1181 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP
Bericht
des Außenpolitischen Ausschusses
über die Regierungsvorlage (1088 der Beilagen): Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich
1. Auch wenn in Österreich auf Grund des Bundesgesetzes über das Verbot von Antipersonenminen (BGBl. I Nr. 13/1997) die zentralen Anliegen dieses Übereinkommens schon verwirklicht sind, hat das vorliegende Übereinkommen gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter. Es bedarf gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.
Die Bestimmungen des Übereinkommens sind zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Recht geeignet, eine Beschlußfassung nach Art. 50 Abs. 2 B-VG ist somit nicht erforderlich.
Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da im Übereinkommen keine Angelegenheiten geregelt werden, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen.
Das Übereinkommen enthält weder verfassungsändernde noch verfassungsergänzende Bestimmungen.
2. Im Zusammenhang mit der Ratifikation des Übereinkommens entstehen für Österreich jährlich Kosten aus den nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens vorgesehenen jährlichen Treffen der Vertragsstaaten. Für Österreich werden dadurch voraussichtlich ab 1999 Kosten entstehen, deren Höhe von der Anzahl der Vertragsparteien und der teilnehmenden Staaten abhängen wird, auf die die Gesamtkosten in Übereinstimmung mit dem angepaßten Beitragsschlüssel der Vereinten Nationen aufgeteilt werden. Als Richtwert kann mit einem Betrag von ungefähr 150 000 S pro Jahr gerechnet werden. Nach dem gleichen Schlüssel werden die geringfügigen Kosten des UN-Sekretariates für dessen administrativen Aufwand für seine Rolle bei Maßnahmen zur Schaffung von Transparenz (Artikel 7) und bei Maßnahmen zur Erleichterung und Klarstellung der Einhaltung des Übereinkommens (Artikel 8) sowie die Kosten der Missionen zur Tatsachenermittlung, wenn solche durchgeführt werden, unter den Vertragsstaaten verteilt werden. Die Höhe der daraus für Österreich entstehenden Kosten kann zur Zeit nicht beziffert werden. Alle diese Kosten sind im Rahmen des Kapitel 20 (“Äußeres”) zu bedecken.
3. Der in den letzten Jahrzehnten vor allem im Zuge nicht internationaler bewaffneter Konflikte erfolgte unterschiedslose und unkontrollierte Einsatz von Antipersonenminen gilt als Hauptursache des heute in mehr als 60 Ländern der Erde bestehenden, internationalen Minenproblems. Nach Angaben der Vereinten Nationen führen weltweit schätzungsweise zirka 110 Millionen ungeräumte Landminen dazu, daß jede Woche 150 bis 200 Zivilisten durch solche Minen getötet oder verstümmelt werden. Als billige und leicht zu beschaffende Waffe werden Antipersonenminen vor allem in Bürgerkriegen bewußt als Mittel des Terrors gegenüber der Zivilbevölkerung eingesetzt. Auch nach dem Ende der Feindseligkeiten töten oder verstümmeln sie jährlich etwa 20 000 Menschen. Sie beeinträchtigen oder verhindern den Wiederaufbau der durch die Kriegseinwirkungen zerstörten Infrastruktur, behindern die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen und gefährden das Personal von Missionen der Vereinten Nationen und von humanitären Hilfsorganisationen. Langfristig kommt es zu negativen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und strukturellen Auswirkungen auf die betroffenen Staaten und Regionen als Folge des Einsatzes von Antipersonenminen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln kann oft nicht mehr sichergestellt werden, da landwirtschaftliche Nutzflächen auf Grund vermuteter oder tatsächlicher Verminung brachliegen. Die Minenräumung ist langwierig und kostenintensiv und von den betroffenen Ländern aus eigener Kraft meist nicht zu bewältigen.
4. Bisherige Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft um eine Lösung des Problems erbrachten nur fragmentarische Ansätze. Vor allem der unbefriedigende Ausgang der Revisionsverhandlungen zum Übereinkommen vom 10. Oktober 1980 über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, die übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken können (BGBl. Nr. 464/1983, im folgenden: Waffenübereinkommen 1980), die im September 1995 in Wien begonnen und im Mai 1996 in Genf geendet hatten, verstärkte den internationalen Ruf nach völliger Abschaffung von Antipersonenminen. Auf Initiative Kanadas versammelten sich 50 Staaten vom 2. bis 5. Oktober 1996 in Ottawa, Kanada, zu einer ersten internationalen “Strategiekonferenz” mit dem Ziel der ehestmöglichen Herbeiführung eines internationalen Totalverbots von Antipersonenminen.
Der damit initiierte “Ottawa-Prozeß” konnte sich auf wertvolle Vorarbeiten durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), durch UNICEF und weltweite Aktionen vieler Nichtregierungsorganisationen stützen, die vereint in der “International Campaign to Ban Landmines (ICBL)” entscheidend dazu beitrugen, die Minenproblematik in das Bewußtsein der internationalen Öffentlichkeit zu rücken, und damit eine wesentliche Voraussetzung für das rasche Gelingen des Ottawa-Prozesses schufen – und dafür auch 1997 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden.
Immer mehr Regierungen kamen zu der Überzeugung, daß der militärische Einsatzwert dieser Minen in keinem Verhältnis zu dem durch sie verursachten menschlichen Leid steht. Als erster Schritt wurden einseitige Moratorien betreffend den Export von Antipersonenminen durch einzelne Staaten, darunter auch Österreich, verhängt. Ende 1996 wurde ein umfassendes Verbot von Antipersonenminen mit Resolution 51/45 S der 51. Generalversammlung der Vereinten Nationen verlangt, die durch 156 Staaten unterstützt wurde.
