5579/AB XX.GP
Die aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit in Kopie beigeschlossene
schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kier, Partnerinnen und Partner an den Herrn
Bundesminister für Inneres vom 21. April 1999, ZI. 6108/J - NR/1999, betreffend
,,Arbeitspapier der Sektion III zur Verschärfung der Fremdengesetze“ beantworte ich
wie folgt:
Zunächst möchte ich festhalten, daß das in der Anfrage angesprochene
Arbeitspapier nicht die Initiative eines Mitarbeiters im Innenressort ist und auch nicht
die persönliche Auffassung eines Mitarbeiters wiederspiegelt, so daß alle in den
weiteren Anfragen vorgenommenen Bezugnahmen auf eine einzelne Person von
vorne herein ins Leere gehen.
Das angesprochene Papier ist Ergebnis eines Ersuchens, das ich sowohl an die
nichtstaatlichen Organisationen, als auch an die mit der Vollziehung des
Fremdenrechts und des Asylrechts betrauten Behörden gerichtet habe, mir aus ihrer
Sicht möglichst klar und vorbehaltlos mitzuteilen, wo sie die Stärken und wo sie die
Schwächen der letzten Gesetzesänderungen sehen. Ziel dieser Berichte war es,
Material für die Beratungen einer Arbeitsgruppe zu gewinnen, um deren Einrichtung
insbesondere die nichtstaatlichen Organisationen gebeten hatten. In dieser
Arbeitsgruppe, die zwischenzeitlich mehrfach getagt hat, wurden Diskussionspapiere
der nichtstaatlichen Organisationseinheiten ebenso beraten wie Unterlagen des
Ressorts, wobei das in der Anfrage angesprochene Papier eine Kompilation jener
Stellungnahmen darstellt, die von den Behörden eingebracht wurden.
Ich halte sehr viel davon, daß so schwierige Materien wie die des Migrationswesens
in einem möglichst kontinuierlichen Prozeß diskutiert werden, wobei es mir
wesentlich ist, daß in diesen Prozeß alle tatsächlich vorhandenen Meinungen
eingebracht werden können. Eine Vorzensur dahingehend, daß bestimmte
Meinungen zu einer solchen Diskussion gar nicht zugelassen werden, halte ich für
falsch. Auf dieser Grundlage wurden weder
die Stellungnahmen nichtstaatlicher
Organisationen vorher vom Ressort geprüft, bevor sie in die Arbeitsgruppe zur
Diskussion eingebracht wurden, noch wurden die Stellungnahmen der Behörden
vorher einer Überprüfung unterzogen. Es ging mir vielmehr darum, möglichst offen
und unverfälscht jene Meinungen in das Gespräch einzubringen, die tatsächlich
existieren.
Zu Frage 1:
Ich plane in den nächsten Monaten keine Vorlage eines Entwurfs zur Novellierung
des Fremden - bzw. des Asylgesetzes.
Zu Frage 2:
Ich verweise auf die einleitenden Bemerkungen, wobei ich ergänzend festhalte, daß
das Ersuchen zur Übermittlung von Erfahrungsberichten nicht nur an die zuständigen
Organisationseinheiten des Bundesministeriums für Inneres, sondern auch an die
nachgeordneten Dienststellen und Behörden ergangen ist. Diese haben teilweise
von sich aus, teilweise in schriftlicher Form, teilweise auf direktes Ersuchen und
teilweise im Rahmen von Behördenleiterbesprechungen ihre Positionen übermittelt.
Zu Frage 3:
Es gibt immer wieder Erledigungen grundsätzlicher Art im Innenressort, aber auch
bei den nachgeordneten Dienststellen, da ich es für notwendig und für sinnvoll halte,
daß sich die mit der Führung von Behörden betrauten Organwalter auch kritisch und
konstruktiv mit ihrem eigenen Arbeitsbereich auseinandersetzen. Überlegungen
dahingehend, wie aus der Sicht der vollziehenden Verwaltungsbehörden die
Entwicklung der aktuellen Situation zu bewerten ist und welche Konsequenzen aus
der Sicht der Behörden sinnvoll erscheinen, sind immer notwendig. Insofern ist die
Auseinandersetzung mit offenen, neu entstehenden und Probleme verursachenden
Fragen des Migrations -, Asyl - und Fremdenwesens eine ständige Aufgabe der
vollziehenden Organe und Behörden.
