5984/AB XX.GP

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Hermann Böhacker und Kollegen haben an mich

eine schriftliche Anfrage, betreffend "den Entführungsfall des Sohnes Felix durch

seinen Vater Mag. Günter Bauer, anhängig beim Landesgericht Salzburg seit 1997",

gerichtet.

 

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

 

Zunächst halte ich fest, dass das Bezirksgericht Salzburg bereits mit Bericht vom

13. Oktober 1997 den Antrag der Mutter des genannten Kindes nach dem Haager -

Übereinkommen vom 25. Oktober 1980, BGBl. Nr.512/1988, über die zivilrechtli -

chen Aspekte internationaler Kindesentführung (sog. Haager Kindesentführungs -

übereinkommen ) dem Bundesministerium für Justiz in seiner Eigenschaft als öster -

reichische zentrale Behörde nach diesem Übereinkommen vorgelegt hat. Weil der

Aufenthalt des Kindes und seines Vaters nicht bekannt waren, hat das Bundesmini -

sterium für Justiz mit Schreiben vom 31. Oktober 1997 das Bundesministerium für

Inneres (Interpolabteilung) ersucht, den Aufenthaltsort des Kindes und seines Va -

ters zu ermitteln. Das Bundesministerium für Inneres hat umfangreiche Erhebungen

- besonders in Portugal, Tschechien, Brasilien, Chile, Mexiko und Guinea - in die

Wege geleitet, die bis jetzt jedoch ergebnislos geblieben sind.

 

Mit der Antragsstellung nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen ist

sehr rasch nach dem Verbringen des Kindes die zielführendste Maßnahme gesetzt

worden, um den Aufenthaltsort des Kindes festzustellen; wäre der Aufenthaltsort

des Kindes in einem Vertragsstaat des eben genannten Übereinkommens ausge -

forscht worden, so hätte das in dem Übereinkommen vorgesehene überaus rasche

und effiziente Rückgabeverfahren in Gang gesetzt werden können.

 

Zu 1:

Ein Beschluss des Pflegschaftsgerichtes auf Übergabe eines Kindes an die obsor -

geberechtigte Person ist auf Ersuchen des berechtigten Elternteils vom Pfleg -

schaftsgericht umzusetzen; nach § 146b Satz 2 ABGB haben die Sicherheitsorgane

bei der Ermittlung des Aufenthalts, notfalls auch bei der Zurückholung des Kindes

mitzuwirken.

 

Die Staatsanwaltschaft Salzburg erlangte am 21. Oktober 1997 vom gegenständli -

chen Sachverhalt durch eine Strafanzeige der Bundespolizeidirektion Salzburg

Kenntnis und beantragte am 24. Oktober 1997 beim Landesgericht - Salzburg die

Einleitung gerichtlicher Vorerhebungen sowie die Ausschreibung des Verdächtigen

zur Aufenthaltsermittlung, die der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Salz -

burg am 30. Oktober 1997 veranlasste.

 

Zu 2:

Nach einem Hinweis einer unbeteiligten Person an die Staatsanwaltschaft über ei -

nen mutmaßlichen Aufenthaltsort des Verdächtigen werden derzeit Ermittlungen im

Wege des Bundesministeriums für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Si -

cherheit, durchgeführt.

 

Zu 3, 4 und 8:

Bereits am 19. Dezember 1997 hat das Landesgericht Salzburg die Bundespolizeidi -

rektion Steyr um Erhebung ersucht, ob sich der Verdächtige an der Adresse seiner

Eltern in Steyr aufhalte oder wohin er allenfalls verzogen sei. Die Erhebungen der

Bundespolizeidirektion Steyr ergaben, dass der Verdächtige an dieser Adresse zwar

gemeldet war, sich dort aber nicht aufhielt.

