5990/AB XX.GP

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 6302/J betreffend

Nahversorgung in Osterreich, welche die Abgeordneten Schuster und Kollegen am

19.5.1999 an mich richteten, stelle ich fest:

 

Antwort zu den Punkten 1 und 2 der Anfrage:

 

Die Gründe für die in der Anfrage genannten strukturellen Veränderungen aus

Kundensicht sowie die Orientierung des Kundenverhaltens können aufgrund einer

Untersuchung der WU Wien/Abteilung Handel und Marketing, 1997, die auf

Kundenbefragungen basiert, folgendermaßen erkannt werden:

 

Folgende Stärken der Nahversorger werden darin genannt:

 

• Personal

.  Service

• Qualität der Leistungen

.  gutes Markenartikelangebot

Als Nachteile werden genannt:

 

• höheres Preisniveau kleinerer Anbieter bei geringerer Auswahl

• Nahversorger bieten weniger Sonderangebote, unflexible Öffnungszeiten, zu wenig

   Parkmöglichkeiten, zu wenig Frische der Ware.

• Defizite in der Werbung, Verkaufsförderungspolitik und Verkaufsraumgestaltung bei

   kleineren Anbietern

 

Weiters haben folgende Gründe zu der gegenständlichen Entwicklung im Bereich der

Nahversorgung beigetragen und die Kundenorientierung beeinflußt:

 

• Mobilität des Kunden: Die „Nähe“ als historisch bedingter Standortvorteil kleiner

   Läden hat für Kaufentscheidungen immer mehr an Bedeutung verloren. Der

   Konsument ist mobil und anspruchsvoll und stimmt täglich neu über Güterangebote

   und Distributionsformen ab.

• Veränderung des Angebots: Sortimentserweiterung, Konditionensplitting, Aktionsfeld

   „Marketing“ von Großformen des Einzelhandels, unterschiedliche Preispolitik.

• soziale Veränderungen: starke Zunahme der Frauenberufstätigkeit, kleinere Haushalte,

   stärkere Urbanisierung

• Großeinkäufe: gefördert durch höhere Verbrauchsmengen und wirtschaftliche

   Packungsgrößen

• strukturelle Nachteile der kleinen Händler: höhere Betriebskosten, geringere

   Flächenproduktivität, geringe Personalproduktivität, schlechte Ausstattung mit

   Investitionskapital

• Nachteile durch Betriebsführung: International operierende Ketten verfügen über ein

   hohes Maß an Kompetenz und professionelles Management, kleine Händler über ein

   wesentlich geringeres Management - Know - how. Kleine Händler haben aufgrund der

   Routinearbeiten weniger Zeit für strategische Entscheidungsfindung.

• Unternehmensnachfolge: mangelnde Attraktivität kleiner Handelsgeschäfte für

   Nachfolger

 

Antwort zu den Punkten 3 und 4 der Anfrage:

 

Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten seit Jänner 1997 hat den unternehmerischen

Spielraum ausgeweitet und bietet den Nahversorgern grundsätzlich die Möglichkeit,

innerhalb eines großzügigeren Öffnungszeitenrahmens nachfrageorientiert

unternehmerisch tätig zu sein. In der Novelle zum Öffnungszeitengesetz sind auch

Möglichkeiten in Form von Verordnungsermächtigungen der Landeshauptleute

vorgesehen, mit der für Orte mit einem hohen Auspendleranteil der Öffnungszeitenrahmen

von 5 Uhr bis 20 Uhr ausgeweitet werden kann.

 

Einen Beitrag zur Sicherung der Nahversorgung leistet die im Rahmen des KMU -

Förderungsgesetzes von der BÜRGES - Förderungsbank durchgeführte

Gewerbestrukturverbesserungsaktion. Im Rahmen dieser Aktion können

Nahversorgungsbetriebe aller Branchen schwerpunktmäßig gefördert werden. Seit

1.1.1997 kann für Nahversorger auch eine höhere Förderung (Plusprämie) gewährt

werden.

 

In den letzten fünf Jahren (1994 bis 1998) konnten 382 Nahversorgungsbetriebe mit einer

Prämie von öS 65.796.766,-- und einem Investitionsvolumen von öS 1.072.599.000,--

unterstützt werden.

