüberwachung angeordnet?

 

4.       Wann und wie oft wurde dieser Beschluß verlängert?

 

5.       Wurde bei dieser Gelegenheit die Verdachtslage neu geprüft?

 

6.       Wie lange fand die Telefonüberwachung letztendlich insgesamt statt?

 

7.       Wäre nach Ihren Informationen die Verwechslung der Verdächtigen bereits vor diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen?

 

8.       Weshalb wurde auf Grund der Erkenntnisse, die durch die Telefonüberwa­chung gewonnen wurden, nicht früher die Beendigung dieser Maßnahme veranlaßt?

 

11.       Fall "Lipski":

 

1. Wann wurde in diesem Fall die Telefonüberwachung angeordnet?

 

2.       Auf Grund welchen konkreten Tatverdachtes wurde dieser Beschluß ge­faßt?

 

3.       Für welchen Zeitraum wurde die Telefonüberwachung angeordnet?

 

4.       Wann und wie oft wurde dieser Beschluß verlängert?

 

5.       Wurde bei dieser Gelegenheit die Verdachtslage neu geprüft?

 

6.       Wie lange fand die Telefonüberwachung letztendlich insgesamt statt?

 

7.       Wäre nach Ihren Informationen die Verwechslung der Verdächtigen bereits vor diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen?

 

8.       Weshalb wurde auf Grund der Erkenntnisse, die durch die Telefonüberwa­chung gewonnen wurden, nicht früher die Beendigung dieser Maßnahme veranlaßt?

 

111.  Sonstiges:

 

1.       Was werden Sie unternehmen, um derartige Fehlentscheidungen in Hinkunft hintanzuhalten?

 

2.       Welche Kontrollmechanismen sind hinsichtlich der "neuen Ermittlungsme­thoden" geplant, um in diesem sensiblen Bereich gleichartige Vorfälle zu verhindern?"

 

 

Ich beantworte diese Fragen wie folgt:

 

Zu 1.1:

 

In diesem Verfahren ordnete das Landesgericht für Strafsachen Wien erstmals am

2.3.1993    die Überwachung zweier Telefonanschlüsse an.

 

Zu 1.2:

 

Auf Grund von Interpol-Mitteilungen stand W. im Verdacht, über seine Firma in Wien

Kokain in großen Mengen von Kolumbien nach Österreich zu schmuggeln.

 

Zu 1.3:

 

Die Telefonüberwachung wurde vorerst für drei Wochen bewilligt.

 

Zu 1.4:

 

Die Telefonüberwachung wurde mit Beschlüssen vom 19.3., 9.4., 28.4., 18.5. und

8.6.1993     bezüglich beider Anschlüsse und am 29.6., 22.7., 9.8., 30.8., 21.9. und

12.10.1993 hinsichtlich eines der beiden Anschlüsse verlängert.

Die Überwachung von vier weiteren Telefonanschlüssen wurde am 10.5.1993 bewilligt und mit Beschlüssen vom 27.5., 16.6., 7.7., 27.7., 18.8., 7.9., 29.9. und 13.10.1993 verlängert.

Schließlich wurde in diesem Verfahren am 22.4. bzw. 30.9.1993 die Überwachung zweier weiterer Anschlüsse bewilligt.  Diese Telefonüberwachungen wurden nicht verlängert.

 

Zu 1.5:

 

Die durch die Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse und die Ergebnisse der weiteren Erhebungen wurden von der Staatsanwaltschaft Wien bei der Prüfung der Verdachtslage anläßlich ihrer jeweiligen Antragstellung auf Bewilligung einer neuen beziehungsweise Verlängerung einer bereits anhängigen Telefonüberwachung berücksichtigt.

 

Zu 1.6:

 

Telefonüberwachungen wurden in diesem Verfahren vom 3.3.1993 bis 15.11.1993 durchgeführt.

 

Zu 1.7:

 

In diesem Strafverfahren kam es zu keiner Verwechslung von Verdächtigen.

