1045 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (771 der Beilagen): Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen


Das Übereinkommen wurde nach langjährigen Verhandlungen von der 51. Generalversammlung der Vereinten Nationen behandelt, mit überwältigender Mehrheit (158:3) bei fünf Enthaltungen angenommen und allen Staaten zur Unterzeichnung und Ratifikation empfohlen. Es wurde am 24. September 1996 auf einer Staatenkonferenz am Rande der 51. Generalversammlung zur Unterzeichnung aufgelegt und von Österreich und 71 anderen Staaten bei dieser Gelegenheit unterzeichnet. Bis Februar 1997 haben bereits 138 Staaten den Vetrag unterzeichnet, wobei bis dato erst eine Ratifikation erfolgt ist. Es tritt in Kraft, sobald es durch 44 Staaten, darunter alle in Anlage 2 genannten Staaten, ratifiziert wurde. (Obwohl dies auf Grund der vorläufigen Nichtunterzeichnung durch Indien und Pakistan auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, lebten die hauptsächlichen Verpflichtungen des Vertrages sowie die wesentlichen Funktionen der Organisation in Form der erfolgten Errichtung der Vorbereitenden Kommission mit Unterzeichnung durch 50 Staaten gemäß Vertragstext auf).

Durch den Vertrag soll ein System geschaffen werden, in dem die Mitglieder des Vertrages alle Nuklearversuche einstellen. Unterschiedliche Vertragsverpflichtungen ergeben sich auf Grund des Inkrafttretens des Vertrages bzw. auf Grund der lediglichen Mitgliedschaft in der Vorbereitenden Kommission vor Inkrafttreteten des Vertrages. Gleichzeitig sollen Informationen über bisherige Versuchsstätten vorgelegt werden sowie sonstige relevante Informationen übermittelt werden. Alle in Frage kommenden Anlagen sowie darüber hinausgehend alle möglichen Vorkommnisse sollen einer genauen internationalen Kontrolle unterworfen werden, die seitens der internationalen Kontrollorganisation durch eigene Inspektoren in Routineuntersuchungen, oder im Falle eines auftretenden Verdachtes, auch durch außerordentliche Sofortinspektionen durchgeführt werden wird. Gleichzeitig soll ein ständiges internationales Verifikationssystem geschaffen werden, das eine seismische, radionukleid-, hydroakustische, und Infraschallüberwachung umfaßt und die einlangenden Daten in einem internationalen Datenzentrum als Teil der Kontrollorganisation sammelt und auswertet und den Mitgliedstaaten in entsprechender Form zur Verfügung stellt.

Für Österreich bringt das Inkrafttreten des Vertrages eine Deklarations- und Berichtspflicht. Weiters sind strafrechtliche Bestimmungen und Bestimmungen betreffend den Zugang zu öffentlichen und privaten Örtlichkeiten von Mitgliedern der Vorbereitenden Kommission sowie der CTBTO für den Fall der Durchführung einer Inspektion in Österreich zu erlassen. Das Radionukleidlabor der Organisation wird in Seibersdorf angesiedelt werden.

Der Vertrag besteht aus einem relativ kurzen, in Artikel gefaßten Text mit Anhängen, in denen die technische Durchführung der sich aus den Artikeln ergebenden Verpflichtungen ausführlich geregelt sind.

Der vorliegende Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen hat gesetzändernden bzw. gesetzergänzenden Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Artikel 50 Abs. 1 B-VG. Da das Übereinkommen der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich ist, bedarf es der Beschlußfassung gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG. Die Bestimmungen des Artikel 7 Absatz 8, d) und e) sind verfassungsändernde bzw. verfassungs­ergänzende Bestimmungen und bedürfen daher einer Behandlung gemäß Artikel 50 Abs. 3 B-VG.

Im Begutachtungsverfahren, in das alle Landesregierungen einbezogen waren, wurden keine unmittelbar Landeskompetenzen berührenden Punkte festgestellt und seitens der Länder wurde keine Berührung ihres Wirkungsbereiches durch die Konvention gesehen. Da jedoch angesichts der Komplexität der Materie nicht völlig ausgeschlossen werden kann, daß nicht doch in irgendeinem Punkt Landeskompetenzen am Rande berührt werden, erscheint es zweckmäßig, vorsorglich eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG einzuholen.