Zu Frage 4:
Ich verweise auf meine Einleitung und darauf, daß alle dem Arbeitskreis zugrunde
liegenden Papiere von mir zunächst nicht bewertet werden. Gerade weil ich nicht auf
der Basis einseitiger Informationen Entscheidungen treffen wollte, war es mir ein
Anliegen, die Bewertung der eingebrachten Vorschläge zunächst vom Arbeitskreis
vornehmen zu lassen. Ich bin dabei davon ausgegangen, daß in jenen Punkten, in
denen sowohl aus der Sicht der Behörden, als auch aus der Sicht der
nichtstaatlichen Organisationen Einvernehmen erzielt werden kann, Gesetzes -
änderungen durchaus überlegenswert sind und voraussichtlich von einem breiten
Konsens getragen werden. Mir war und ist es aber auch wichtig, jene Punkte
herauszuschälen, in denen offensichtlich kein Konsens gefunden werden kann,
sondern unterschiedliche Auffassungen nebeneinander stehen. Hier geht es mir
darum, daß diese unterschiedlichen Standpunkte - mögen sie auch kontroversiell
sein - klar herausgearbeitet werden,
daß die mit der jeweiligen Lösungsalternative
verbundenen Vor - und Nachteile klar aufgezeigt werden, so daß in einer späteren
Diskussion im Zusammenhang mit Änderungswünschen kein Argument übersehen
wird und eine politische Bewertung und Entscheidung auf vollständig aufbereiteten
Unterlagen aufbauen kann.
Zu Frage 5:
Die Argumentation ist schlüssig, daß der Anstieg der Asylanträge im Jahr 1998 auf
eine Reihe von Ursachen zurückzuführen ist, die ich im einzelnen hier nicht
quantifizieren möchte und kann. Für mich ist es schlüssig, daß eine dieser Ursachen
auch in jenen Rechtsänderungen liegt, die durch die Novellierung des Asylgesetzes
erfolgten. Welcher quantitative Anteil diesem Faktor zukam und welcher Anteil
anderen Faktoren zuzumessen ist, wird hoffentlich im Arbeitskreis herausgearbeitet
werden können.
Zu Frage 6:
Das Papier bezieht sich im Kontext der hier zitierten Darstellung darauf, daß eine
entsprechende Zahl von Asylanträgen im Jahr 1998 deshalb eingestellt werden
mußte, weil die Asylwerber untertauchten und am weiteren Verfahren nicht
teilnahmen. Das Phänomen, daß deutlich über 4.000 Verfahren aus diesem Grund
eingestellt werden mußten, in Verbindung mit dem Umstand, daß diese
Einstellungen nicht bei bereits jahrelang laufenden Verfahren erfolgten, sondern zu
einem großen Teil in sehr kurzer Frist nach der Einbringung des Asylantrages, ist ein
Phänomen, mit dem sich die Fremdenpolizeibehörden auseinandersetzen müssen.
Ich bin interessiert daran, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen und bin
daher für Vorschläge, wie das gelingen kann, offen.
Zu Frage 7:
Eine Reihe von Fremdenpolizeibehörden haben - mit guten und nachvollziehbaren
Begründungen - auf Punkte hingewiesen, in denen die Verfolgung und Bekämpfung
der illegalen Schlepperei und des illegalen Aufenthalts schwieriger geworden ist. Sie
haben dabei im Sinne des ergangenen Auftrags auf neue Regelungen hingewiesen,
die dazu ausgenützt werden können, eine effektive Tätigkeit der Behörden in diesem
Punkt zu verhindern. Ich bin auch in diesem Zusammenhang sowohl daran
interessiert, das Phänomen möglichst klar erläutert zu erhalten, als auch daran, zu
wissen, mit welchen gesetzlichen Regelungen dieses Phänomen in Verbindung
steht. Wie bereits aus den statistischen Daten, etwa über die Aufgriffe illegaler
Grenzgänger, aber auch aus den zur Frage 6 dargestellten Zahlen erkennbar ist,
nahm tatsächlich die illegale Schlepperei im Jahr 1998 zu.
Zu Frage 8:
Mit dem Phänomen der Scheinehen haben sich die Fremdenpolizeibehörden und die
Kriminalpolizei kontinuierlich auseinanderzusetzen. Das Phänomen ist bekannt,
wurde von mir auch mehrfach in der Öffentlichkeit dargelegt und hat unter anderem
auch zu gesetzlichen Änderungen gegen
Ende des Jahres 1998 geführt. Insoweit
hat sogar der Gesetzgeber bereits auf das im Papier dargestellte Phänomen
reagiert. Diese Reaktion betraf zunächst ausschließlich den Fremdenrechtsbereich
im engeren Sinn und bezog andere gesetzliche Regelungen nicht mit ein. Ich halte
es für sinnvoll, zu prüfen, ob und inwieweit die Gesetzesänderungen auch eine
Wiederspiegelung in anderen Rechtsmaterien finden sollen, ohne daß ich es für
sinnvoll halte, bereits jetzt vor der Durchführung dieser Diskussion eine endgültige
Haltung zu beziehen.
