5750/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 6060/J - NR/1999 betreffend sexuelle Übergriffe unter

Volksschülern und das Verhalten des Lehrkörpers, des Elternvereins und der Schulverwaltung, die

die Abgeordneten Dr. Martin Graf und Kollegen am 8. April 1999 an mich richteten, wird wie folgt

beantwortet:

 

Ad 1.:

 

Der in der Anfrage beschriebene Vorfall ist mir nicht bekannt, da er sich nicht in der beschriebenen

Art und Weise zugetragen hat!

 

Ad 2.:

 

Laut Grundsatzerlass “Sexualerziehung in den Schulen” ist Sexualerziehung “die primäre Aufgabe

der Eltern/Erziehungsberechtigten. Im Unterricht an den Schulen wird daher in steter

Zusammenarbeit mit dem Elternhaus diese Bildungs - und Erziehungsarbeit durch Vermittlung

entsprechender Wissensinhalte und Verhaltensweisen umfassend zu ergänzen, zu vertiefen und

gegebenenfalls zu korrigieren sein.”

Eine derartige Zusammenarbeit ist nur möglich, wenn die entsprechende Vertrauensbasis zwischen

Schule und Elternhaus geschaffen wurde. Das Anlegen von Dossiers über Schüler/innen/verhalten

wäre in dieser Hinsicht kontraproduktiv und wird daher durch das BMUK weder gefordert noch

gefördert. Es sind mir daher keine Fälle bekannt.

Ad 3.:

 

In jenen Fällen, in denen das Verhalten von Schüler/innen den schulischen und gesellschaftlichen

Leitvorstellungen widerspricht, wird üblicherweise der Kontakt mit den Erziehungsberechtigten der

unmittelbar Beteiligten gesucht. Die Eltern unbeteiligter Kinder oder von Mitschüler/innen, die vom

“Hörensagen” Informationen zugetragen haben, werden sinnvollerweise in derartige

Kontaktnahmen nicht eingebunden.

 

Ad 4.:

 

Die generellen Regelungen beruhen auf § 47 Schulunterrichtsgesetz “Mitwirkung der Schule an der

Erziehung”, mit dem jeder Lehrkraft aufgetragen wird, in der “Unterrichts -  und Erziehungsarbeit

die der Erziehungssituation angemessenen persönlichkeits - und gemeinschaftsbildenden

Erziehungsmittel anzuwenden.”

Die Lehrer/innen beachten auch die Bestimmungen über die Amtsverschwiegenheit (§ 46 BDG

bzw. § 33 LDG).

 

Ad 5.:

 

Die Aufsichtspflichten des Lehrers sind grundgelegt im § 51 Abs. 3 Schulunterrichtsgesetz, im

“Aufsichtserlass” des BMUK, GZ 10. 361/115 - III/4/96, sowie in der Schulveranstaltungen -

verordnung, § 10 dieser Verordnung enthält auch die Richtlinien für die Durchführung mehrtägiger

Veranstaltungen (,,Projektwochen”).

 

Ad 6.:

 

Hinsichtlich des Verhaltens der zuständigen Lehrkräfte bei den tatsächlichen Ereignissen sind keine

Bedenken angebracht. Die Chancen, sich gegen Gerüchte und Behauptungen zur Wehr zu setzen,

sind stets beschränkt. Zumeist können Lehrer auf die Vertrauensbasis, die durch eine gelebte

Schulpartnerschaft geschaffen wird, bauen. Eltern merken auch‚ wenn einer Lehrkraft von einzelnen

Personen Unrecht getan wird. Es ist daher verständlich, wenn sie die “Ehre‘ der Klassenlehrerin

durch eine ,,Unterstützungserklärung” wiederherstellen wollen.

Ad 7.:

 

Die Schulpsychologie - Bildungsberatung steht allen am schulischen Bildungsprozess beteiligten

Personen und Institutionen (Schüler/innen aller Schularten sowie deren Eltern bzw. sonstigen

Erziehungsberechtigten, Lehrer/innen) durch unmittelbare Anwendung wissenschaftlicher

Erkenntnisse und Methoden - im gegebenen Fall unter Wahrung des Elternrechts - zur Verfügung.

Die Schulpsychologie - Bildungsberatung befasst sich mit drei Adressaten: Dem Individuum

(Schüler, Elternteil, Lehrer); den einzelnen Subsystemen (Familie, Klasse, Freundeskreis, Schule)

sowie mit dem umfassenden System (Schulsystem, Gesellschaft).

Es gibt drei grundlegende schulpsychologische Zielsetzungen: Prävention, lntervention,

Rehabilitation.

Es gibt drei grundlegende Realisierungsformen für diese Zielsetzungen: Beratung, Begleitung und

Behandlung. Beraten ist jede klärende, orientierungserleichternde, katalysatorische Vorgangsweise.

