1066 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP

Nachdruck vom 27. 1. 1998

Volksbegehren

„Atomfreies Österreich“


Die Unterstützer dieses Volksbegehrens haben die Einleitung eines Verfahrens für ein Volksbegehren mit folgendem Wortlaut beantragt:


Volksbegehen
für ein
„Atomfreies Österreich“

           1. Keine Atomwaffen nach/durch Österreich!

               Weder Durchfuhr, noch Lagerung, noch Stationierung.

           2. Keine Atommüllendlager in Österreich für ausländischen Atommüll!

           3. Keine Atomtransporte durch Österreich!

               Sofortige Einstellung aller Atomtransporte durch Österreich (Atomwaffen, Brennstäbe, Atommüll). Ausnahme: Medizin und medizinische Forschung.

           4. Keine Atomkraftwerke in Österreich!

               Erhebung des Atomsperrgesetzes von 1978 (Zwentendorfsperrgesetz) in den Verfassungsrang.

Begründung:

Die Atomwirtschaft stellt, sowohl in ihrer militärischen – wie auch in ihrer sogenannten friedlichen Variante, anerkanntermaßen eines der größten Gefahrenpotentiale unserer Zeit dar. Das österreichische Volk ist gegenüber Bedrohungen durch radioaktive Stoffe immer sehr sensibel gewesen. Die Ablehnung der Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf in der Volksabstimmung vom 5. November 1978 war nicht nur ein Meilenstein in der österreichischen Geschichte, sondern auch ein herausragender Beweis für die Mündigkeit und Informiertheit der österreichischen Bevölkerung. Die darauffolgenden Katastrophen von Harrisburg/PA/USA und Tschernobyl/Ukraine 1980 bzw. 1986 haben diese grundvernünftige Entschei­dung der Österreicher, die Atomwirtschaft nicht ins Land zu lassen, eindrucksvoll bestätigt.

Die derzeit laufende rasante Umgestaltung Europas und die nun auch in Österreich einsetzende Debatte über einen NATO-Beitritt des Landes machen es nötig, einerseits das Atomsperrgesetz von 1978 (vulgo Zwentendorfsperrgesetz) in den Verfassungsrang zu erheben, damit es besser als bisher gegen Auf­weichungen und Aufhebung geschützt ist, andererseits sollen auch die Stationierung oder Lagerung von radioaktiven Waffen in Österreich, die Errichtung von End- oder Zwischenlagern für ausländischen Atommüll und soweit dem keine zwingenden EU-Richtlinien entgegenstehen, auch jegliche radioaktive Transporte durch Österreich per Verfassungsgesetz untersagt werden. Radioaktive Transporte, die der Medizin oder der medizinischen Forschung dienen, sollen ausdrücklich von diesem Verbot ausgenommen sein.

Im einzelnen regen wir folgende Gesetzesänderungen bzw. folgendes neues Bundesverfassungsgesetz an:

Der Nationalrat möge beschließen:

Artikel I

Das Bundesgesetz vom 15. Dezember 1978 über das Verbot der Kernspaltung für die Energieversorgung in Österreich wird wie folgt geändert:

„§ 1. (Verfassungsbestimmung) Anlagen, mit denen zum Zwecke der Energieversorgung elektrische Energie durch Kernspaltung erzeugt werden soll, dürfen in Österreich nicht errichtet werden. Sofern jedoch derartige Anlagen bereits bestehen, dürfen sie nicht in Betrieb genommen werden.“

Artikel II

Bundesverfassungsgesetz über das Verbot der Ein-, Aus- und Durchfuhr radioaktiver Stoffe

§ 1. Die Ein-, Aus- und Durchfuhr radioaktiver Stoffe im Sinne des Strahlenschutzgesetzes aus Atomwaffen und Anlagen der Energieversorgung, insbesondere radioaktiven Mülls von solchen Waffen und Anlagen auf welchem Weg immer ist verboten, sofern dem keine zwingenden internationalen Regelungen entgegenstehen.