Zu Frage 9:
Ich bin der Auffassung, daß die Behörden im Fall von Hungerstreiks in der Schubhaft
rasch zu reagieren haben und die Zunahme eines solchen Phänomens nicht ohne
Reaktion hinnehmen können. Mir scheint es sinnvoll, gerade in solchen Fällen darauf
zu dringen, daß möglichst rasch der Status des betreffenden Fremden klar ist, was
impliziert, daß Verfahren bei Häftlingen generell, in den angesprochenen Fällen im
speziellen, mit möglichster Beschleunigung zu führen sind. Dies heißt nicht, daß
negative Bescheide ohne inhaltliche Überprüfung des Vorbringens erlassen werden
können. Das bedeutet aber, daß jede Zeitverzögerung zu vermeiden ist, die lediglich
durch administrative Abläufe bedingt ist und nicht ursächlich mit den vom
Verwaltungsverfahrensrecht gebotenen Sch riffen zusammenhängt.
Zu Frage 10:
Die im Arbeitspapier vertretene Auffassung, wonach ein sehr hoher Prozentsatz
jener Personen, bei denen das gelindere Mittel angewendet wurde, „untertauchten“,
beruht auf dezidierten Berichten von Fremdenpolizeibehörden. Diese Fakten können
nicht geleugnet werden.
Zu Frage 11:
Tatsache ist, daß es bei der derzeitigen Gesetzeslage möglich ist, immer wieder die
selben Anträge zu stellen und daß damit in Extremfällen der Vollzug
fremdenpolizeilicher Maßnahmen dauerhaft verhindert werden kann. Mit diesem
Phänomen müssen sich die Vollzugsbehörden auseinandersetzen und ich bin daher
interessiert daran, zu erfahren, in welcher Dimension dieses Problem auftritt und
welche Lösungsmöglichkeiten hiefür angeboten werden.
Zu Frage 12:
Bedauerlicherweise waren die Sicherheitsbehörden im letzen Jahr mit einer
zunehmenden Zahl von Fällen konfrontiert, in denen insbesondere im Bereich der
Suchtgiftdelinquenz festgestellt werden mußte, daß Kriminelle sich den Zugang nach
Österreich durch einen Asylantrag ermöglicht hatten. Auch hier handelt es sich um
eine Frage, die sicherheitspolizeilich von großer Wichtigkeit ist und wo es daher
notwendig ist, sich damit und mit
möglichen Lösungen auseinanderzusetzen.
Zu Frage 13:
Der Zusammenhang zwischen strafbaren Handlungen und dem Weiterbestand eines
aufgrund eines positiven Asylbescheides gegebenen Aufenthaltsrechts ist zu
diskutieren. Es gibt eine Reihe von Ländern, die die Konsequenzen qualifizierter
strafbarer Handlungen für den Status anerkannter Flüchtlinge anders regeln als
Österreich. Mir ist bewußt, daß aufenthaltsbeendende fremden rechtliche
Maßnahmen nur dann möglich sind, wenn damit nicht gegen die Genfer Konvention
verstoßen wird. Dort, wo dies nicht der Fall ist, hat der Gesetzgeber und die
Verwaltung allerdings einen Spielraum.
Zu Frage 14:
Die Frage der Drittstaatsklausel war - wie auch den Antragstellern bekannt ist - zu
Ende des vorigen Jahres ein Thema, das auch zu einer entsprechenden Änderung
des Asylgesetzes geführt hat. Die Zusammenstellung der Argumente der Behörden
des Ressorts erfolgte im wesentlichen vor dem Zeitpunkt dieser Gesetzesänderung.
Mehrere Lösungen standen zur Diskussion - auch die, die der Gesetzgeber letztlich
traf. Insofern kann ich daraus den Schluß ziehen, daß die Wahrnehmung dieser
Zusammenstellung durchaus zutreffend war. Im übrigen verweise ich zur Frage
künftiger Gesetzänderungen auf die Einleitung.
Zu Frage 15:
Ich habe in der Diskussion um das Asylgesetz die Auffassung vertreten, daß beim
sogenannten Flughafenverfahren eine Kompromißlösung gefunden werden soll. Aus
diesem Grund bin ich auch dafür eingetreten, daß nicht ausschließlich die
Sicherheitsbehörde bzw. die Asylbehörde allein eine Entscheidung über die Einreise
trifft. Konsequenz war eine Einbindung des UNHCR in dieses Verfahren. Nun ging es
darum, die Erfahrungen mit diesem für Österreich neuen Rechtsinstitut zu bewerten
und daraus Schlüsse zu ziehen. Ich kenne die Argumente, die von allen
Diskussionspartnern in diesem Zusammenhang vorgebracht wurden; sie gehen in
die Richtung, daß die geltende Regelung dem UNHCR im Effekt ein absolutes Veto
einräumt. Ich hoffe, daß es möglich sein wird, hier Kompromißlösungen zu finden,
die weder der Behörde, noch dem UNHCR ein unbeschränktes Entscheidungsrecht
ohne Berücksichtigung der Position des jeweils anderen Partners in diesem
Verfahren einräumen.