 

 

Zu 1.8:

 

Der Tatverdacht konnte zwar letztlich nicht erhärtet werden, sodaß das Verfahren wegen des Verdachts des Suchtgiftimports eingestellt wurde.  Ursprünglich bestand jedoch der Verdacht, daß von Kolumbien Kokain in einer großen Menge, in Contai­nern getarnt, nach Österreich geschmuggelt würde.  Die Organisation eines umfangreichen Suchtgiftschmuggels erstreckt sich erfahrungsgemäß über längere Zeit.  Nach der ersten Lieferung, deren Durchsuchung negativ verlief, wurde seitens der

 

Ermittlungsbehörden angenommen, daß es sich um eine "Probelieferung" gehandelt habe, um die Kontrollen und Durchsuchungen einer derartigen Fracht abzuklären.

 

Zu 11.1:

 

In diesem Verfahren ordnete das Landesgericht für Strafsachen Wien am 20.12.1995 die Telefonüberwachung an.

 

Zu 11.2:

 

Milica M. und Bartlomiej L. standen im dringenden Verdacht, besonders geschätzte Urkunden, nämlich insbesondere österreichische Sichtvermerke in Reisepässen, falsch herzustellen oder zu verfälschen bzw. mit derartigen falschen oder gefälsch­ten Urkunden gewerbsmäßig zu handeln.  Nach dem Erhebungsbericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 18.12.1995 war zu erwarten, daß unter anderem auch von dem auf "Bartlomiej L. und Mag.  Karl L. lautenden" Telefonanschluß sachverhaltsrelevante Gespräche von Bartlomiej L. geführt werden, die zur Aufklärung der Straftat und Ermittlung weiterer Hintermänner bzw. zur Sicherung weiterer Beweise führen würden.

 

Zu 11.3:

 

Die Telefonüberwachung wurde für den Zeitraum vom 23.12.1995 bis 17.2.1996 an­geordnet.

 

Zu 11.4 und 5:

 

Dieser Beschluß wurde nicht verlängert.

 

Zu 11.6:

 

Die Telefonüberwachung fand in dem zu Punkt 11.3 angeführten Zeitraum statt.

 

Zu 11.7 und 8:

 

Die Überwachung des Telefonanschlusses des Mag.  Karl L. beruhte auf einem Irrtum der Post-Telekom, die den erhebenden Polizeibeamten bekanntgegeben hatte, daß der überwachte Fernmeldeanschluß auf Bartlomiej L. und Mag.  Karl L. gemein­sam zugelassen sei.  Dies war vor Bewilligung der Telefonüberwachung, die neben

 

dem in Rede stehenden auch weitere Fernsprechanschlüsse zum Gegenstand hatte, weder für das Gericht noch für die Staatsanwaltschaft erkennbar gewesen.

 

Am 8.2.1996 stellte sich bei dem Versuch, in der Wohnung des Mag.  Karl L. eine Hausdurchsuchung durchzufahren, heraus, daß dieser in keiner wie immer gearte­ten Beziehung zu Bartlomiej L. stand und daß der überwachte Telefonanschluß ausschließlich auf ihn selbst lautete, sodaß kein Anhaltspunkt dafür vorlag, daß auch Bartlomiej L. von diesem Telefonanschluß aus hätte Gespräche führen können.  Diese Umstände waren zwar aus einem dem Landesgericht für Strafsachen Wien am 9.2.1996 zugegangenen Bericht ersichtlich, die Telefonüberwachung wurde jedoch nicht umgehend aufgehoben.  Das Oberlandesgericht Wien stellte daher in Stattgebung einer Beschwerde des Mag.  Karl L. mit Beschluß vom 14.5.1996 fest, daß die Überwachung des Fernmeldeverkehrs bezüglich des für'Mag.  Karl L. ausgegebenen Wiener Fernmeldeanschlusses ab 9.2.1996 nicht mehr dem Gesetz entsprochen hatte.

 

Zu 111.1:

 

Der in der Einleitung der Anfrage wiedergegebene Vorwurf in Pressemeidungen, daß Telefone von Bürgern nur wegen einer Namensgleichheit längere Zeit abgehört und Verlängerungen ohne eingehende Prüfung der Verdachtslage beschlossen worden seien, trifft - wie sich aus den vorstehenden Antworten ergibt - auch auf die beiden genannten Verfahren in dieser Form nicht zu.  Im "Fall L." kam es allerdings aufgrund eines bedauerlichen, von der Post-Telekom verursachten Irrtums, der für die Ermittlungsbehörden und für das Gericht nicht sogleich erkennbar war, zur zeitweiligen Überwachung des Telefonanschlusses einer unverdächtigen Person.  Einzuräumen ist freilich, daß aus der Aufklärung dieses Irrtums nicht unverzüglich die erforderliche Konsequenz, nämlich die sofortige Aufhebung der Telefonüberwachung, gezogen wurde.  Dieser Fehler wurde auch im Rechtsmittelweg festgestellt.

