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Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Partik-Pable, Dr. Ofner haben an mich eine

schriftliche Anfrage, betreffend Strafaufschub für Drogenabhängige, gerichtet und

folgende Fragen gestellt:

''1. WievieIe Personen haben von 1990 bis 1995 die Therapie gem. § 23a SGG in

Anspruch genommen und auch vollendet, wieviele Abbrecher der Therapie

gab es in diesem Zeitraum?

2. Wie hoch sind die Kosten für die gem. § 23a SGG in Anspruch genommenen

Therapien?

3. Glauben Sie nicht, daß mit der beabsichtigten Neuregelung des Suchtgiftge-

setzes und der Gewährung einer Therapie bei Freiheitsstrafen bis zu drei Jah-

ren enorme Kosten entstehen werden?

4. Wie hoch schätzen Sie die Mehrkosten?''

lch beantworte diese Fragen wie folgt:

Zu 1 :

Das geltende Suchtgiftgesetz 1951 (SGG) verpfIichtet die Gerichte nicht, Entschei-

dungen über den Aufschub des Strafvollzuges nach § 23a der beim Bundesministe-

rium für Gesundheit und Konsumentenschutz eingerichteten Suchtgiftüberwa-

chungsstelle mitzuteilen. Die in Pkt. Vl des Erlasses des BMJ vom 27. Juni 1985,

JABl. Nr. 28, zur Suchtgiftgesetznovelle 1985 vorgesehene (und im Formularvor-

druck SGG 4 ausgeführte) Meldung haben die Gerichte nur sporadisch vorgenom-

men. Dem Bundesministerium für Justiz sind daher weder die Zahl der gemäß § 23a

SGG bewilligten Strafaufschübe noch die der Entscheidungen über den Widerruf

des Strafaufschubs oder die bedingte Strafnachsicht nach erfolgreichem Therapie-

abschluß ( § 23a Abs. 2 SGG ) bekannt.

lch möchte jedoch darauf hinweisen, daß in § 24 Abs. 1 Z 1 der dem Nationalrat zu-

geleiteten Regierungsvorlage zu einem Suchtmittelgesetz (SMG; 1 10 BlgNR

20. GP) eine gesetzliche Verankerung der Meldepflicht der Gerichte über die zum

Aufschub des StrafvoIlzugs ergangenen Entscheidungen vorgeschIagen wird.

Außerdem soll von den zuständigen Ressorts eine empirische Untersuchung zu An-

wendung und Erfolg des Modells ''Therapie statt Strafvollzug'' veranIaßt werden. Ei-

ne aktuelle deutsche Untersuchung zur Praxis und Bewährung der §§ 35 ff. des

deutschen Betäubungsmittelgesetzes (diese entsprechen dem § 23a SGG) belegt

Erfolge der deutschen Praxis des Strafaufschubs zu Therapiezwecken (Martin

KURZE, Strafrechtspraxis und Drogentherapie).

Zu 2:

Eingangs möchte ich darauf hinweisen, daß die für die Kostentragung maßgebliche

Bestimmung des geltenden Rechts (§ 21 SGG) die Übernahme der Kosten von Be-

treuungsmaßnahmen im Rahmen des § 23a SGG durch den Bund an sich nicht vor-

sieht. Die Gerichte haben jedoch in den meisten Fällen (gemäß § 23a Abs. 1 SGG

iVm § 6 Abs. 2 StVG) dem Verurteilten die Weisung erteilt, ''sich einer ärztlichen Be-

handlung zu unterziehen'' und über diesen Umweg den Bund zur Übernahme der

Behandlungskosten gem. § 21 SGG verpflichtet.

Die Ausgaben des Justizressorts aus dem Titel der ''Entgelte nach dem Suchtgiftge-

setz'' stellen sich für die vergangenen sechs Jahre wie folgt dar:

1990 4,285 Mio S

1991 5,147 Mio S

1992 15,364 Mio S

1993 19, 301 Mio S

1 994 36, 550 Mio S

1995 48, 550 Mio S

Zu 3 und 4:

Ob und in welchem Ausmaß nach einer Gesetzwerdung des neuen Suchtmittelge-

setzes die vom Bund gemäß § 42 SMG zu übernehmenden Behandlungskosten

weiter ansteigen werden, hängt vor allem von der Entwicklung des Drogenproblems

als solchem und der damit zusammenhängenden Entwicklung der Anzeigen und

Verurteilungen, von der Bereitschaft der Verurteilten zu Therapiemaßnahmen und

letztlich von den Entscheidungen der unabhängigen Gerichte über die Anträge auf

Aufschub des Strafvollzuges ab. Aus diesem Grund kann eine verläßliche ziffernmä-

ßige Schätzung der Ausgabenentwicklung nicht vorgenommen werden.

Die Ausgaben für die in der Regierungsvorlage des SMG vorgeschlagenen - im übri-

gen gesundheitspolitisch anerkannten - neuen bzw. erweiterten lnstrumente sollten

nicht überschätzt werden. So wird die ''Therapieweisung'' als gelinderes Mittel zur

Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft über suchtmittelabhängi-

ge und therapiebereite Beschuldigte (§ 180 Abs. 5 Z 4 aStPO) voraussichtlich kaum

zu Mehrkosten führen, da die Gesamtdauer einer Therapie nicht dadurch verlängert

wird, daß sie früher (vor Rechtskraft des Urteils erster lnstanz) begonnen werden

kann.

