6188/AB XX.GP

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 6473/J - NR/1999 betreffend Dr. Heinrich

Gross und die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft, die die Abgeordneten ÖLLINGER, Freun -

dinnen und Freunde am 18. Juni 1999 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu

beantworten:

 

 

Die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft ist von dem, was unter dem NS - Regime geschehen

konnte, tief betroffen und bedauert dies. Was in der Anfrage aber als „heute allgemein be -

kannt“ angeführt ist, sah jedoch vor 31 Jahren anders aus: Auf Grund einer Entscheidung des

Obersten Gerichtshofes wurde die Verurteilung von Herrn Prim. Dr. Gross aufgehoben und

die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen ihn nicht weitergeführt. Dr. Gross war 1968

geschätzter Gerichtsgutachter und Primararzt. Im Geschäftsbericht 1968 der Ludwig

Boltzmann - Gesellschaft wird festgestellt: „Die Prosektur des psychiatrischen Krankenhauses

der Stadt Wien verfügt, soweit dies anhand der Weltliteratur abgeschätzt werden kann, über

das größte Material an Gehirnen mit angeborenen Entwicklungsstörungen und frühzeitig

erworbenen Schäden. Die neuropathologische Aufarbeitung und Auswertung dieses einmali -

gen Materials ist erste Aufgabe des Instituts in den nächsten Jahren“. Weder in diesen noch in

nachfolgenden Tätigkeitsberichten der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft wurde je über vor -

handene Gehirnschnitte an NS - Opfern berichtet. Das Ludwig Boltzmann - Institut zur Erfor -

schung der Missbildungen des Nervensystems wurde unter dieser Ausgangsposition 1968 im

Zusammenwirken mit der Stadt Wien errichtet.

Im Bereich des psychiatrischen Krankenhauses der Stadt Wien müßte nachvollziehbar sein,

dass es sich dabei um Gehirnschnitte seit den zwanziger Jahren handelt.

 

Wie erwähnt, waren die heute gegenüber Herrn Prim Dr. Gross erhobenen Vorwürfe damals

nicht bekannt. Nach der Darstellung dieser Vorwürfe durch Herrn Dr. Vogt wurde Prim.

Dr. Gross damit konfrontiert und hat die Institutsleitung 1989 zurückgelegt. Zu erwähnen ist,

dass bis zu der im Vorjahr erteilten Weisung des Herrn Justizministers trotz weiterer Vor -

würfe keine Änderung der juristischen Betrachtungsweise durch die Staatsanwaltschaft ein -

getreten ist.

 

1981 wurde das Institut zur Erforschung der Missbildungen des Nervensystems mit dem

1977 aus dem seinerzeitigen Ludwig Boltzmann - Institut für Neurochemie hervorgegangenen

Ludwig Boltzmann - Institut für klinische Neurobiologie zusammengelegt. Die Zusammenle -

gung erfolgte aus organisatorischen Gründen und wurde in den Geschäftsberichten der Lud -

wig Boltzmann - Gesellschaft dargestellt. Dadurch war es möglich, die vier Institutsbereiche

(klinische, neuropathologische, neurochemische und neurophysiologische Arbeitsgruppe) zu

integrieren.

 

Die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft hat sich nicht nur aktiv an der Klärung des Sachverhal -

tes sondern auch durch Umfrage bei all ihren Instituten und Forschungsstellen an dem Pro -

jekt „Anatomische Wissenschaften an der Universität Wien 1939 - 1945" beteiligt und für den

bei der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft vorliegenden einzigen Fall, nämlich das seinerzeitige

Ludwig Boltzmann - Institut zur Erforschung der Missbildungen des Nervensystems, der Uni -

versität Wien die entsprechenden Unterlagen übermittelt.

 

Es ist festzustellen, dass keine Präparate aus Hirnen aus der NS - Zeit nach Errichtung des

Ludwig Boltzmann - Instituts zur Erforschung der Missbildungen des Nervensystems bzw. des

Ludwig Boltzmann - Instituts für klinische Neurobiologie hergestellt wurden. Diese wurden

vorher im historischen Laboratorium des Krankenhauses der Stadt Wien, Baumgartner Höhe,

hergestellt und stehen im Eigentum der Stadt Wien.

Zu Frage 1:

 

1968 wurde dem neugegründeten Institut zur Erforschung der Missbildungen des Nerven -

Systems ein Grundbudget von öS 300.000,-- zuzüglich Restmittel einer Forschungsratszuwen -

dung an Herrn Dr. Gross in der Höhe von öS 51.050,-- zur Verfügung gestellt. Bis 1980 stieg

dieses Grundbudget auf öS 950.000,—. 1981 wurde das Institut zur Erforschung der Miss -

bildungen des Nervensystems mit dem Ludwig Boltzmann - Institut klinische Neurobiologie

zusammengelegt. Letzteres verfügte 1980 über ein Grundbudget von öS 1,160.000,--. Für das

Ludwig Boltzmann - Institut für klinische Neurobiologie wurden 1981 - 1989 jährliche Grund -

budgets von 2,21 - 2,89 Mio. Schilling zur Verfügung gestellt. Diese Mittel waren allerdings

zweckgebunden für die Personal - und Sachausgaben der Institute. Dabei ist daraufhinzuwei -

sen, dass das Ludwig Boltzmann - Institut zur Erforschung der Missbildungen des Nerven -

systems im Jahr 1980 fünf DienstnehmerInnen beschäftigte und das Ludwig Boltzmann -

Institut für klinische Neurobiologie sieben DienstnehmerInnen. 1981 beschäftigten beide

Institute, ebenso wie 1989, 13 DienstnehmerInnen.

 

Die Ludwig Boltzmann - Gesellschaft erhielt erst 1970 vom Bund eine allgemeine Zuwen -

dung. Die Grundbudgets werden aus sämtlichen allgemeinen Zuwendungen bedeckt, sodass

nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Zuwendungen an das Ludwig Boltzmann -

Institut zur Erforschung der Missbildungen des Nervensystems der Zuwendung des damali -

gen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung zuzuordnen ist.

 

Zu Fragen 2 - 5 und 7 - 8:

 

Zunächst verweise ich auf die einleitenden Ausführungen. Bei der Beurteilung ist der Infor -

mationsstand, wie ausgeführt, von vor 31 Jahren zu berücksichtigen, ebenso aber die zwi -

schenzeitig von der Ludwig Boltzmann - Gesellschaft gesetzten Aktivitäten, insbesondere

auch ihr aktives Mitwirken an der Aufklärung des Sachverhaltes und ihr zum Ausdruck ge -

brachtes Bedauern über Vorgänge in der NS - Zeit.

Zu Frage 6:

 

Es steht außer Frage, dass die sterblichen Überreste von NS - Opfern zu bestatten sind. Dies

hat auch die Stadt Wien als Eigentümer in Aussicht genommen, sobald diese sterblichen

Überreste von den Gerichten freigegeben werden.

 

Zu Frage 9:

 

Ich selbst bedaure zutiefst das Geschehene, sowohl als Mensch, als auch in meiner Funktion

als Politiker der Sozialdemokratischen Partei Österreichs.