6160/AB XX.GP
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Van der Bellen, Freundinnen und
Freunde haben am 16. Juni 1999 unter der Nr. 6427/J an mich eine schriftliche
parlamentarische Anfrage betreffend Aufstockungen von Bundesanleihen
gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Auswirkungen auf den öffentlichen Schuldenstand:
Gemäß Verordnung (EG) Nr. 3605/93 des Rates vom 22. November 1993
„über die Anwendung des dem Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft beigefügten Protokolls über das Verfahren bei einem über -
mäßigen Defizit“ wird in Abschnitt 1 ‚ Artikel 1, Abs. 5 festgelegt, „daß als
öffentlicher Schuldenstand der Nominalwert aller am Jahresende ausstehenden
Bruttoverbindlichkeiten des Sektors Staat gilt“. Ein Agio oder Disagio wird daher
bei der Berechnung des öffentlichen
Schuldenstandes nicht berücksichtigt.
Auswirkungen auf das öffentliche Defizit:
Das derzeit gültige Europäische System volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung
- ESVG - (1979 bzw. 2. Auflage) beschreibt nicht (oder nicht ausreichend klar)
die Methoden zur Behandlung „unkonventioneller Finanzierungsinstrumente“
(die großteils erst nach der Fertigstellung des ESVG 1979 entstanden sind).
Um die internationale Vergleichbarkeit der Daten über das öffentliche Defizit
(bzw. den öffentlichen Schuldenstand) gemäß ESVG 1979 zu erhöhen, hat das
Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften (EUROSTAT) zwischen
1997 und 1998 einige Entscheidungen veröffentlicht, die die ESVG - Regeln
präzisieren. Insbesondere in den Entscheidungen vom 3. Februar 1997,
26. März 1997 und 30. April 1997 wurde die „Behandlung von Schuldverschrei -
bungen, die nicht explizit im ESVG 1979 geregelt sind,“ vereinheitlicht.
So wird in der Entscheidung vom 30. April 1997 ausgeführt: ‚,Schuldverschrei -
bungen, deren Emission sich über die gesamte Laufzeit erstreckt: ... diese
Tranchen können mehrere Jahre nach der ersten Emission begeben werden. In
diesem Fall werden die Tranchen entweder mit Aufgeld oder Kursabschlägen
begeben, die aufgrund der Zinsveränderungen seit der Begebung der ersten
Tranche ganz erheblich sein können. Die Frage stellt sich nach der
Verbuchung der Differenz zwischen dem Nominalwert und dem Ausgabekurs
(Kursabschlag oder Aufgeld) zum Zeitpunkt der Emission. Dabei ist zu
unterscheiden zwischen den Tranchen, die innerhalb der ersten zwölf Monate
nach der Emission der ersten Tranche begeben werden und jenen, die nach
diesen zwölf Monaten begeben werden. Bei jeder Tranche, die innerhalb der
ersten zwölf Monate nach Begebung der ersten Tranche begeben wird, ist die
Differenz zwischen dem Nominalwert und dem Emissionskurs (Kursabschlag
oder Aufgeld) als Kapitalverlust oder - gewinn ohne Einfluß auf das Defizit zu
verbuchen. Bei den Tranchen, die (mindestens) zwölf Monate nach Emission
der ersten Tranche begeben werden, ist die
Differenz zwischen Nominalwert
und Emissionskurs (Kursabschlag oder Aufgeld) als Zinszahlung zu verbuchen.
Diese Differenz hat folgende Auswirkungen auf das Defizit: Die Kursabschläge
erhöhen das Defizit und Aufgelder vermindern es.“
Ja, diese Prinzipien wurden beachtet.
Gemäß § 65 Abs. 4 Bundeshaushaltsgesetz (BGBI. Nr. 213/1986) ist den
Finanzschulden „der Nominalbetrag der eingegangenen Geldverbindlichkeiten“
anzurechnen.
Der Unterschied zwischen Nominalwert und Begebungskurs ist als Zinszahlung
(Ausgabe oder Einnahme) zu verbuchen. Im Kontenplan des Bundes für die
voranschlagswirksame Verrechnung sind dafür folgende Konten vorgesehen:
6579 - Emissionsverluste
(Anmerkungen laut „Leitfaden“: Wird eine Finanzschuld zu einem unter
dem Nominalwert liegenden Kurs eingegangen, ist der Nominalwert als
Einnahme und der Unterschiedsbetrag zwischen Nominalwert und dem
Wert zum Begebungskurs als Emissionsverlust in der Voranschlags-
wirksamen Verrechnung bei der Post 6579 zu verrechnen)
8293 - Zinsen aus dem Geldverkehr
(enthält die Post - Untergliederung 8. ,,Emissionsgewinne“).
Zu Frage 3:
In diesen Fällen steigt die Finanzschuld um den Nennwert. In diesem Zusam -
menhang verweise ich auch auf meine
Ausführungen zu den Fragen 1 und 2.
Zu Frage 4:
Das Nominalwertprinzip ist bereits im dem Vertrag zur Gründung der Europäi -
schen Gemeinschaft beigefügten - Protokoll über das Verfahren bei einem
übermäßigen Defizit festgeschrieben und wird durch das neue ESVG [ESVG
1995: Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 2223/96 des Rates vom 25. Juni
1996 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf
nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Gemeinschaft] nicht
verändert.
Durch das neue ESVG wird allerdings der Verbuchungszeitpunkt für Zinsen -
zahlungen generell von Kassa (,,cash") auf periodengerechte Aufteilung
("accrual“) geändert. Die für die konkreten budgetären Notifikationen relevante
EU - Rechtsgrundlage Verordnung (EG) Nr. 3605/93 des Rates] wird derzeit
novelliert (bis zur Notifikation vor dem 1. September 1999 gilt noch das alte
ESVG 1979).