5. Österreich, das auf Grund entsprechender Vorarbeiten vom Vorsitzenden der internationalen “Strategiekonferenz” in Ottawa, dem kanadischen Außenminister Axworthy, mit der Ausarbeitung eines Entwurfes für ein Übereinkommen betreffend ein umfassendes internationales Verbot von Antipersonenminen beauftragt worden war, verteilte bereits im November 1996 einen ersten Vertragsentwurf an alle Staaten und erhielt dazu zahlreiche Stellungnahmen. Um eine breitere Diskussion über den Text zu ermöglichen, lud Österreich zu einem internationalen Expertentreffen vom 12. bis 14. Februar 1997 nach Wien ein, bei dem 111 Staaten vertreten waren. Die vielen dabei erhaltenen Kommentare wurden ausgewertet, eine revidierte Fassung des österreichischen Vertragsentwurfes ausgearbeitet und neuerlich weltweit zur Einholung von Stellungnahmen zirkuliert. Die daraufhin eingelangten Vorschläge und die Ergebnisse eines Expertentreffens über Verifikationsfragen vom 24. bis 25. April 1997 in Bonn wurden schließlich bei der Abfassung der dritten und endgültigen Fassung des österreichischen Vertragsentwurfes berücksichtigt.
Der österreichische Vertragsentwurf wurde in der Folge nicht nur erneut an alle Staaten übermittelt, sondern auch bei der Internationalen Konferenz für ein vollständiges Verbot von Antipersonenminen vom 24. bis 27. Juni 1997 in Brüssel, an welcher 140 Staaten teilnahmen, präsentiert und erläutert. In der Schlußerklärung dieser Konferenz wurde Österreich für den Vertragsentwurf gedankt und beschlossen, diesen an die Diplomatische Konferenz zur Aushandlung eines Übereinkommens über ein umfassendes Verbot von Antipersonenminen weiterzuleiten.
Die Diplomatische Konferenz, die auf Grund einer Einladung Norwegens vom 1. bis 18. September 1997 in Oslo stattfand, erklärte den österreichischen Vertragsentwurf zur Ausgangsbasis der Verhandlungen. Während der Konferenz kam es in den substantiellen Punkten nur zu relativ geringen Änderungen am Entwurfstext. Dies stellt einen Erfolg für Österreich dar, das als Autor des Übereinkommens anerkannt ist. Der Text des Übereinkommens wurde schließlich am 18. September 1997 durch 89 Staaten ohne Abstimmung angenommen.
6. Das Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung wurde schließlich anläßlich einer internationalen Unterzeichnungskonferenz vom 3. bis 4. Dezember 1997 in Ottawa, Kanada, von 122 Staaten, darunter Österreich, unterzeichnet und liegt seither bei den Vereinten Nationen in New York bis zu seinem Inkrafttreten zur weiteren Unterzeichnung auf. Das Übereinkommen tritt sechs Monate nach dem Monat in Kraft, in dem die 40. Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen als Verwahrer hinterlegt wurde.
Allerdings konnte sich eine Reihe wichtiger Minenproduzenten und -nutzer wie China, die Russische Föderation, Indien, Pakistan, Israel und die Republik Korea bisher nicht zur Unterzeichnung entschließen. Bedauerlich ist auch das Fernbleiben der USA, deren Forderung nach unbefristeten Ausnahmen von einzelnen Verpflichtungen des Abkommens von der Osloer Konferenz nicht akzeptiert wurde. Andererseits ist mit der Teilnahme der übergroßen Mehrheit der afrikanischen, lateinamerikanischen und europäischen und eines großen Teils der asiatischen Staaten sichergestellt, daß der Vertrag bald in den vom Minenproblem betroffenen Regionen der Welt Wirkung entfalten kann.
7. Die Kernbestimmungen des Übereinkommens sehen folgendes vor:
– ein umfassendes Verbot von Einsatz, Lagerung, Herstellung und Weitergabe aller Arten von Antipersonenminen;
– die Zerstörung vorhandener Bestände von Antipersonenminen innerhalb von vier Jahren ab dem Inkrafttreten für den betreffenden Vertragsstaat;
– die Räumung verlegter Antipersonenminen innerhalb von zehn Jahren ab dem Inkrafttreten für den betreffenden Vertragsstaat (im Einzelfall Möglichkeit der Verlängerung durch Beschluß der Vertragsstaatenkonferenz);
– Zusammenarbeit bei der Minenräumung und bei der Fürsorge für die Minenopfer;
– ein glaubwürdiges Verifikationsregime mit der Möglichkeit von “Fact Finding Missions” durch einfachen Mehrheitsbeschluß der Vertragsstaatenkonferenz.
Mit seinem umfassenden Verboten und Verpflichtungen sowie den humanitären Begleitmaßnahmen setzt das Übereinkommen von Ottawa sowohl abrüstungspolitisch als auch aus völkerrechtlicher Sicht neue Maßstäbe. Es stellt sowohl einen Beitrag zum humanitären Völkerrecht als auch eine wichtige Abrüstungsvereinbarung im Bereich konventioneller Waffen dar.
Der Außenpolitische Ausschuß hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 8. Mai 1998 in Verhandlung genommen.
An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Michael Spindelegger, Dr. Irmtraut Karlsson, Mag. Doris Kammerlander, Wolfgang Jung, Dr. Martina Gredler, Dr. Willi Fuhrmann, Werner Amon und der Ausschußobmann Abgeordneter Peter Schieder sowie der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Wolfgang Schüssel.
Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuß den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
1. Der Abschluß des Staatsvertrages: Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung samt Erklärung der Republik Österreich (1088 der Beilagen) wird genehmigt.
2. Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung der Fassungen des Übereinkommens in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache dadurch zu erfolgen, daß sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen.
Wien, 1998 05 08
Werner Amon Peter Schieder
Berichterstatter Obmann