 

 

Ad 8.:

 

Das Wirkungsfeld der Schulpsychologie - Bildungsberatung umfasst insbesondere folgende

Aufgabenbereiche:

 

a) Psychologische Beratungs -, Untersuchungs - und Sachverständigentätigkeit im Problemfeld und

    Fragenbereich der Schule

    (z.B. Schulbahnwahl, Integration, Fragen im Zusammenhang mit sonderpädagogischen Förder -

    maßnahmen, Schulreife, Lernprobleme, Verhaltensprobleme, persönliche Schwierigkeiten und

    Krisen);

 

b) Psychologische Förderung, psychologische Betreuung und psychologische Behandlung (wobei

    auch - entsprechend den gegebenen Möglichkeiten und Erfordernissen - psychotherapeutische

    Methoden zum Einsatz kommen); Ziel: Persönlichkeitsförderung, Prävention, Intervention,   

    Rehabilitation;

 

Ad 9.:

 

Im tatsächlichen Fall musste kein Schulpsychologe herangezogen werden, da über die Klärung im

Kreis der Beteiligten hinaus das Ereignis im Sinne des Grundsatzerlasses "Sexualerziehung in den

Schulen” auch als Anlass für unterrichtliche Maßnahmen herangezogen wurde.

Ad 10.:

 

Grundsätzlich werden in der österreichischen Schule gegenüber  Kindern, die aus

unterschiedlichsten Gründen den erziehlichen Erwartungen nicht entsprechen alle erziehlichen

Möglichkeiten durch Lehrer/innen, unter Einbeziehung der verantwortlichen Eltern,

Beratungslehrer/innen. Schulpsycholog/innen ausgeschöpft. Reichen diese schulinternen bzw.

schulischen Maßnahmen nicht aus, wird an die Institutionen der Jugendwohlfahrt und der Pädiatrie

weiterverwiesen.

 

Ad 11.

 

Für eine auf Vertrauen basierende Schulpartnerschaft sind Aussprachen zwischen Lehrpersonen und

den Erziehungsberechtigten unbedingt notwendig. Dabei müssen aber bestimmte Regeln

eingehalten werden:

a) Gespräch mit der Lehrerin oder dem Lehrer suchen, mit der oder dem ein Konflikt vorliegt

b) Beratung der Angelegenheit im Klassenforum, eventuell unter Einbeziehung externer

     Expert/innen (Moderator/innen, Schulpsycholog/innen)

c) Information der Schulleitung

d) Beratung im Schulforum

 

Ad 12.:

 

Im Instanzenzug hat jede Lehrkraft Vorgesetzte, denen wiederum Instanzen übergeordnet sind. Dort

wo Auffassungsunterschiede über Zuständigkeit bestehen, hilft das regionale oder zentrale

Schulservice, die richtigen Ansprechpartner/innen zu finden. Eine zentrale "Beschwerde -

kommission” würde es erschweren, dass die Beteiligten zu einer gemeinsamen Lösung ihres

Problems finden können.

 

Ad 13.:

 

Nein, dies hat auch bei der zitierten Schulveranstaltung nie stattgefunden!

Ad 14.:

 

Nein, weil in allen Schulen - auch an der Übungsvolksschule der Pädagogischen Akademie des

Bundes in Wien - mehr oder weniger formelle Wege gesucht werden, für Übersetzungen zu sorgen

oder sogar die Eltern in ihrer Muttersprache schriftlich zu verständigen. Zumeist reicht die Hilfe der

Schüler/innen, d. h. der Kinder dieser Eltern, die mehrheitlich bereits zweisprachig aufgewachsen

sind. Zur Teilnahme an einer Elterninformationsveranstaltung kann niemand gezwungen werden!

 

Ad 15.:

 

Es waren alle Eltern zur Teilnahme an der Schulveranstaltung eingeladen.

 

Ad 16.:

 

Lehrer und Eltern sind aufgerufen in Fragen des Unterrichtes und der Erziehung

zusammenzuarbeiten, Konflikte aufzugreifen und Lösungen zu erarbeiten. Dabei ist die Würde

jedes einzelnen Betroffenen zu achten. Sollte es Anlass zu Kritik an Verhaltensweisen von

Lehrerinnen und Lehrern geben, sind die Betroffenen selbst erste Ansprechpartner, ergänzend

Schulleiter/innen und Elternvertretung, allenfalls die Schulaufsicht.

 

Ad17.:

 

Im konkreten Fall wurde der Brief weder von Lehrer/innen verfasst noch verschickt.

 

Ad 18.:

 

Gemäß § 118 Schulorganisationsgesetz ist es Aufgabe der Pädagogischen Akademien, Lehrer/innen

heranzubilden, die nach Berufsgesinnung, Berufswissen und Berufskönnen geeignet sind, die

Aufgaben des Lehrberufs zu erfüllen.

Hiezu gehört auch die Information über schulische und außerschulische Interventionshilfen im

Krisenfall. Eine Ausbildung für alle denkbaren (und erdachten) Extremfälle ist nicht möglich und

widerspräche auch der Nutzung des Kreativitätspotentials des/der einzelnen Lehrers/Lehrerin.

Ad 19.:

 

Der ,,perfekte/konditionierte/fehlerfreie Lehrer” kann nicht das Ziel der österreichischen

Lehrerausbildung sein, zumal menschliches Vertrauen auch das Offenlegen von Schwächen

voraussetzt, die der Perfektionist zumeist vor sich selbst leugnet. Lehrkräfte werden daher im

Umgang mit Schüler/innen mitunter Fehler machen, die ihnen -  vorausgesetzt die Vertrauensbasis

stimmt - von diesen auch verziehen werden Lehrer/innen sollten sich stets bemühen, auch die

Eltern in dieses Vertrauensverhältnis einzubeziehen. Das bedarf des guten Willens beider

Seiten/Gesprächspartner.