5570/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Haigermoser und Kollegen haben am 25. Feber 1999 unter

der Nr. 5838/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend

„Bombenblindgänger in der Landeshauptstadt Salzburg und anderen Orten“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 5:

 

Problemstellung

 

Nach den mir zur Verfügung stehenden Informationen stellt sich die Problematik der

Fliegerbombenblindgägner folgendermaßen dar:

 

Von allen im 2. Weltkrieg abgeworfenen Fliegerbomben sind etwa 4% auf Grund

technischer Fehler, falscher Aufprallwinkel oder ähnlicher Umstände nicht detoniert. Es ist

demnach von annähernd 18.000 Blindgängern auszugehen. Bislang ist es in vier Fällen zu einer

Selbstdetonation gekommen: 1965 in Salzburg, 1974 in der Gemeinde Mollersorf, Bezirk

Tulln, 1977 im Flussbett des Donaukanals sowie 1996 in Salzburg im Baron Schwarz Park.

 

     Im Zuge von Aufklärungsflügen über den Abwurfflächen, 24 Stunden nach einem

Bombardement, machten die alliierten Streitkräfte Luftbilder der betroffenen Gebiete. Auf

diesen Bildern waren die Krater detonierter Bomben, aber - zumindest teilweise - auch jene

Stellen zu erkennen, an denen Bomben ohne Umsetzung (=Explosion) einschlugen. Bereits im

Zuge der Aufräumungsarbeiten nach Bombenangriffen, aber auch im Rahmen des

Wiederaufbaus wurden Blindgänger ohne jede Dokumentation darüber beseitigt. Ebenso gibt

es keine Aufzeichnungen über Abwürfe auf freien Feldern, in Wald stücken, in Gewässern und

alpinen Regionen

    All dies lässt, neben der zum Teil nachhaltigen Änderungen der Topographie der

Landschaft, die Wahrscheinlichkeit, heute an Hand der damals entstandenen Luftbilder

Blindgänger tatsächlich noch lokalisieren zu können, überaus gering erscheinen, zumal sich seit

damals auch die topographischen Verhältnisse vielfach nachhaltig geändert haben. Selbst eine

weitere Eingrenzung der mittels dieser Methode gewonnen Verdachtspunkte durch den Einsatz

von Metalldedektoren erhöht die Wahrscheinlichkeit, Bombenblindgänger mit ausreichender

Sicherheit feststellen zu können, kaum, weil diese Geräte auf Metallgegenstände aller Art

reagieren. Ohne Ausgrabung wird es daher nicht gelingen, die notwendige Sicherheit zu

gewinnen.

 

     Diese Aussagen werden durch ausländische Erfahrungsberichte bestätigt. Eine vom

bayrischen Staatsministerium des Inneren 1993 durchgeführte Erhebung zur Erfolgsquote bei

der Auswertung von Luftbildaufnahmen hat ergeben, dass es daran beteiligten namhaften

Firmen trotz zweier Versuche nicht gelungen ist, tatsächlich die Lage auch nur eines

Blindgängers festzustellen (siehe Mitteilungsblatt DVW - Bayern 3/1996). Aber auch

inländische Erfahrungen zeichnen ein solches Bild: Nach Festlegung von sechs konkreten

Bombenverdachtspunkten mittels Luftbildauswertung durch eine auf diesem Gebiet

spezialisierte Firma, konnten Sondierungsbohrungen auf dem Gelände eines in Österreich

ansässigen Industrieunternehmens den Verdacht in keinem einzigen Fall bestätigen.

 

      Es trifft somit nicht zu, dass nach dieser Methode festgestellten

Verdachtspunkten auch nur annähernd die Qualität eines Hinweises auf im Boden

liegende Bombenblindgänger zukommt.

 

 

Rechtslage

 

Ein auf Ersuchen des Bundesministeriums für Inneres vom

Bundeskanzleramt/Verfassungsdienst zur Frage der Zuständigkeit zur Bergung sprengkräftiger

Kriegsrelikte aus dem 2. Weltkrieg erarbeitetes Gutachten stellt die Rechtslage

folgendermaßen dar:

 

       Einleitend wird festgestellt, ,,dass sich die Angelegenheit der Bergung sprengkräftiger

Kriegsrelikte aus dem 2. Weltkrieg nicht unter der Kompedenztatbestand des Art.  10 Abs. 1  Z

15 B - VG ,, Kriegsschadensangelegenheiten" subsumierren lässt, da nach der Judikatur des

Verfassungsgerichtshofes dieser Kompetenztatbestand lediglich die finanzielle Seite des

Kriegsschadensprolems, also die Frage der Entschädigung und der Schaffung der

finanziellen Voraussetzungen für durchgreifende Aktionen umfasst, nicht aber die technische

Seite der Schadensbehebung.