§ 2. Anlagen für den Umgang, insbesondere die Lagerung, Bearbeitung und Beseitigung der unter Abs. 1 genannten radioaktiven Stoffen im Sinne des § 5 Strahlenschutzgesetz dürfen in Österreich nicht errichtet werden.

§ 3. Von diesen Bestimmungen sind radioaktive Stoffe zur wissenschaftlichen Forschung und zum Einsatz auf dem Gebiet der Medizin ausgenommen.

Artikel III

Änderung des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial

Der § 1 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

„§ 1. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Ein-, Aus- und Durchfuhr von radioaktiven Kampfstoffen und -mitteln ist verboten. Die Ein-, Aus- und Durchfuhr von sonstigem Kriegsmaterial bedarf unbeschadet der nach anderen Rechtsvorschriften notwendigen Bewilligungen, einer Bewilligung nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes.“

Der § 3 Abs. 1a wird wie folgt geändert:

„(1a) (Verfassungsbestimmung) Abs. 1 steht einer Bewilligung der Ein-, Aus- und Durchfuhr von sonstigem Kriegsmaterial im Sinne des § 1 Abs. 1 nicht entgegen, wenn diese eine Maßnahme zur Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen darstellt. Der Bundesminister für Inneres kann eine diesbezügliche Feststellung der Bundesregierung einholen.“

Artikel IV

Änderung des Luftfahrtgesetzes

Im § 8 Abs. 1 Luftfahrtgesetz wird folgender Satz eingefügt:

„§ 8. (1) (Verfassungsbestimmung) Der Einflug, der Ausflug und der landungsfreie Überflug des Bundesgebietes durch Privat- oder Staatsluftfahrzeuge mit radioaktiven Kampfstoffen und/oder -mitteln ist verboten.“

Artikel V

Die Vollziehung dieses Bundesgesetzes obliegt der Bundesregierung.

Als Bevollmächtigter im Sinne des § 3 Abs. 4 lit. b des Volksbegehrengesetzes 1973 wurde namhaft gemacht:

Bevollmächtigter:

Günter Ofner, Beamter und Journalist, Schulgasse 46, 1180 Wien

Stellvertreter:

Ing. Rudolf Dunkl, Chemotechniker, Dopschstraße 38/34/2, 1210 Wien

Im Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 292 vom 18. Dezember 1997 ist folgende Kundmachung über das Ergebnis der Eintragungen erschienen:

Bundeswahlbehörde

Zl. 48 637/31-IV/6/97

Ergebnis des Volksbegehrens
„Atomfreies Österreich“

Gemäß § 16 Abs. 1 des Volksbegehrengesetzes 1973, BGBl. Nr. 344, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 505/1994, hat die Bundeswahlbehörde in ihrer Sitzung vom 17. Dezember 1997 auf Grund der Berichte der Bezirkswahlbehörden folgendes Ergebnis der Eintragungen für das Volksbegehren „Atomfreies Österreich“ ermittelt:


 

Bundesland

Stimm-
berechtigte

Anzahl der
gültigen
Eintragungen

Stimm-
beteiligung
in %

 

 

Burgenland

212 257

6 276

2,96

 

 

Kärnten

414 306

17 326

4,18

 

 

Niederösterreich

1 120 806

44 876

4,00

 

 

Oberösterreich

969 698

46 375

4,78

 

 

Salzburg

346 155

12 834

3,71

 

 

Steiermark

896 944

36 467

4,07

 

 

Tirol

455 232

15 677

3,44

 

 

Vorarlberg

222 086

9 312

4,19

 

 

Wien

1 092 775

59 644

5,46

 

 

Österreich

5 720 259

248 787

4,34

 

Da somit mehr als 100 000 gültige Eintragungen von Stimmberechtigten ermittelt worden sind, hat die Bundeswahlbehörde festgestellt, daß ein Volksbegehren im Sinn des Art. 41 Abs. 2 B-VG vorliegt.

Wien, am 17. Dezember 1997.

Der Stellvertreter des Bundeswahlleiters:

Szymanski