Die Ausweitung des Modells ''Behandlung statt Strafvollzug'' auf suchtkranke Verur-

teilte, über die eine drei Jahre (bisher zwei Jahre) nicht übersteigende Freiheitsstra-

fe verhängt wurde, wird voraussichtlich die Zahl der in Betracht kommenden Verur-

teiIten (also solcher, über die eine zwar zwei Jahre, aber nicht drei Jahre überstei-

gende Freiheitsstrafe verhängt wird) nur unwesentlich vermehren. Nach der Gericht-

lichen Kriminalstatistik wurden 1994 438 Personen wegen § 12 SGG zu einer unbe-

dingten Freiheitsstrafe zwischen einem und drei Jahren verurteilt. Der weit überwie-

gende Teil dieser Freiheitsstrafen dürfte zwei Jahre nicht überstiegen haben.

Die Einbeziehung von allgemein strafbaren Handlungen im Bereich der ''Beschaf-

fungskriminalität'', die mit nicht mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, in

das Modell ''Therapie statt StrafvoIlzug'' wird die Zahl der Strafaufschübe zu Be-

handlungszwecken alIer Voraussicht nach gleichfalls nur wenig vermehren. So ist

der Strafaufschub zu Therapiezwecken schon nach geItendem Recht in den Fällen

des Zusammentreffens des Deliktes nach § 12 SGG mit einem mit geringerer Strafe

bedrohten allgemeinen BeschaffungsdeIikt - unter den übrigen Voraussetzungen -

zu bewilligen. Nur für andere Fallkonstellationen und für Fälle suchtbedingter Be-

schaffungskriminalität ohne die gleichzeitige Verurteilung wegen einer nach dem

SMG strafbaren Handlung soll nach der Regierungsvorlage die BewilIigung des

Strafaufschubs zu Therapiezwecken künftig zusätzlich möglich sein. Es ist zu erwar-

ten, daß die Gerichte davon nur in besonders begründeten Einzelfällen Gebrauch

machen werden.

Auch als Folge der vorgeschlagenen Einbeziehung suchtmitteIabhängiger Händler

von psychotropen Stoffen (''Tablettendealer'') in den Anwendungsbereich des

§ 40 SMG wird wegen der in der Drogenszene vorherrschenden Polytoxikomanie

voraussichtlich die Zahl der Strafaufschübe zu Therapiezwecken nicht nennenswert

ansteigen.

Soweit Regelungen des SMG ungeachtet der vorstehenden Ausführungen zu einem

Ansteigen der Fälle des Strafaufschubs zu Therapiezwecken führen, beabsichtigt

das Bundesministerium für Justiz, einem Ansteigen der Ausgaben durch Maßnah-

men der Kostenverringerung und Kostenkontrolle gegenzusteuern.

So sollen die im § 42 Abs. 3 SMG vorgesehene Ermächtigung des Bundesministers

für Justiz, mit Einrichtungen und Vereinigungen nach § 15 über die Höhe der vom

Bund zu übernehmenden Behandlungskosten Verträge nach bürgerlichem Recht

abzuschließen, und die Ermächtigung zur Erlassung einer ''Tarifverordnung'' (auch)

dazu dienen, die Vergütungen für Betreuungsmaßnahmen insgesamt zu senken. So

hat mein Ressort schon jetzt mit der im Justizbudget wegen der großen Zahl der

Therapiefälle am meisten ins Gewicht faIlenden Einrichtung eine 10 %ige Reduktion

der Behandlungskosten vereinbart.

Außerdem ist beabsichtigt, im Wege der Festsetzung deutlich geringerer Tagsätze

für die Zeit nach Ablauf einer noch zu bestimmenden Frist für den Aufenthalt in einer

stationären Langzeittherapieeinrichtung therapeutische Konzepte mit kürzerer Auf-

enthaltsdauer zu forcieren.

Letztlich darf nicht übersehen werden, daß die Ausgaben für Behandlungskosten

nicht die einzige Meßgröße für die Belastung des Bundeshaushaltes durch suchtmit-

telabhängige Verurteilte darstellen. Auch der Vollzug der Freiheitsstrafe an - im Voll-

zug oft sehr schwierigen - suchtmittelabhängigen Verurteilten verursacht Kosten. So

kostet ein Strafgefangener die Republik im Durchschnitt fast 1.000 S täglich. lm Ver-

gleich dazu sind die Kosten einer ambuIanten drogentherapeutischen Betreuung mit

einem Bruchteil davon (derzeit etwa einem Siebentel) anzusetzen. Aber auch die

Tagsätze für stationäre Therapieaufenthalte werden - unter Berücksichtigung der er-

wähnten Einzelvereinbarungen mit Therapieeinrichtungen - nicht wesentIich, im äu-

ßersten Fall (Begrenzung der Kostentragungspflicht des Bundes mit dem Ausmaß,

mit dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkäme -

§ 42 Abs. 2 SMG) etwa ein DritteI über den Kosten des Strafvollzuges liegen.