 

Im Dezember 1998 erging ein Ersuchen des Bezirksgerichtes Salzburg als Pfleg -

schaftsgericht an die Bundespolizeidirektion Steyr, an der Anschrift der Eltern des

Verdächtigen in Steyr Nachschau zu halten, ob er allenfalls anlässlich der Weih -

nachts - und Neujahrsfeiertage bei seinen Eltern anzutreffen sei. Im Zuge dieser si -

cherheitsbehördlichen Erhebungen wurden der Vater sowie zwei Bekannte des Ver -

dächtigen befragt. Diese Erhebungen ergaben keine zweckdienlichen Angaben zum

Aufenthaltsort des Verdächtigen.

Zu 5 bis7 :

Von der Staatsanwaltschaft Salzburg selbst sind weder die Eltern noch Bekannte

des Verdächtigen zur Einvernahme vorgeladen worden, weil die Staatsanwaltschaft

bei sonstiger Nichtigkeit - selbst keine Untersuchungshandlungen vornehmen darf

(§ 97 Abs. 2 StPO).

 

Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat von einer Antragstellung auf gerichtliche Ver -

nehmung der Eltern des Verdächtigen als Zeugen deshalb Abstand genommen, weil

sie schon im Pflegschaftsverfahren sowie bei den sicherheitsbehördlichen Befragun -

gen jedes Wissen um den Aufenthalt ihres Sohnes in Abrede gestellt hatten und im

Strafverfahren gegen ihn gemäß § 152 Abs. 1 Z 2 StPO grundsätzlich von der Ver -

bindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses befreit wären. Da bei den Bekannten die

polizeiliche Befragung negativ verlaufen war, wurde auch hier von einer gerichtli -

chen Vernehmung abgesehen, weil keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten waren.

 

Zu 9:

Bereits vier Tage nach Einlangen der Anzeige wurden von der Staatsanwaltschaft

Salzburg Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung des Verdächtigen beantragt.

 

Zu 10 und 11:

Solange gerichtliche Vorerhebungen anhängig waren, gab es noch kein mitteilungs -

pflichtiges Prozessrechtsverhältnis im Sinne des § 83 StPO. Mit Beschluss des Un -

tersuchungsrichters vom 12. Mai 1999 wurde die gerichtliche Voruntersuchung

eingeleitet. Die nunmehr gebotene Verständigung der Dienstbehörde des Beschul -

digten obliegt dem Gericht.

 

Zu 12:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat in ihrem Antrag auf Überwachung des

Fernmeldeverkehrs gemäß § 149a Abs. 1 Z 1 iVm. § 414a StPO keine konkrete

Dauer dieser Maßnahme begehrt. Die Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg

hielt eine Frist von vier Wochen für angemessen und begründete dies damit, dass

der Zweck der genehmigten Telefonüberwachung die Ausforschung des Aufent -

haltsortes des Beschuldigten sei. Da seine Ehefrau angegeben hatte, dass sie ein -

bis zweimal pro Monat derartige Anrufe erhalte, hielt das Gericht ein Zeitraum von

vier Wochen zur Erreichung des Überwachungszieles für ausreichend.

Zu 13 bis 16:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat diese Einvernahmen bisher nicht beantragt,

weil sie zunächst die Ergebnisse anderer Ermittlungsmaßnahmen abwartet.

Außerdem findet sich im Strafakt ein Hinweis, wonach der Schriftverkehr zwischen

dem Beschuldigten und seinem Dienstgeber nicht unmittelbar stattfindet.

 

Zu 17:

Die Eltern des Beschuldigten haben - wie bereits erwähnt - schon im pflegschaftsge -

richtlichen Verfahren keine Angaben zum Aufenthaltsort ihres Sohnes gemacht. Im

Strafverfahren wären sie nach § 152 Abs. 1 Z 2 StPO von der Verbindlichkeit zur

Ablegung eines Zeugnisses befreit. Die Staatsanwaltschaft Salzburg erachtet daher

derzeit eine gerichtliche Einvernahme der Eltern nicht für zielführend.