 

     Nach einer ausführlichen Begründungen, warum die Angelegenheit nicht dem Regime

des Abfallwirtschaftgesetzes oder des Altastensanierungsgesetzes zuzurechnen ist, wird der

Schluss gezogen, dass für die Beseitigung dieser Gegenstände § 42 Abs 5 Waffengesetz gelte

       Zum Zeitpunkt, ab wann diese Zuständigkeit Wirksamkeit entfaltet, wird ausgeführt,

„dass sowohl der n der Sicherheits- als auch in der Verwaltungspolizei maßgebliche

Gefahrenbegriff voraussetzt, dass ein Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist. Die

entfernte Möglichkeit eines Schadens allein genügt nicht, um von einer Gefahr sprechen zu

können. Sein Eintritt muss zwar nicht gewiss, aber doch hinreichend wahrscheinlich sein.

Ein absoluter Schutz von Rechtsgütern nach allen Richtungen - d.h. auch vor noch nicht

hinreichend konkretisierten Gefahren - durch staatliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr

besteht nicht; vielmehr kann ein gewisses Restrisiko, das der Privatsphäre jedes einzelnen

zuzurechnen ist, niemals ausgeschlossen werden.

 

        Solange daher lediglich von einem bloßen Verdacht einer Gefahr gesprochen werden

kann, liegt noch keine Gefahr im beschriebenen Sinn vor. Es wenn die Wahrscheinlichkeit des

Schadenseintritts ein gewisse Intensität erreicht hat, ist der Staat verpflichtet, seine ihm im

Rahmen der Verwaltungspolizei übertragenen Aufgaben der Gefahrenabwehr

wahrzunehmen."

 

Schlussfolgerung

 

          Als Ergebnis der eingangs aufgezeigten Möglichkeiten, sprengkräftige Kriegsrelikte

tatsächlich aufzufinden, sowie der Rechtslage in diesem Bereich ist somit folgendes

festzuhalten:

          Die Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres, zur Sicherung und Beseitigung

aufgefundener sprengkräftiger Kriegsrelikte gemäß § 42 Abs 5 Waffengesetz, verpflichtet zur

Gefahrenabwehr, sobald die von Kriegsrelikten ausgehende Gefahr hinreichend konkretisiert

ist. Bei Verdachtspunkten nach einer Luftbildauswertung kann jedoch keineswegs schon davon

ausgegangen werden, dass sprengkräftige Kriegsrelikte tatsächlich aufgefunden werden und

damit die Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres nach dem Waffengesetz platzgreift.

Von der erforderlichen Konkretisierung der von sprengkräftigen Kriegsrelikten ausgehenden

Gefahr kann nämlich erst dann gesprochen werden, wenn große Wahrscheinlichkeit besteht,

dass es sich um solche Gegenstände handelt; hiebei wird als Regel wohl gelten, dass dies erst

der Fall ist, wenn die Bombe freigelegt wurde. Erst dann kann und darf der Bundesminister für

Inneres die vorgesehenen Maßnahmen zur Sicherung und Beseitigung ergreifen.

           Bis zu diesem Zeitpunkt, wird man von einem Risiko sprechen müssen, das eine

staatliche Intervention noch nicht rechtfertigt, sodaß allfällige Vorkehrungen dem Einzelnen

vorbehalten sind. Auch wenn ich die - durch Medienberichte entfachte - Besorgnis der Bürger

verstehe, bieten weder waffenrechtliche Bestimmungen noch andere in meinem

Wirkungsbereich gelegene Materien die für systematische Suchen notwendigen gesetzlichen

Grundlagen.

        Überlegungen zu in anderen Vollzugsbereichen möglichen oder denkbaren Lösungen,

insbesondere in Hinblick auf die finanzielle Abgeltung allfälliger Aufwendungen für von

Betroffenen selbst initiierte Suchen, fallen gleichfalls nicht in meinen Wirkungsbereich.

 

         Es bleibt mir daher nur zu versichern, dass meine Mitarbeiter - wie schon bisher - ihre

Zuständigkeit nach der Auffindung von sprengkräftigen Kriegsrelikten mit größter Sorgfalt

wahrnehmen werden.