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zur Zahl 856/J-NR/1996

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Walter Guggenberger und Genossen ha-

 

ben an mich eine schriftliche Anfrage, betreffend die Gewährung einer dem rechts-

 

staatlichen Denken hohnsprechenden Akteneinsicht, gerichtet und folgende Fragen

 

gestellt:

 

 

''1 . Wie beurteilen Sie im vorliegenden Fall die Gewährung der Akteneinsicht

durch den Einzelrichter des Landesgerichtes lnnsbruck?

 

 

2. Halten Sie es für zulässig, daß die Gewährung der Akteneinsicht unter Beru-

fung auf § 82 StPO erfolgte?

 

 

3. Hielten Sie es für zulässig, daß die Gewährung der Akteneinsicht sich auf

§ 82a StPO stützt?

 

 

4. Warum ist die Staatsanwaltschaft lnnsbruck der gegenständlichen Gewährung

in der Akteneinsicht nicht entgegengetreten?

 

 

5. Wie beurteilen Sie die Einbringung einer Aufsichtsbeschwerde gegen den Be-

schluß des betreffenden Richters durch den Vizepräsidenten des Oberlandes-

gerichtes lnnsbruck?

 

 

6. Welche Schritte sollten nach lhrem Dafürhalten gesetzt werden, damit in Zu-

kunft der Mißbrauch von Aktenbestandteilen, die vertraulich sein müßten, zu

parteipolitischen Zwecken hintangehalten wird?

7. Wie beurteilen Sie die vorliegende Gewährung der Akteneinsicht im Hinblick

auf Vertrauen der Bürger in die Justiz und in die Rechtsstaatlichkeit?''

 

lch beantworte diese Fragen wie folgt:

 

Zu 1 und 2:

Der in der Anfrage kritisierte Beschluß des Untersuchungsrichters des Landesge-

richtes lnnsbruck vom 23.5.1996 wurde, einer Anregung der Generalprokuratur ent-

sprechend, von der StaatsanwaItschaft lnnsbruck mit Beschwerde gemäß § 113

Abs. 1 StPO angefochten. Die Ratskammer des Landesgerichtes lnnsbruck gab mit

Beschluß vom 31.7.1996 der Beschwerde Folge, hob den angefochtenen Beschluß

auf, wies den Antrag des Grünen Landtagsklubs vom 22.4.1996 auf Einsichtnahme

in die einschlägigen Strafakten ab und erkannte, daß durch den angefochtenen Be-

schluß das Gesetz in der Bestimmung des § 82 StPO verletzt worden war.

 

Die Rechtsausführungen der Ratskammer des Landesgerichtes lnnsbruck in der

Begründung ihres Beschlusses sind nach Auffassung des Bundesministeriums für

Justiz zutreffend.

 

 

Zu 3:

Eine Genehmigung der Akteneinsicht durch das Bundesministerium für Justiz oder

die Vorsteher der Gerichte gemäß § 82 a StPO kommt nur dann in Betracht, wenn

Leiter anerkannter wissenschaftlicher Einrichtungen zum Zwecke der nicht perso-

nenbezogenen Auswertung für wissenschaftliche Arbeiten oder vergleichbare, im öf-

fentlichen lnteresse liegende Untersuchungen die Akteneinsicht begehren. Ein sol-

cher Fall lag hier nicht vor.

 

 

Zu 4:

Hiezu hat die Staatsanwaltschaft lnnsbruck berichtet, daß sich der Sachbearbeiter

von der Erwägung leiten Iieß, ein rechtliches lnteresse im Sinne der letzten Worte

des § 82 StPO ( ''.... aus anderen Gründen'') sei glaubhaft vorgebracht worden.

Zu 5:

Der Vizepräsident des Oberlandesgerichtes lnnsbruck erachtete den gegenständ-

lichen Beschluß des Untersuchungsrichters aIs eine mit einem ordentlichen Rechts-

mittel nicht bekämpfbare Entscheidung. Nach seiner Meinung bedeutet es einen

Mißstand der Strafrechtspflege, Akteneinsicht dann zu gewähren, wenn kein rechtli-

ches, sondern ein politisches lnteresse geltend gemacht wird; einer Entwicklung der

RechtspfIege im Sinne des bekämpften Beschlusses müsse vorgebeugt werden.

 

Nach herrschender - vom Bundesministerium für Justiz geteilter - Rechtsmeinung

dient der administrative Rechtsbehelf der Aufsichtsbeschwerde nach § 15 StPO der

Abstellung allgemeiner Mängel und Mißstände der Strafrechtspflege. Fehler der

Rechtsprechung können mit diesem Rechtsbehelf nicht aufgegriffen werden, denn

die Aufsichtsbeschwerde hat nicht den Charakter eines Rechtsmittels. Mit der zu 1

und 2 zitierten Ratskammerentscheidung wurde nunmehr die Rechtslage ausrei-

chend klargestellt.

 

 

Zu 6:

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, wurde der Beschluß des Un-

tersuchungsrichters im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens behoben. Da es sich um

Entscheidungen im Rahmen der unabhängigen Rechtsprechung handelt, habe ich

aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Möglichkeit einer Einflußnahme. lm übri-

gen dürfte der kritisierte Beschluß nach dem lnformationsstand des Bundesministe-

riums für Justiz ein Einzelfall gewesen sein, sodaß ich keine Veranlassung für allge-

meine Maßnahmen sehe.

 

 

Zu 7:

Meines Erachtens besteht kein Anlaß anzunehmen, daß die dargestellten Vorgänge

das Vertrauen der Bürger in die Justiz beeinträchtigt hätten.