 

Zu 18:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat nicht vor, ein Strafverfahren gegen die Eltern

des Beschuldigten einzuleiten. In Ansehung einer allfälligen gegen die Eltern

bestehenden Verdachtslage in Richtung des Vergehens der Begünstigung nach

§ 299 Abs. 1 StGB käme Abs. 3 dieser Bestimmung zur Anwendung, wonach

derjenige, der die Tat in der Absicht begeht, einen Angehörigen zu begünstigen,

nicht zu bestrafen ist. Nach dem Bericht der Staatsanwaltschaft Salzburg bestehen

auch keine ausreichenden Hinweise auf eine Beteiligung der Eltern an der Kindes -

entziehung.

 

Zu 19 und 20:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat vorerst einen solchen Erhebungsschritt als

nicht indiziert erachtet, ist aber am 8. Oktober 1998 einer entsprechenden Anregung

der Ehefrau des Beschuldigten beigetreten und hat die Öffnung des Kontos bean -

tragt, die der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Salzburg am

9. Oktober 1998 beschlossen hat.

 

Die Kontoöffnung brachte allerdings keine Hinweise auf den Aufenthaltsort des Ver -

dächtigen.

 

Zu 21:

Für eine solche Maßnahme gibt es keine gesetzliche Deckung.

Zu 22 und 23:

Dieser Ermittlungsschritt war im Beschluss des Untersuchungsrichters vom

9. Oktober 1998 (Durchsuchung des laufenden Kontos samt den dazu gehörigen

Belegen sowie aller sonstigen Bankunterlagen) bereits enthalten. Es fanden sich

keine diesbezüglichen Hinweise.

 

Zu 24:

Der Antrag auf internationale Fahndung wurde von der Staatsanwaltschaft Salzburg

am 19. April 1999 gestellt. Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Salzburg

hat am 12. Mai 1999 einen Steckbrief gegen den flüchtigen Beschuldigten erlassen

und die internationale Fahndung veranlasst.

 

Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat mit dem Antrag auf Erlassung eines internatio -

nalen Haftbefehles deshalb zugewartet, weil der Beschuldigte mit dem Kind verrei -

ste, als er noch sorgeberechtigt war und generell die Verhängung der Haft über den

leiblichen Vater, der sein Kind (wenn auch in der Folge widerrechtlich) bei sich hat,

grundsätzlich problematisch ist.

 

Die lange Dauer der Weigerung zur Rückgabe des Kindes und damit der

Missachtung der pflegschaftsgerichtlichen Entscheidung über das Obsorgerecht

veranlasste nunmehr die Staatsanwaltschaft Salzburg, nach dem Beschuldigten

international fahnden zu lassen.

 

Zu 25 bis 27:

Ich halte die derzeitige Rechtslage - besonders unter Berücksichtigung des ein -

gangs genannten Haager Kindesentführungsübereinkommens - für ausreichend, um

die Rückgabe widerrechtlich verbrachter bzw. zurückgehaltener Kinder zu erwirken

oder um gerichtliche Entscheidungen durchzusetzen.

 

Das Haager Kindesentführungsübereinkommen ist ein überaus effizientes Instru -

ment, das zwischen Österreich und 34 anderen Staaten in Kraft steht und die

Grundlage zur sofortigen Rückgabe widerrechtlicher verbrachter oder zurückgehal -

tener Kinder ist. Das Übereinkommen findet in allen Fällen der Verletzung eines

Sorgerechts bzw. Mitsorgerechts Anwendung, gleichgültig ob das Sorgerecht auf

Grund des Gesetzes oder auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung be -

ruht. Es gibt nur ganz wenige und überaus restriktiv gefasste Gründe, um die Rück -

gabe eines widerrechtlich verbrachten bzw. zurückgehaltenen Kindes ablehnen zu

können (Art. 13 und 20 des Übereinkommens).