Für eine Modifikation der Anhänge des Abkommens ist in Artikel VII ein Verfahren vorgesehen, das den Vertragsparteien ein Widerspruchsrecht innerhalb von drei Monaten nach Notifizierung einräumt. Da die Anhänge integrierende Bestandteile des Übereinkommens sind, bedürfte jede Modifikation der Anhänge – als Änderung des Übereinkommens – grundsätzlich der Befassung des Nationalrates gemäß Artikel 50
B-VG. Eine Nichtbefassung des Nationalrates könnte nur insoweit als durch Artikel 9 Abs. 2 B-VG gedeckt erscheinen, als die genannte Bestimmung lediglich eine Übertragung von einzelnen Hoheits­rechten des Bundes auf zwischenstaatliche Einrichtungen und deren Organe vorsieht. Da jedoch die Durchführung des Abkommens auch den Kompetenzbereich der Länder berührt, kann nicht der Weg des Artikel 9 Abs. 2 B-VG gewählt werden. Eine Befassung des Nationalrates mit den jeweiligen Änderungen wäre auch insofern ein Problem, als die – kurze – Widerspruchsfrist von drei Monaten in der Regel einen zu kurzen Zeitraum darstellen wird, um das Verfahren nach Artikel 50 B-VG durchzuführen. Da das vom Übereinkommen vorgesehene Verfahren somit für eine Genehmigung von Änderungen durch den Nationalrat praktisch keinen Raum läßt, müßte aus österreichischer Sicht in allen Fällen Einspruch erhoben werden, um eine Befassung des Nationalrates gemäß Artikel 50 B-VG zu ermöglichen. Dies hätte aber die Blockierung des Änderungsvorschlages auf internationaler Ebene zur Folge. Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, wie auch aus Gründen der Vereinfachung des Verfahrens, erscheint die Erhebung von Artikel VII in den Verfassungsrang als die zweckmäßigste Lösung. Auf diese Weise könnte verhindert werden, daß Österreich durch die automatische Erhebung von Einsprüchen auch solche Änderungsempfehlungen behindern oder gar zu Fall bringen würde, die von Österreich akzeptiert werden könnten.

Der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel sagt zu, die Mitglieder des Außenpolitischen Ausschusses über alle diesbezüglichen Änderungen des in Rede stehenden Staats­vertrages in Kenntnis zu setzen.

Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag erstmals in seiner Sitzung am 1. Oktober 1997 in Verhandlung genommen.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Dr. Martina Gredler und Mag. Johann Ewald Stadler sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für aus­wärtige Angelegenheiten Dr. Benita Maria Ferrero-Waldner.

Im Anschluß daran wurde einstimmig beschlossen, die Verhandlungen zu vertagen.

Nach einer neuerlichen Vertagung in der Sitzung vom 26. November 1997 hat der Außenpolitische Ausschuß am 13. Jänner 1998 die Verhandlungen über den gegenständlichen Staatsvertrag wieder­aufgenommen.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Herbert Scheibner, Hans Helmut Moser, Dr. Michael Spindelegger und Dr. Jörg Haider sowie der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolf­gang Schüssel das Wort.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

           1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen, dessen Art. VII verfassungsändernd ist (771 der Beilagen), wird genehmigt.

           2. Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

           3. Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung der französischen, spanischen, russischen, chinesischen und arabischen Sprachfassungen des gegenständlichen Staatsvertrages dadurch zu erfolgen, daß diese im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden aufliegen.

Wien, 1998 01 13

                           Mag. Dr. Josef Höchtl                                                            Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                          Obmann

Anlage

Minderheitsbericht

der Abgeordneten Herbert Scheibner, Dr. Jörg Haider und Wolfgang Jung

gemäß § 42 Abs. 4 GOG-NR

Zur Regierungsvorlage:

Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen samt Anlagen und Protokoll samt Anlagen (771 der Beilagen)

Der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen sieht das Verbot jeglicher Atomtests (unterirdischer, oberirdischer, maritimer und atmosphärischer Nukleartests) aus militärischen und zivilen Gründen vor und errichtet ein Verifikationssystem, das ein internationales Überwachungssystem, Konsultationen, Vorortinspektionen und vertrauensbildende Maßnahmen umfaßt.

Der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen ist inhaltlich zu begrüßen.

Allerdings konnte die Notwendigkeit verfassungsändernder Bestimmungen im Art. VII sowie die Frage der Beschlußfassung dieser verfassungsändernden Bestimmungen, die in den insgesamt dreimal statt­gefundenen Beratungen im Außenpolitischen Ausschuß diskutiert wurden, weder vom Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, vom Ausschußvorsitzenden, von den Vertretern des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes, des Völkerrechtsbüros des Außenministeriums und der Parlamentsdirektion zufrie­denstellend dargelegt werden.

