814/AB
Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 917/J-NR/96
betreffend die Auswirkungen der Rechtschreibreform, die die
Abgeordneten Dr. Susanne Preisinger und KollegInnen am
28 . Juni 1996 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:
1. Wurde das Bundesministerium fr Unterricht und kulturelle
Angelegenheiten von der bereits eingelegten Verfassungs-
beschwerde beim deutschen Bundesverfassungsgericht offiziell
in Kenntnis gesetzt.
Antwort :
Es handelt sich um eine Verfassungsbeschwerde eines deutschen
Brgers sowie seiner Tochter an das deutsche Bundesverfassungs-
gericht. Das Bundesministerium fr Unterricht und kulturelle
Angelegenheiten stand in dieser Angelegenheit in st„ndigem
Kontakt mit den verantwortlichen deutschen Stellen. Am
26. Juni 1996 wurde dem Bundesministerium fr Unterricht und
kulturelle Angelegenheiten inoffiziell seitens des Ministeriums
des Innern (Bonn) mitgeteilt, daá die 3 . Kammer des Ersten
Senats des BVerFG einstimmig beschlossen hat, die zwei
Verfassungsbeschwerden gegen die Rechtschreibreform zurckzu-
weisen. Eine ''offizielle'' Verst„ndigung w„re aber nur dann
erforderlich gewesen, wenn die deutsche Seite aufgrund einer
vom deutschen Bundesverfassungsgericht erlassenen Einstweiligen
Verfgung von einer Unterfertigung der ''Gemeinsamen Absichts-
erkl„rung'` Abstand h„tte nehmen mssen, was aber nicht der Fall
war.
2 . Wurde im Zuge der Diskussionen ber die Rechtschreibreform
der Verfassungsdienst zur Kl„rung von verfassungsrecht-
lichen Fragen, wie sie in Deutschland aufgetreten sind,
bemht?
2a) Wenn ja , zu welchen Ergebnissen kam der Verfassungsdienst?
Antwort :
Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes wurde bei der
Vorbereitung der 'Gemeinsamen Absichtserkl„rung'' stets einge-
bunden und hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben.
Die Verfassungsrechtslage in Deutschland ist nicht mit der
”sterreichischen Situation vergleichbar . Aus der Sicht des Ver-
fassungsdienstes handelt es sich bei der (gesprochenen wie bei
der geschriebenen) Sprache um einen gesellschaftlichen Konven-
tionsbereich, auf den zwar das Recht verweist, der aber sinn-
vollerweise nicht im Detail vom Recht zu regeln ist . Die Recht-
schreibreform wird insbesondere in den Schulen Gegenstand des
Lehrplanes sein, sie schafft jedoch keineswegs eine allgemeine
Rechtspflicht fr die einzelnen BrgerInnen, sich an die neuen
Regeln zu halten, und berhrt daher auch nicht deren grund-
rechtliche Stellung .
3 . Auf welcher gesetzlichen Grundlage beruht die Unterzeichnung
der Vereinbarung ber die deutsche Rechtschreibreform am
1. Juli dieses Jahres?
Antwort :
Bei der ''Gemeinsamen Absichtserkl„rung'' zur Neuregelung der
deutschen Rechtschreibung handelt es sich um keinen v”lker-
rechtlichen Vertrag, sondern um eine politische Absichtserkl„-
rung maágeblicher Stellen. Da es sich um keinen gesetzes„ndern-
den oder gesetzesvertretenden Staatsvertrag handelt, bedarf es
deshalb auch keiner gesetzlichen Grundlage . Auf Anraten des
Bundesministeriums fr ausw„rtige Angelegenheiten sowie des
Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes wurde diese
Absichtserkl„rung aufgrund der komplexen kompetenzrechtlichen
Aspekte des Regelungsgegenstandes im Rahmen der nicht-hoheit-
lichen Verwaltung als eine gegenseitige Absichtserkl„rung
(Memorandum of understanding) ohne stringente Rechtswirkung
abgeschlossen.
4 . Halten Sie es fr ausreichend, eine derartig tiefgreifende
Ver„nderung einer Sprache, die alle Brgerinnen und Brger
dieses Landes uneingeschr„nkt betrifft, einzig und allein
mit der Kenntnisnahme eines Berichtes ber die Rechtschreib-
reform durch den Ministerrat bewenden zu lassen?