Zu Frage 16:
Tatsache ist, daß eine unbeschränkte Einreisemöglichkeit für jene Personen, die auf
einem Flughafen ankommen und einen - wenngleich auch völlig unberechtigten -
Asylantrag stellen, im Zusammenhang mit den sonstigen fremden - und
sichtvermerksrechtlichen Regelungen steht. Hier geht es darum, daß das Gesetz
eine Balance zwischen den berechtigten Interessen von Asylwerbern und den
berechtigten Interessen des Staates findet, die Einreise etwa durch Erlassung von
Sichtvermerksregelungen entsprechend zu steuern. Es ist wichtig, dafür zu sorgen,
daß Visaregeln - zu deren Einhaltung Österreich auch verpflichtet ist - nicht
unterlaufen werden.
Zu Frage 17:
Die in der Frage wiedergegebene Aussage ist vollständig zutreffend; es gehört zum
Wesen einer unabhängigen und ausschließlich auf die Prüfung von Rechtsfragen
konzentrierten Behörde, daß sie politische Interessenslagen in ihre
Entscheidungstätigkeit nicht einfließen lassen kann. Ich sehe in diesem Punkt keine
Kritik1 sondern eine faktische Feststellung, die wohl auch aus der Sicht einer auf
Rechtsfragen beschränkten Kontrollinstanz geteilt werden wird.
Zu Frage 18:
Nach meinem Kenntnisstand wurde ein solcher Vorschlag im zusammenfassenden
Diskussionspapier der Vollzugsbehörden nicht gemacht. Wenn er sich in der
Arbeitsgruppe ergibt, wird auch darüber zu reden sein, da es keine Denkverbote
geben darf.
Zu Frage 19:
In diesem Punkt kann ich die Frage nicht nachvollziehen, da sie auch kein
geschlossenes Argument des Arbeitspapiers wiedergibt. Eine Antwort ist mir daher
nicht möglich.
Zu Frage 20:
Ich bin der Auffassung, daß sich sowohl die Behörden, wie auch die beteiligten
Parteien darin einig sind, daß Verfahren insbesondere im Asylbereich zügig
abgewickelt werden sollten. Überlange Verfahrensdauern sind für niemanden von
Vorteil, am allerwenigsten für die Asylwerber. Insofern bin ich für alle Vorschläge
dankbar, die dazu dienen, Verfahren ohne Beeinträchtigung der Verfahrensqualität
zu beschleunigen. Dies war auch in der Vergangenheit immer die Maxime des
lnnenressorts.
Zu Frage 21:
Ein exakter Zeitpunkt für das Inkrafttreten der in der Frage angesprochenen
Verordnung wurde noch nicht festgelegt.
Zu Frage 22:
Die Angaben des Arbeitspapiers stützen sich auf nachvollziehbare Berichte der
Fremdenpolizeibehörden über die quantitative Entwicklung von Asylanträgen.
Insoferne kann die Behauptung nicht angezweifelt werden. Im ‚ibrigen gilt auch für
die Schubhaftbetreuung, was ich bereits eingangs angeführt habe: Es existiert hier
ein Dialog zwischen den Betreuungsinstitutionen aus dem nichtstaatlichen Bereich
und dem Innenressort, in dem es mir wesentlich darum geht, gegenseitiges
Vertrauen aufzubauen und die Arbeit der Schubhaftbetreuung auf gegenseitiges
volles Vertrauen der nichtstaatlichen und
der staatlichen Einrichtungen zu stützen.
Zu Frage 23:
Aus den bereits eingangs dargelegten Gründen kann bei dem in der Anfrage
angesprochenen Papier nicht von der Initiative einer Einzelperson gesprochen
werden. Es gibt daher auch keinen Anlaß, gegen Einzelpersonen irgendwelche
Konsequenzen zu ziehen. Der in der Frage angesprochene Sektionschef sieht die
Prioritäten seiner Arbeit jedenfalls nicht in dem von der Frage unterstellten Sinn,
sondern trägt aktuellen Anforderungen an die Vollziehung Rechnung; derzeit ist
übrigens die Hauptaufgabe die im Einvernehmen mit dem UNHOR durchgeführte
Evakuierung aus Mazedonien.
Zu Frage 24:
Die Besetzung von Funktionen in Bundesministerien obliegt dem zuständigen
Ressortleiter. Insofern kann ich keine Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres
zur Beantwortung von Fragen erkennen, die sich auf Personalvorgänge im
Bundeskanzleramt beziehen.