Nach wie vor sind folgende Bedenken nicht ausgeräumt:

1. Nicht zwingend notwendige Erhebung einzelner Bestimmungen in den Verfassungsrang

Grundsätzlich sind Änderungen des Vertrages, des Protokolls und der Anlagen von einer eigenen Änderungskonferenz zu behandeln. Solche Änderungen werden durch die Vertragsstaaten nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren ratifiziert (dh. Befassung des Nationalrates gemäß Art. 50 B-VG). Allerdings bestehen besondere Vorschriften für die Teile I und III des Protokolls und die Anlagen 1 und 2 zum Protokoll soweit sich Modifikationen auf verwaltungsmäßige und technische Vorschriften beziehen. Diese unterliegen einem einfacheren Änderungsverfahren (Entscheidung des Exekutivrates (90-Tage-Frist), Verschweigungsfrist der Vertragsstaaten, bei Widerspruch Behandlung durch die Konferenz, Inkrafttreten 180 Tage nach Notifizierung durch den Generaldirektor). Deshalb ist vorgesehen Art. VII Abs. 8 lit. d und e, der ua. das einfachere Änderungsverfahren normiert, in den Verfassungs­rang zu heben. Damit entfällt die Pflicht diesbezüglich den Nationalrat zu befassen. Gemäß Art. 50 B-VG jedoch müßte eine Modifikation der Anhänge, die integrierende Bestandteile des Abkommens sind, die Befassung des Nationalrates nach sich ziehen.

Die im Ausschußbericht aufgenommene Ausschußfeststellung, wonach der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten den Ausschuß über verwaltungsmäßige oder technische Änderungen in Kenntnis setzen wird, ändert nichts an der Tatsache, daß durch die vorgesehenen verfassungsändernden Bestimmungen nicht nur das österreichische Verfassungsrecht weiter zersplittert wird, sondern vielmehr die Rechte des Parlaments zusätzlich beschnitten werden.

Abgesehen davon, vertreten die unterzeichneten Abgeordneten die Auffassung, daß die vorgesehene
90-Tage-Frist bei gutem Willen der Exekutive durchaus ausreichend wäre, das verfassungsmäßige Procedere einzuhalten. Trotz des Verständnisses für ein rasches und einfacheres Änderungsverfahren auch auf internationaler Ebene, sind jedoch die Interessen des Parlaments und die Einhaltung der verfassungsmäßigen Vorgangsweise von größerer Bedeutung, weshalb eine Erhebung der Bestimmungen des Art. VII Abs. 8 lit. d und e in den Verfassungsrang abgelehnt wird.

2. Bezeichnungspflicht gemäß Art. 50 Abs. 3 B-VG

Da laut Erläuterungen zur Regierungsvorlage die Bestimmungen des Art. VII Abs. 8 lit. d und e verfassungsändernd bzw. verfassungsergänzende Bestimmungen darstellen, bedürfen sie daher einer Behandlung gemäß Art. 50 Abs. 3 B-VG. Auf Beschlüsse des Nationalrates nach Art. 50 Abs. 1 und 2
B-VG sind, wenn durch den Staatsvertrag Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, Art. 44 Abs. 1 und 2 (erhöhtes Quorum des Nationalrates, erhöhtes Quorum des Bundesrates usw.) sinngemäß anzuwenden; in einem nach Art. 50 Abs. 1 B-VG gefaßten Genehmigungsbeschluß sind solche Staats­verträge oder solche in Staatsverträgen enthaltene Bestimmungen ausdrücklich als „verfassungs­ändernd“ zu bezeichnen.

Da eine derartige Bezeichnung dem Abkommen nicht zu entnehmen ist, sondern lediglich den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, müßte der Ausschuß einen Beschluß fassen, in dem er dem Nationalrat nicht nur die Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages empfiehlt, sondern der Ausschuß müßte in seinem Beschluß ausdrücklich darauf verweisen, daß es sich bei den Bestimmungen des Art. VII Abs. 8 lit. d und e um verfassungsändernde bzw. verfassungsergänzende Bestimmungen handelt. Ein solcher Beschluß wurde im Ausschuß nicht gefaßt.

Der Ausschuß hingegen beschloß mit Stimmenmehrheit dem Nationalrat die Genehmigung des vorliegenden Staatsvertrages zu empfehlen, und unterließ somit die Fassung eines Beschlusses betreffend die Bezeichnungspflicht. Diese Unterlassung kann auch nicht dadurch saniert werden, daß sich nunmehr im Antrag des Ausschusses an den Nationalrat ein Hinweis auf verfassungsändernde Bestimmungen findet. Aus Sicht der freiheitlichen Abgeordneten gibt daher der Ausschußbericht die Beschlußlage des Ausschusses unzureichend wieder. Der Mangel des Ausschußbeschlusses führt dazu, daß auch der Beschluß des Nationalrates über den Antrag des Ausschusses mangelhaft sein und sich daraus letztlich ein verfassungswidriges Zustandekommen des Beschlusses des Nationalrates ergeben wird. Dem können die unterzeichnenden Abgeordneten aus den angeführten Gründen nicht zustimmen.

Wien, den 16. Jänner 1998