 

Allgemein sei erwähnt, daß die gesetzlichen Vorschriften über die Anordnung und Durchführung der Überwachung des Fernmeideverkehrs (§§ 149a ff StPO) mit dem Strafprozeßänderungsgesetz 1993, BGBI.NR. 526, das am 1.1.1994 in Kraft trat, grundlegend erneuert wurden.  So wurden - um einige wichtige Neuerungen zu nennen - die Rechte der Beteiligten, insbesondere auch die der unbeteiligten bzw. zufäl-

 

ligen Gesprächsteilnehmer, präzisiert und erweitert, das Subsidiaritätsprinzip gegenüber anderen Ermittlungsmaßnahmen ausdrücklich festgehalten und vorgeschrieben, daß einerseits in einem bewilligenden Beschluß die Dauer der Abhörmaßnahme angeführt werden muß, andererseits nur solche Transskripte hergestellt und zum Gerichtsakt genommen werden dürfen, die für den Tatverdacht relevante Gespräche zum Inhalt haben.

 

Darüber hinaus wurde den Staatsanwaltschaften mit Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 15.  Dezember 1995, JMZ 430.001/30-11.3/1995, aufgetragen, künftig mittels eines neu aufgelegten Formblatts über Telefonüberwachungen Bericht zu erstatten, um zuverlässige Informationen über die Anzahl, die Umstände und den Erfolg solcher Überwachungen zu erhalten.  Freilich werden auch mit diesen Maßnahme jene Fälle, in denen sich eine - zunächst - mit Recht angenommene Verdachtslage in der Folge nicht erhärtet, welche daher ex post als "erfolglos" betrachtet werden müssen, nicht vermieden werden können.

 

Zu 111.2:

 

In der Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über besondere Ermittlungsmaßnahmen, 49 B1gNR XX.GP, ist eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften vorgesehen, um eine sorgfältige Entscheidungsfindung im Einzelfall zu gewährleisten und einen Mißbrauch von Überwachungsergebnissen zu verhindern.  Durch die Fokussierung der vorgesehenen Instrumente auf die Bekämpfung organisierter Kriminaiitätsformen, die Einführung eines strengen Beweisverwertungsverbots, die verschuldensunabhängige Haftung des Bundes für allfällige vermögensrechtliche Nachteile, die durch den Einsatz dieser besonderen Ermittlungsmaßnahmen verursacht werden, die Erweiterung der Strafbestimmung des § 301 StGB ("Verbotene Veröffentlichung") und die Schaffung eines medienrechtlichen Entschädigungsanspruchs bei verbotener Veröffentlichung soll den mit den besonderen Ermittlungsmaßnahmen. zwangsläufig verbundenen Gefahren, insbesondere für die Privatsphäre unbeteiligter Personen, weitgehend entgegengewirkt werden.  Für Fälle einer optischen oder akustischen Überwachung in Wohnungen (ohne Anwesenheit eines verdeckten Ermittlers) ist - neben dem Antrag des Staatsanwalts - ausschließlich ein Bewilligungsbeschluß der Ratskammer vorgesehen; eine "Eilzuständigkeit" des Untersuchungsrichters bei Gefahr im Verzug wird nicht vorgeschlagen.

 

Weiters sollen eingehende Berichte der staatsanwaltschaftlichen Behörden an das Bundesministerium für Justiz sowie des Bundesministers an den Nationalrat und die Datenschutzkommission eine nachgängige politisch-parlamentarische und daten­schutzrechtliche Evaluation ermöglichen.

 

Freilich werden allfällige Detailfehler oder Irrtümer in einzelnen Fällen auch durch dieses gesetzliche System von "checks and balances" nicht absolut ausgeschlossen werden können.  Dennoch bin ich der Überzeugung, daß die neu auftretenden Formen organisierter Kriminalität sachgerecht, konsequent und mit Entschlossenheit sowie im Einklang mit der Rechtsentwicklung in vergleichbaren Staaten, jedoch auf möglichst grundrechtsschonende Weise bekämpft werden sollen.