5 . In welcher Form gedenken Sie, die ”sterreichische Bev”lke-
rung ber die Rechtschreibreform zu informieren?
6. Wann soll diese Information erfolgen?
7 . Welche Kosten werden dadurch entstehen?
Antwort :
Die ”sterreichische Bev”lkerung wurde durch die Medien laufend
ber die Entwicklung der Rechtschreibreform informiert . Der
™sterreichische Bundesverlag hat in Zusammenarbeit mit dem
Bundesministerium fr Unterricht und kulturelle Angelegenheiten
die Broschre ''Rechtschreibung neu - Eine Einfhrung in die
neue Orthografie'' herausgebracht, die seit Juni 1996 im ”ster-
reichischen Buchhandel erh„ltlich ist. Der Duden-Verlag wird
noch in diesem Sommer das neue W”rterbuch (Reform-Duden) der
™ffentlichkeit vorstellen. Das ™sterreichische W”rterbuch wird
rechtzeitig mit Schulbeginn 1998 vorliegen. Um die Kosten
m”glichst gering zu halten, ist die vorgesehene šbergangszeit
lang bemessen, und somit k”nnen die Schulbcher im normalen
Rhythmus erneuert werden. Somit wird die Umstellung bis zum
Jahr 2005 ohne groáe Kosten abgeschlossen sein. Darber hinaus
wird die neue Orthografie Vorbildcharakter fr alle anderen
Bereiche haben, in denen sich die Sprachteilhaber an einer
m”glichst allgemein gltigen Rechtschreibung orientieren
m”chten. Das gilt speziell fr Druckereien, Verlage und Redak-
tionen. Die Austria Presse Agentur hat erkl„rt, mit
1. August 1998 ebenso wie die Deutsche Presse Agentur auf die
neue Orthografie umzustellen. Auch hier gilt, daá aufgrund der
langen šbergangszeit die Umstellung ohne groáe Kosten erfolgen
kann.
8. Wurden betreffend die Finanzierung der Mehraufwendungen im
Zuge der Umstellung der Schulbcher bereits Gespr„che mit
dem Familienministerium aufgenommen?
8a) Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Antwort :
Das Bundesministerium fr Umwelt, Jugend und Familie wurde ber
die beabsichtigte Reform der deutschen Rechtschreibung infor-
miert und hat die Verhandlungen mit den Schulbuchverlagen
aufgenommen. Das Ergebnis wird nach Abschluá dieser Verhandlun-
gen vorliegen.
9. In welcher Form wird eine Umschulung der an ™sterreichs
Schulen unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer auf die neue
Rechtschreibreform erfolgen?
10. Wann kann mit dem Beginn der erforderlichen Umschulungen
gerechnet werden?
11. Welche Kosten werden durch die Umschulung der Lehrer
entstehen?
Antwort :
Den LehrerInnen wird ab Beginn des n„chsten Schuljahres
Informationsmaterial zur Verfgung gestellt. In enger Zusammen
arbeit mit den Landesschulr„ten sollen, beginnend mit dem
Schuljahr 1996/97, Informationsveranstaltungen ber die neue
deutsche Rechtschreibung abgehalten werden. Durch interne
Budgetumschichtungen an den P„dagogischen Instituten werden
keine zus„tzlichen Kosten entstehen.
12. Was gedenken Sie zu tun, um H„rten zu vermeiden, die dann
entstehen k”nnen, wenn Schler w„hrend oder knapp vor Ende
ihrer schulischen Ausbildung mit dem Ende der šbergangs-
frist fr die Einfhrung der Rechtschreibreform konfron-
tiert werden?
Antwort :
Fr die šbergangszeit bis zum Ende des Unterrichtsjahres
2004/2005 gelten beide Regelungen gleichermaáen, und deshalb
werden bisherige Schreibweisen nicht als falsch, sondern als
berholt gekennzeichnet und bei Korrekturen durch die neuen
Schreibweisen erg„nzt werden, um alle SchlerInnen so schnell
wie m”glich an die Neuregelung zu gew”hnen. Abschluáklassen
(Jahrgang 1996/97 ) , die noch nach der alten Rechtschreibung
unterrichtet wurden, erhalten Informationen ber die neue
Orthografie.