Zu 28:

Das Gesetz gibt dem Richter ausreichend Spielraum, um die im Einzelfall zweckmä -

ßige und zielführende Maßnahmen zu setzen. Demgemäß muss die Beurteilung der

Frage, ob eine Partei überhaupt zur Vernehmung zu laden ist oder inwieweit die

wiederholte Vornahme einer Ladung sinnvoll ist, im Einzelfall dem - unabhängigen -

Richter überlassen werden. Generell wird man nicht sagen können, dass das Nicht -

erscheinen eines Elternteils zu einem Gerichtstermin sogleich zu einer - auch nur

vorläufigen - Entziehung der Obsorge führen soll, zumal die Gründe des Nichter -

scheinens dem Gericht nicht gleich bekannt sein müssen.

 

Zu 29 und 30:

In zivilgerichtlichen Verfahren ist die Einführung von Entscheidungsfristen kein taug -

liches Instrument zur Durchsetzung der Rechte von Parteien. Ist es nämlich einer

Partei bis zum Ablauf der Frist nicht gelungen, dem Gericht den von ihr auf Grund

der Beweislastverteilung zu liefernden Beweis zu erbringen oder hat das Gericht in

Verfahren, in welchen der Untersuchungsgrundsatz gilt, mit den Mitteln der Amtswe -

gigkeit die für die Position der Partei sprechenden Beweise nicht beigebracht, so

führt der Ablauf der Frist nicht zu einer für die antragstellende Partei positiven Ent -

scheidung, sondern - im Gegenteil - zu einer den Interessen der Partei widerspre -

chenden Abweisung des Antrages.

 

Das Haager Kindesentführungsübereinkommen nimmt in seinem Art. 11 auf den

Umstand Bedacht, dass widerrechtlich verbrachte bzw. zurückgehaltene Kinder

möglichst rasch zurückzugeben sind. Es wird daher festgelegt, dass die Gerichte

oder Verwaltungsbehörden eines jeden Vertragsstaats "mit der gebotenen Eile zu

handeln haben". Überdies werden die Gerichte oder Verwaltungsbehörden verpflich -

tet, falls innerhalb von sechs Wochen nach Eingang des Antrags keine Rückgabe -

entscheidung getroffen wird, über die Gründe für die Verzögerung zu berichten.

 

Die nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen eingerichteten zentralen

Behörden - in Österreich ist es das Bundesministerium für Justiz - sind bemüht, die

rasche Durchführung der Rückgabeverfahren sicherzustellen, und sie überwachen

den Verfahrensgang.

 

Zu 31 bis 33:

Der effizienteste und zumeist gewählte Weg zur Rückholung eines entzogenen Kin -

des sind Maßnahmen nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen. Ein in -

ternationaler Haftbefehl gegen den leiblichen Elternteil ist immer die ultima ratio.

Der Fall jener Kindesmutter, die im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit ihr Kind

dem erziehungsberechtigten Vater entzogen hatte und deswegen gemäß § 21 Abs.

1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden

musste, ist wegen der Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit der Tatumstände mit

dem gegenständlichen Straffall nicht vergleichbar.

 

Zu 34 und 35:

Aus familienrechtlicher Sicht liegt die Problematik darin, dass Eltern - so lange beide

Elternteile obsorgeberechtigt sind - zwar gemäß § 144 ABGB verpflichtet sind, im

Rahmen der Erfüllung ihrer Pflichten und der Ausübung ihrer Rechte in der Pflege

und Erziehung einvernehmlich vorzugehen, jedoch keiner der beiden Eltern gehin -

dert ist, ohne Befassung des anderen Handlungen der Pflege und Erziehung tat -

sächlich vorzunehmen. Dies ändert sich erst mit rechtskräftiger Zuteilung der zur

Obsorge gehörenden elterlichen Aufgaben an einen Elternteil allein.

 

Die Erlassung eines Haftbefehls ist von strafverfahrensbezogenen Umständen ab -

hängig (Tatverdacht, Haftgrund, Verhältnismäßigkeit) und grundsätzlich nicht das

Mittel zur Rückführung des Kindes an den Erziehungsberechtigten. In Fällen eines

grenzüberschreitenden widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eines Kin -

des ist die Erlassung eines Haftbefehls - wie praktische Erfahrungen zeigen - häufig

kontraproduktiv.