Die durch die Gewerberechtsnovelle 1997 im § 77 neu aufgenommenen Absätze 5 bis 8

GewO verfolgen das Ziel, einer Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung

entgegenzusteuern. Diese Regelungen wurden anlässlich der parlamentarischen

Beratungen in das gewerbliche Betriebsanlagenrecht als zusätzliche

Genehmigungsvoraussetzung für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels

sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen

Gesamtanlagen (Einkaufszentren) aufgenommen. Für solche Anlagen müssen nunmehr

folgende Voraussetzungen erfüllt sein.

1.   Der Standort muss für eine derartige Gesamtanlage gewidmet sein.

2.   Betriebsanlagen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder einer

      Bruttogeschossfläche von mehr als 1000 m2 dürfen für einen Standort nur genehmigt

      werden, wenn das Projekt keine Gefährdung der Nahversorgung (Nachteile für die

      bestehenden Versorgungsstrukturen, Erschwerung der Erlangung von Konsumgütern

      und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie keine negativen Beschäftigungseffekte)

      erwarten lässt.

 

Durch die Einkaufszentren - Verordnung, BGBL. II Nr.69/1998 wurden entsprechende

Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe unter Zugrundelegung anerkannter

branchenbezogener Erfahrungswerte nach Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich

und der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte festgelegt.

Um kleinen und mittleren Handelsbetrieben gerade in ländlichen Regionen ein Bestehen

im Wettbewerb zu erleichtern, müssen vor allem die Angebote an diese Unternehmen

weiter verbessert werden. Die Erweiterung der Nebenrechte soll kleinen Händlern

Umsatzzuwächse und Frequenzsteigerungen ermöglichen. Auf dem Gebiet des

Wettbewerbsrechts gilt es, das Instrumentarium zur Bekämpfung von

Marktmachtphänomenen weiterzuentwickeln. Durch das Projekt „Telegemeinde“ des

Wirtschaftsministeriums (mit den Gemeinden Zwettl, Perchtolsdorf und Eschenau als

vorläufige Modellgemeinden) sollten die Möglichkeiten des Electronic Commerce stärker

ins Bewusstsein gebracht und der Nahversorgungsgedanke gestärkt werden.

 

In Hinblick auf die nächste Strukturfondsperiode 2000 - 2006 wird das Bundesministerium

für wirtschaftliche Angelegenheiten verstärkt bemüht sein, dass in die einzelnen

Programmplanungsdokumente - explizit als politische Priorität Maßnahmen zur

Sicherung bzw. Verbesserung der Nahversorgungssituation aufgenommen werden.

 

Ein konkretes Beispiel für ein Pilotprojekt zur Sicherung der Nahversorgung stellt die so

genannte ,,ShopIN - Card - Kärnten“ dar.

Mit einem Netz von derzeit 600 Händler - und Dienstleistungsbetrieben ist die ShopIN -

CARD europaweit die erste regionale Kundenkarte (je nach Wunsch mit oder ohne

Zahlungsfunktion) in einem gemeinsamen Marketingverbund. Die ShopIN - CARD soll -

als Kundenbindungsinstrument - einerseits dem Kaufkraftabfluss aus ländlichen Regionen

entgegensteuern, indem der Kunde für jeden Einkauf in einem der derzeit 600

teilnehmenden Betriebe Bonuspunkte erhält, die dann wieder in einem der

Mitgliedsunternehmen eingelöst werden können. Um die Karte noch attraktiver zu machen

erhält der Kunde daneben noch weitere Vergünstigungen (z.B. in diversen Hotels oder

Museen).

Andererseits erhalten die teilnehmenden Betriebe im Rahmen des Kundenkartenmodells

eine erheblich kostengünstigere Geräteausstattung zu wesentlich besseren Konditionen.

 

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

 

Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des

Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten.

Generell ist es jedoch im Interesse der Nahversorgung als sinnvoll anzusehen, wenn

entsprechende Aspekte in örtlichen Flächenwidmungsplänen oder

Ortsentwicklungskonzepten Berücksichtigung finden.